
Smart Green City, ein Projekt mit einem ursprünglich geplanten Finanzbedarf von insgesamt etwa 15 Millionen Euro, wollte uns die Stadt der Zukunft mehr als einen Schritt näherbringen. Heute wird im Rat über das Zusammenstreichen des Projekts debattiert, nachdem sich ein Komplettausstieg als zu kostspielig erwiesen hat.
Über die Toten rede nichts als Gutes – De mortuis nil nisi bene – forderte (angeblich) einer der Sieben Weisen des Altertums. Das fällt allerdings extrem schwer, wenn es sich um Smart Green City (SGC) handelt, das faktisch eine zeitgeistige Totgeburt war, auch wenn kaum jemand im Kreißsaal dies damals erkannte.
Außenstehenden und auch so manchen Insidern in der Verwaltung war lange Zeit weitgehend unklar, was dieses Projekt eigentlich konkret bewirkte oder zumindest bewirken wollte. Klar war vor allem der Konstanzer Verwaltung und den Stadträt:innen aber, dass ein Großteil der nötigen Mittel als Fördergelder fließen sollte, und beim Wort „Förderung“ setzt in diesen Kreisen ja gelegentlich die kritische Vernunft aus. Man fragt dann weniger nach dem Nutzen eines Vorhabens, sondern will vor allem keine Fördergelder „verschenken“, indem man auf die Teilnahme an einem solchen Programm verzichtet. Ob ein Projekt sinnvolle Auswirkungen auf unsere Lebenswirklichkeit hat, wird dann nur am Rande hinterfragt, und auch die fünf Millionen städtischer Gelder (rund 30% des Gesamtetats von SGC), die dafür insgesamt fällig geworden wären, erscheinen auf einmal als Peanuts. Dass auch die Förderung durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) aus Steuergeldern besteht, gerät dabei schnell in Vergessenheit. Viele, nicht nur Oberbürgermeister Ulrich Burchardt, strahlten jedenfalls vor Begeisterung, Selbstbedeutsamkeit und Zukunftswillen.
Zukunftslösungen für Gegenwartsprobleme
Aber vielleicht ging es manchen der direkt Beteiligten auch weniger um Ergebnisse zum Anfassen, weil sie sich an ihren eigenen Worten berauschten und die Welt vor allem digital und als Projekt der Selbstvermarktung wahrnahmen. „Eine umfassende Überprüfung des Programms hat deutliche strukturelle Hürden aufgezeigt – insbesondere im Controlling, in der Steuerbarkeit sowie in der Umsetzung einzelner Projekte“, teilte die Stadt jüngst resignierend mit.
Mit anderen Worten: Bei SGC wusste man zwar genau, wie man ein Projekt ankündigt, aber weniger, ob es denn sinnvoll und umsetzbar sei. Es herrschte anscheinend also ein erhebliches Chaos, in das von außen nicht kontrollierend eingegriffen wurde. Der handgreifliche Nutzen für die Konstanzer:innen stand bei der – zweifellos sehr engagiert geleisteten – Arbeit oftmals wohl nicht im Vordergrund, und die Kommunikation war zwar meist wortreich, aber auf einem Abstraktionsniveau, das wenig Praxiskenntnis verriet. Auf die Nachfrage, was SGC denn überhaupt konkret tue, gab es Antworten wie: „Wir öffnen Räume für die Stadtgesellschaft.“
Hä? Waaas tut ihr?
Manchmal schien es beinahe, als seien Wesen aus einer digitalen Zukunft in unserer fehlerbeladenen, analogen Gegenwart gelandet, hätten sich verwundert die Augen gerieben und für ihre digitalen Lösungen verzweifelt nach irdischen Problemen gesucht, mit denen sie ihre Anwesenheit auf der Erde irgendwie rechtfertigen könnten.
Infantile Show
Eine Veranstaltung im Konzil zum „Storyboard Innenstadt“ begann hingegen geradezu unterirdisch damit, dass eine bis in die Zehenspitzen motivierte Moderatorin ohne tiefere Ortskenntnisse uns Einheimischen im Ton einer kreglen Heizdeckenverkäuferin ausgiebig erzählte, wie schön Konstanz doch sei und dass es am Wasser liege, nämlich am schönen Bodensee [hört, hört!].
Dann wurden zukunftsträchtige Ideen gesammelt. Handfestestes Ergebnis eines großen und kostspieligen Auftriebs mit bunten Karten. Modellen und Fähnchen im Konzil: Es gibt ein Problem zwischen Fahrrädern und Fußgänger:innen vor dem Theater und für die Studentenschaft braucht es in der Stadt „Ermöglichungsräume“ (also vermutlich zum Beispiel Grillplätze, die die Nachbarschaft an Sommerabenden umgehend in Bürgerkriegslaune zu versetzen pflegen) – alles Dinge, die seit Jahren und Jahrzehnten bekannt sind. Dies als brandneue Erkenntnisse intensiv zu beklatschen, setzte einer Veranstaltung die Krone auf, die Bürger:innen als Statisten in einer infantilen Show vorführte. Von Lösungsansätzen hörte man dann später praktisch nichts mehr. Einen handgreiflichen Nutzen hatten die Besucher:innen allerdings: Das Catering war erheblich besser als sonst bei solchen Anlässen üblich.
Was bekommt Konstanz für das Geld?
Mittlerweile hat sich in Verwaltung und Stadtpolitik der Eindruck verfestigt, dass es hier zwar viele schöne Fördergelder gab, dass die Stadt aber für ihren geplanten Kostenbeitrag von rund fünf Millionen Euro zu wenig Gegenwert zu erwarten hätte. Deshalb soll der Gemeinderat heute das Projekt verkleinern. „Die voraussichtliche Einsparung beträgt 30 Prozent des ursprünglichen Gesamtbudgets (von 2021) inklusive der Einsparung städtischer Eigenmittel in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro“, heißt es dazu.
Ein Vollstopp hingegen ist nach Angaben der Verwaltung nicht zielführend, weil er wegen der dann fälligen Rückzahlung von Fördergeldern und aufgrund von Ersatzansprüchen aus vertraglichen Bindungen teurer käme als das nun vorgeschlagene Streichen und „Konsolidieren“ von SGC-Projekten.
Die Konstanzer:innen haben für all die Millionen an Steuergeldern bisher recht wenig bekommen außer ein paar Blumenkübeln, Bänken und Wasserzerstäubern in den Sommermonaten. Gerade in einer Zeit, in der Schüler:innen in Containern unterrichtet werden und die Digitalisierung der Arbeitsabläufe in der Stadtverwaltung um Jahre oder auch Jahrzehnte hinterherhinkt, mögen sich manche Menschen verdutzt die Augen reiben, was das denn für eine verquere Komödie war, bei der jetzt der Vorhang zu fallen beginnt.
Die öffentliche Gemeinderatssitzung beginnt heute um 16.00 Uhr im Ratssaal. Um ca. 18.00 Uhr findet die Einwohnerfragestunde statt.
Quellen: Beschlussvorlage, Vorberatung nö – 2025-1145, Beschlussvorlage ö – 2025-1145/1, https://smart-green-city-konstanz.de/, https://www.konstanz.de/service/presse/pressemitteilungen/smart+green+city+sommerorte+rueckmeldung, https://www.konstanz.de/digital/smart+green+city
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