Felix Guggenheim © Archiv Bosch

Felix Guggenheim: Jurist, Verleger, Literaturagent

Felix Guggenheim © Archiv Bosch
Felix Guggenheim © Archiv Bosch

In „Konstanz literarisch“ ist Manfred Bosch der kulturellen Tradition der Stadt über fünf Jahrhunderte hinweg nachgegangen. seemoz porträtiert in lockerer Folge einige der dort vorgestellten Personen. Im Vordergrund stehen freiheitliche, demokratische und antifaschistische Traditionslinien im 19. und 20. Jahrhundert. Felix Guggenheim setzte sich in den USA für AutorInnen im Exil ein.

Das Geburtshaus von Felix Guggenheim (1904–1976) stand im Zentrum der einstigen jüdischen Geschäftswelt von Konstanz: In der Rosgartenstraße 27 betrieb Vater Alfred, der auch im Synagogenvorstand war, eine Herrenkonfektion. Sohn Felix gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu den Begründern des pro-zionistischen Jugendvereins Blau-Weiß, machte 1922 am Suso-Gymnasium das Abitur und studierte Ökonomie und Jura in München und Hamburg. Seine Doktorate legte er 1925 in Zürich und 1926 in Leipzig ab.

Generalbevollmächtigter bei der Deutschen Buchgemeinschaft

Als Wirtschaftsjournalist bei der Vossischen Zeitung erhielt der literarisch Interessierte 1931 die Möglichkeit, seine Kenntnisse in den Dienst des Seydel-Konzerns (Deutsche Buchgemeinschaft) zu stellen, wo er seine Stellung als Vorstandsmitglied und Generalbevollmächtigter dank seines ausgeprägten taktischen Geschicks bis 1938 halten konnte. „Einer meiner besten Ratgeber und Beschützer“, schrieb der Lektor und Autor Max Tau in seinen Memoiren, „war damals Felix Guggenheim. […] In der Lesestunde der Buchgemeinschaft ignorierte man die neue Zeit. Das war nur möglich, weil Felix Guggenheim über eine außergewöhnliche Intelligenz verfügte. Er war zum Juristen geboren, hatte grundsätzlich Respekt vor Institutionen, verachtete aber die neuen, unmenschlichen Gesetze. Er beherrschte sie so vollkommen, daß er viele Argumente der andern abfangen und widerlegen konnte. Mit bewunderungswürdiger Auffassungsgabe erriet er fremde Gedanken, seine Schlagfertigkeit in den schwierigsten Situationen nötigte selbst Gegnern oft ein Lächeln ab. […] Fragte ich ihn, was er bei einer anberaumten, sehr gefährlichen Verhandlung tun wolle, dann meinte er nur, er müsse erst einmal die Gesichter der anderen sehen.“(1)

Emigration nach Los Angeles

1938 emigrierte Guggenheim mit seiner Frau, der Filmschauspielerin Evelyn Holt, über die Schweiz und Kanada nach Los Angeles. Dort kam er in Kontakt mit exilierten Autoren und arbeitete in einem Ausschuss mit, der die Behandlung der Emigranten als feindliche Ausländer bekämpfte. Ferner initiierte er eine Arbeitsgemeinschaft für amerikanisch-jüdische Geschichte und organisierte Leseabende, um deutschsprachiger Literatur ein Forum zu bieten. Im literarischen Gedächtnis bleibt Guggenheim jedoch insbesondere durch die Gründung der Pazifischen Presse, die er 1942 zusammen mit dem Musikwissenschaftler Ernst Gottlieb ins Leben rief. In der Emigrantenzeitung Aufbau wurde der Verlag so eingeführt: „Wir laden Sie ein, auf eine Anzahl kleiner Bücher zu subskribieren, die in der Muttersprache ihrer Autoren erscheinen sollen. Wir möchten erneut Zeugnis von der eminenten Kulturkraft geben, die von Hitler vertrieben wurde und in Amerika Zuflucht gefunden hat.“

Der Exilverlag Pazifische Presse

Die Besonderheit des Unternehmens lag in seinem bibliophilen Zuschnitt: Obschon das Konzept von Exilverlagen normalerweise Massenauflagen zum Ziel hatte, setzte die Pazifische Presse auf Luxusausgaben, deren nummerierte und signierte Ausgaben in nur geringer Auflage herauskamen.

Erschienen sind ein Dutzend Bände, darunter Gedichte, Erzählungen und Romanauszüge von Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Leonhard Frank, Franz Werfel und Thomas Mann, die heute im Antiquariat hoch gehandelt werden. Die Prominenz der Namen hing mit der unausgesprochenen Absicht zusammen, einige der bedeutendsten Repräsentanten der deutschen Exilliteratur für das Bild eines „anderen Deutschland” einstehen zu lassen.

Karriere als Literaturagent

Nachdem die Pazifische Presse 1948 ihren Sinn erfüllt hatte, setzte Guggenheim seine juristischen und literarischen Erfahrungen für seine Karriere als Literaturagent ein und wurde in den USA ein gefragter Fachmann in Copyrightfragen. Zu seinen Klienten gehörten neben den oben genannten Autoren unter anderen auch Alfred Neumann, Curt Goetz, Vicki Baum, Erich Maria Remarque, Jürgen Thorwald, Johannes Mario Simmel, Alma Mahler-Werfel und Victoria Wolff.

1966 erhielt Guggenheim das Bundesverdienstkreuz. Er verstarb 1976 in Beverly Hills.

Anmerkung

1. Max Tau, Das Land, das ich verlassen mußte. Hamburg 1961, S. 260ff.

Text: Manfred Bosch, Foto: privat

Die Serie wird fortgesetzt. Zuletzt erschienen die Porträts
Karl Hüetlin
Joseph Fickler
Ignaz Vanotti
Karl Zogelmann
Hans und Hermann Venedey
Friedrich Munding
Alice Berend
Erich Bloch
Fritz Picard
Heiner Wollheim

Weitere Informationen

Zum Autor

Manfred Bosch lebt als Schriftsteller, Literaturhistoriker und Herausgeber in Konstanz. Neben zahlreichen Darstellungen zur südwestdeutschen Zeit- und Literaturgeschichte widmet er sich in Darstellungen (u.a. Bohème am Bodensee. Leben am See von 1900 bis 1950, Lengwil 1997), Herausgaben und Anthologien der neueren Literaturgeschichte des Bodenseeraums.

Zum Buch

Manfred Bosch, Konstanz literarisch. Versuch einer Topografie, UVK Verlag 2019, 351 Seiten, €22,00.

Manfred Boschs literarischer Streifzug durch Konstanz vom Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ist nicht wie bei Darstellungen dieser Art üblich chronologisch oder nach sachbestimmten Aspekten angeordnet. Sein Stadtrundgang beginnt alphabetisch in der „Alfred Wachtel-Straße“ und endet „Zur Friedrichshöhe“. Er nimmt Straßen, Plätze und Gebäude in den Blick, erzählt welche LiteratInnen, PublizistInnen, VerlegerInnen, Kulturschaffende hier gelebt haben oder als Reisende – sei es als Gast oder auf dem Weg ins Exil – die Stadt passiert haben. Er beschreibt geschichtsträchtige Orte wie das ehemalige Dominikanerkloster (Inselhotel), den Kreuzlinger Zoll, die in den 1960er-Jahren gegründete Universität und bietet einen Überblick über Verlage, Bibliotheken, Lesegesellschaften, Theater und Pressewesen der Stadt. Über 600 Namen umfasst allein das Personenregister.

Erschienen ist das Buch in der von Jürgen Klöckler herausgegebenen „Kleinen Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz“.

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