Destroyed Rubber Boat © Fabian Heinz

Seenotrettung: Ende durch die Hintertür?

Von O. Pugliese
Destroyed Rubber Boat © Fabian Heinz
Zerstörtes Schlauchboot © Fabian Heinz / Sea-Eye

Als die CDU im Dezember 2024 im Kreistag das Ende der Unterstützung für die Seenotrettung im Mittelmeer forderte, falls die Seenotretter sich nicht verpflichteten, die Geretteten an ihren Abfahrtsort zurückzubringen, war die Aufregung bundesweit groß. Jetzt sollen die jährlich 10.000 Euro plötzlich sang- und klanglos aus dem nächsten Haushalt verschwinden.

Wenn der Sozialausschuss des Kreistages sich heute um 14.00 Uhr im Landratsamt zu einer öffentlichen Sitzung versammelt, geht es unter dem Tagesordnungspunkt 4 „Prioritätenliste Haushalt 2026 Referat Integration“ unter ferner liefen um einen Zustupf aus dem Haushalt, der vielen Bürgerlichen seit Längerem ein Dorn im Auge ist und vor einem Jahr zu heftigen Debatten führte.

10.000 Euro pro Jahr seit 2019

Seit 2019 unterstützt der Kreis Konstanz bekanntlich die zivile Seenotrettung durch Sea-Eye e.V. auf dem Mittelmeer mit jährlich 10.000 Euro. Als diese Förderung im letzten Winter verlängert werden sollte, preschte die CDU mit einem überraschenden Antrag vor: Sie wollte die weitere finanzielle Förderung – gegebenenfalls sogar eine „Erhöhung des Zuschusses“ – an eine Bedingung knüpfen: „Die Antragsteller unterstützen die Seenotrettung von im Mittelmeer aufgegriffenen Menschen […] nur unter der Bedingung, dass die Personen wieder zu Ihrem Ursprungs-Abfahrtsort, die afrikanische Küste zurückgebracht werden.“ Dass diese Bedingung für die Retter:innen unannehmbar sein würde, war der CDU natürlich klar. Die aus Seenot aufgelesenen Menschen zurück in genau jene Landnot zu bringen, der sie gerade unter Lebensgefahr zu entkommen suchten, wäre für Sea-Eye natürlich unzumutbar. Aber hier ging es wohl auch weniger um die Seenotrettung als vielmehr um Abschreckung, um einen weiteren Baustein in der Mauer um Europa, zu verstehen auch als Zeichen an eine nach rechts schielende Wählerschaft.

Der Gegenwind gegen diesen von vielen als inhuman empfundenen Antrag, der das Ende der Förderung der Seenotrettung durch den Landkreis bedeutet hätte, kam aus allen Ecken der Republik, selbst große Zeitungen wie die „Süddeutsche“ berichteten. Der Antrag wurde in letzter Minute zurückgezogen. Im Frühjahr 2025 wurde er erneut gestellt und unter dem Hohnlachen der politischen Gegner erneut zurückgezogen.

Dann war bis jetzt im Wesentlichen Ruhe in der Sache.

Rescue © Guillaume Duez
Seenotrettungseinsatz © Guillaume Duez / Sea-Eye

Nur ein Federstrich?

Damit könnte es allerdings heute vorbei sein, wenn im Sozialausschuss der Tagesordnungspunkt 4 aufgerufen wird. Das Amt für Migration und Integration legt die Prioritätenliste des Referates Integration für das Jahr 2026 vor und bittet den Sozialausschuss „vorbehaltlich der Haushaltsplanberatungen“ um Zustimmung.

Zum Sachverhalt heißt es unter anderem: „Diese Liste stellt eine geordnete Zusammenstellung der geplanten Ausgaben und Maßnahmen dar, die aus fachlicher Sicht nach den Prioritäten 1 (sehr hoch), 2 (hoch) und 3 (mittel) bewertet wurden. Ziel der Prioritätenliste ist es, eine sachgerechte und nachvollziehbare Grundlage für die Diskussion und die spätere Entscheidungsfindung zu schaffen. […] Ein wichtiges Ziel dabei ist, die finanziellen Ressourcen verstärkt in Projekte innerhalb des Landkreises Konstanz zu lenken, statt sie an externe Vorhaben zu vergeben.“ Nachtigall, ick hör dir trapsen!

In dieser Prioritätenliste heißt es dann folgerichtig:
Patenschaft Seenotrettung: Haushalt 2025 10.000,– Euro, Haushalt 2026 0,– Euro.

Das heißt, die Mittel sollen gestrichen werden. Damit hätte die CDU ihr Ziel doch noch – und dazu auch noch ohne großes Trara – erreicht, und dies mit einer kleinen Zeile in der Tabelle mit der Haushaltsplanung 2026 des Referates Integration und einem unscheinbaren Satz auf Seite 3 der Vorlage: „Zudem sind ab 2026 keine Mittel mehr für die finanzielle Förderung der Patenschaft zur Seenotrettung durch Sea-Eye e.V. vorgesehen.“

Aus einer hochpolitischen, öffentlich breit diskutierten Angelegenheit wird eine unscheinbare Haushaltsplanänderung, eine simple Verwaltungsangelegenheit, die in einer kleingedruckten Tabelle unter den insgesamt rund 40 weiteren Positionen niemandem groß auffallen dürfte.

Niemandem, wirklich niemandem?

Quellen: Sitzungsunterlagen 2019/279, 2024/318, 2024/365, 2025/210

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