Konstanzer Rathaus (c) JoachimKohlerBremen, Wikipedia

Gemeinderatswahl 2024: Bunte, aber auch seltsame Mischung

17 Kommentare

Konstanz Rathaus 2022 10 (c) Joachimkohlerbremen Wikipedia

Am 14. Mai präsentiert der Südkurier im Stadttheater Kandidat:innen, die sich um einen Sitz im Konstanzer Stadtparlament bemühen. Neben den bekannten Parteien und Wählergemeinschaften tritt auch die frisch gegründete Initiative KN Kommt (Konstanzer Bündnis für Kommunale Mitbestimmung und Transparenz) an. Deren Vertreter:innen werfen allerdings mehrere Fragen auf.

Für die Vorstellung der Kandidat:innen hat sich der Südkurier ein neues Format ausgedacht. Von den mittlerweile acht antretenden Gruppierungen werden Bewerber:innen auf die Bühne gebeten, die bislang nicht im Gemeinderat vertreten sind, und zwar diejenigen mit dem obersten Platz auf der jeweiligen Liste.

Eigentlich eine gute Idee.

Geladen für den kommenden Dienstag sind somit: Sabine Feist (CDU), Manfred Hensler (FDP), Lisa Kreitmeier (FGL), Sonali Mhalas-Bartels (Freie Wähler), Wolfgang Moßmann (Linke Liste Konstanz), Petra Rietzler (SPD), Swetlana Wiedenbeck (Junges Forum) und Michael Blümm (KN.KOMM.MT).

Politiker „entsorgen“

Blümm, Betreiber eines Konstanzer Tanzstudios, ist Spitzenkandidat seiner Liste, die erstmals mit vier Kandidat:innen antritt und auch für die Kreistagswahlen kandidiert. Auf einem Flyer dieses Bündnisses ist über ihn zu lesen: „Echter Sozialdemokrat: Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit für alle“. Doch mit diesen hehren Ansprüchen scheint es nicht allzu weit her zu sein, denn bekannt ist, dass Blümm laut Südkurier-Recherche Mitte März auf Facebook vom „verlogenen Pack der AltParteien“ schwadronierte und dazu aufrief: „Die Bevölkerung sollte dieses Pack bei der nächsten Wahl komplett entsorgen“. Starker Tobak, den das angeblich sozialdemokratische Urgestein da absondert. Man sollte ihn bei der kommenden Debatte im Theater u.a. fragen, wie er sich eine „Entsorgung“ des Politiker-„Packs“ konkret vorstellt.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Eine Kontaktaufnahme mit Michael Blümm gestaltet sich schwierig. Die seemoz-Redaktion hat ihn vor Wochen per Mail um Auskunft über seine kommunalpolitischen Ziele gebeten und ihm dazu einige Fragen gestellt. Doch der Tänzer stellt sich taub und verweigert jede Antwort. Ähnlich verhält es sich mit Daniel Niedzwetzki, der ebenfalls auf der KN Kommt-Liste kandidiert. Ein schillernder Zeitgenosse, der sich als „Coach und Berater für psychologische Schattenarbeit“ durchs Leben schlägt und sich im rechten Milieu eingenistet hat. Niedzwetzki, nebenberuflich Heilpraktiker und ganzheitlicher Ernährungsberater, wird als freier Mitarbeiter beim Schweizer Internet-Fernsehsender Hoch2 geführt, der sich, so die Züricher Wochenzeitung WOZ, überwiegend auf ein „verschwörungsaffines Publikum“ ausrichtet. Doch damit nicht genug: Auch beim rechtskonservativen Schweizer Online-Magazin „Die Freien“ ist Niedzwetzki aktiv und dort verantwortlich im Bereich der sozialen Medien.

Komplettiert wird die Liste KN Kommt durch Katja Wosiewicz, die vergangenes Jahr bei der Bürgermeisterwahl in Tengen antrat und sich dort gerne als „Menschenversteherin“ vorstellte. Im ersten Wahlgang erreichte sie knapp 8 Prozent der Stimmen, auf einen zweiten Wahlgang verzichtete sie und verschwand von der kommunalpolitischen Bildfläche. Bleibt noch der vierte KN Kommt-Kandidat Frank Hinkelmann. Er gilt als heimlicher Strippenzieher dieser Liste und organisiert seit Jahren den Protest der örtlichen Querdenker-Szene.

***

Ist das nicht eine geile Combo, die sich um ein Mandat im Konstanzer Gemeinderat bewirbt? Ein Tanzlehrer mit ausgeprägtem Hang zu AfD-Sprech – ein irrlichternder psychologischer „Schattenarbeiter“ aus der rechten Esoterik-Ecke – eine selbsternannte „Menschenversteherin“ – und dazu der Leithammel der Konstanzer Corona-Schwurbler. Fehlt eigentlich nur noch der Motorradmechaniker und mehrfach ausgezeichnete Verschwörungshysteriker Gerry Mayr, aber den wollten Blümm und seine Mitstreiter wohl nicht dabeihaben, obwohl Mayr für das neue Bündnis kräftig geworben hat. Sollte es tatsächlich für einen Sitz im ehrwürdigen Konstanzer Rathaus reichen, was nicht völlig ausgeschlossen ist, stellt sich also die Frage, wer dann den wirren Pausenclown gibt und das kommunalpolitische Geläuf belebt. Spätestens am 9. Juni wissen wir mehr.

Text: H. Reile, Bild: JoachimKohlerBremen. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

17 Kommentare

  1. Jürgen Weber

    // am:

    Wir können gespannt sein, welche Figur der Tanzlehrer Michael Blümm mit „Protesthaltung gegen die aktuelle politische und öffentliche Situation in Deutschland“ (Zitat, Facebook) heute auf der politischen Bühne des Stadttheaters abgeben wird. Jedenfalls war sein rechter Hüftschwung auf seinem Facebook-Account schon radikal daneben: In einer seiner politischen Kernforderungen nach einer Tanzfläche für Konstanz „im Freien“ scherzt er, „Rechtsradikale würden sagen: Alles für den Bürger“. Damit verhöhnt er offen rechtsstaatliche Ermittlungen gegen Björn Höcke. Dieser sitzt derzeit vor dem Landgericht Halle in einem Strafverfahren auf der Anklagebank, weil ihm vorgeworfen wird, die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP „Alles für Deutschland“ bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung bewusst verwendet zu haben. Höcke darf in Folge anderer Gerichtsbeschlüsse als Nazi bezeichnet werden.

  2. Dr. Peter Krause

    // am:

    @Helmut Reinhardt
    Sie haben vollkommen Recht. Ein solches System – oder „Tool“ – hat natürlich eine „Schlagseite“. Das kann auch gar nicht anders sein, werden doch nur 30 ausgewählte Themen/Fragen angesprochen – es wären auch mehr und andere als diese möglich. Der eine oder andere Wähler wird sicher die eine oder andere (Detail)Frage oder Thematik vermissen.
    Interessant ist auch die angeschlossene Erhebung mit weiteren Fragen, die der Nutzer beantworten kann – oder auch nicht. Hier ist es bemerkenswert, was gefragt wird, um den politischen Standpunkt des Nutzers einordnen zu können – ich nehme zumindest an, das dies das Ziel ist. Auch hier wären sicher eine andere Auswahl möglich gewesen, aber so ist das eben: Alles kann man nicht machen und auch Umfragen und Wahl-O-Maten haben einen begrenzten Nutzen und eine eigeschränkte Aussagekraft.
    Aber besser als nix ist das aus meiner Sicht schon.

  3. Helmut Reinhardt

    // am:

    @Steven Ries und Dr. Peter Krause
    Naiv sollte man mit diesem „Wahl-O-Mat“ zur Konstanzer Gemeinderatswahl, wie mit jedem dieser Dinger, nicht umgehen, er kann durchaus auch eine gewisse Schlagseite bei der Gewichtung und reduzierten¨ Fragestellung, vielleicht nur unbeabsichtigt aber wohlgesinnt, enthalten. Wie so eine Entscheidungshilfe überhaupt einigermassen neutral, ohne Verzerrung gestaltet werden kann, dazu können sich vielleicht einige Experten äussern. Auch die Hersteller des Automaten sollten zur Transparenz beitragen und sich äussern.

  4. Dr. Peter Krause

    // am:

    @Steven Ries

    Vielen Dank für den Hinwies und den link!
    Ein interessantes Instrument. Habe ich soeben verwendet und fand es hilf- und aufschlussreich.

  5. Steven Ries

    // am:

    Es gibt mittlerweile auch eine Art „Wahl-O-Mat“ zur Konstanzer Gemeinderatswahl, und zwar hier.

  6. Norbert Faulhaber

    // am:

    Seltsamerweise scheint hier niemand – absolut niemand – Anstoß daran zu nehmen, dass der Verfasser dieses Artikels in Personalunion Kandidat auf der Linken Liste Konstanz für die Gemeinderatswahlen ist (Platz 3), und folglich wertend über seine politische Konkurrenz schreibt. Sorry, Leute, aber sauberer Journalismus ist das nicht. Beim „Nebelhorn“, in gewisser Hinsicht ein Print-Vorläufer der seemoz, wurde seinerzeit einmal der Beschluss gefasst, dass Wahlkandidatinnen und -kandidaten zumindest für die Zeit des Wahlkampfes nicht über politische Themen schreiben dürfen, sie wurden stattdessen dazu verdonnert, Feuilleton-Texte zu verfassen, und die FeuilletonistInnen übernahmen die Wahl- und Wahlkampfberichterstattung – was damals teilweise recht lustige Ergebnisse mit sich brachte…

  7. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    zu Herrn Hinkelmann
    Zu Transparenz gehört meiner Ansicht nach ein Wahlprogramm. Da dies bisher nicht vorliegt, bleibt ja nur der Blick auf die Kandidaten.
    Beim Versuch mich über Sie und ihre Mitstreiter zu informieren, bin ich auf wenig Informationen gestoßen und die, die ich gefunden hatte, waren leider wenig vertrauenerweckend und decken sich mit dem Beitrag. Ich hätte mich vielleicht nicht so ätzend ausgedrückt wie im letzten Abschnitt. Doch wenn Herr Blümm sich im FB mit einem Zitat von Ignazio Silone schmückt (Zitatesammlung, leicht zu finden, auch ohne weitere Kenntnisse), dann wird mir schon ein wenig „blümmerant“. Für die Querdenkerszene habe ich zudem nichts übrig.

  8. Sonja Hasemann

    // am:

    Die Programme der anderen Parteien und Gruppierungen liegen schon seit vielen Wochen vor. Da haben sich Menschen bereits vor Monaten Gedanken gemacht, aufgeschrieben, diskutiert und darüber abgestimmt. Diese Gruppe hat das nicht nötig, denn man hofft darauf das Potential der „Wutbürger_innen“ abzugreifen. – Ein Beispiel für „Transparenz“ findet man auf YouTube: nur eine Kandidatin hat der Veröffentlichung ihrer Bewerbungsrede für die Bürgermeisterwahl in Tengen widersprochen. Der Name findet sich auf dieser Liste wieder.

  9. Gunder Haschker

    // am:

    Herr Hinkelmann, das ist doch schon mal ne Ansage! Ich bin gespannt auf das Wahlprogramm von „KN Kommt“!

  10. Thomas Martin

    // am:

    Es ist die Aufgabe eines seriösen Journalismus Fakten herauszufinden und diese zu nennen, öffentlich zu machen – soweit so gut. Manche Fakten lassen Freiräume in der Interpretation zu oder können verkürzt bzw. aus dem Zusammenhang gerissen worden sein, sodass zumindest ein anderer Schluss möglich werden könnte. Es ist aber der Stil des Artikels, der zu kritisieren ist: Mehrfach wird versucht, die Person, Herr Blümm, über seinen Beruf – Tanzlehrer – negativ-lächerlich zu assoziieren, ihn als „Idiot“ (= Nichtfachmann, griech. Bedeutung) darzustellen, von seinem Berufsstand her gesehen, grundsätzlich ungeeignet, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Mit dieser Logik könnte man auch Wirten, Studenten (ohne Abschluss) oder Menschen mit manch anderem beruflichen Hintergrund die Qualifikation absprechen. Das halte ich auf der kommunalen Ebene (nicht auf Bundesebene) für ziemlich übertrieben und trifft nicht den Kern der mutmaßlichen Faktenlage und wirkt vor allem unseriös.

  11. Frank Hinkelmann

    // am:

    Vielen Dank für die Wahlwerbung, Herr Reile.

    Ich kann mich nur wiederholen: Ich stehe gern für ein Gespräch zur Verfügung. An meinem Engagement ist nichts geheimnisvolles. Die Aktionen waren öffentlich und sie hatten mehrmals Gelegenheit für Interviews. Unsere Forderungen waren demokratisch legitim und gut begründet, wie sich heute dank der RKI-Files zeigt. Aber das ist Vergangenheit.

    Es geht mir/uns nach wie vor um die Stärkung der Grundrechte der einfachen Leute, denen ich mich als ehemaliger Links-Grün-Wähler zuvorderst verpflichtet fühle. Unsere Gesellschaft, auch unsere Stadtgesellschaft braucht dringend direkt-demokratische Reformen, damit die Bürgerschaft regelmäßig an wegweisenden Entscheidungen beteiligt wird.

    Wenn wir in Konstanz wieder zu einer Gemeinschaft ohne Spaltungstendenzen werden wollen, halte ich regelmäßige direkte Abstimmungen über Richtungsentscheidungen der Stadt für den besten Weg, um offene Diskussionen in Gang zu bringen und die unterschiedlichen Interessenen angemessen und transparent zu berücksichtigen. Dafür will ich / wollen wir uns einsetzen.

    Die Bürger sollen die Rolle des Souveräns nicht nur einmal in 4 oder 5 Jahren spielen dürfen, sondern regelmäßig und sachbezogen. Dafür gibt es hier hervorragende Leuchtturmprojekte, über die sie auch gelegentlich berichten, wie die Cherisy oder das Bürgerforum Allmannsdorf-Staad, die zeigen, dass in einer vielfältigen Gemeinschaft mit offenen Diskussionen die besten Ideen entwickelt werden.

    Sie haben ja unsere Mail-Adressen. Kontaktieren Sie uns gerne! Falls der Kontakt dieses Mal nicht zufriedenstellend gelaufen ist, bitte ich um Entschuldigung. Einige Abläufe brauchen in einer neuen Gruppe etwas Zeit, um sich einzuspielen. Danke für ihr Verständnis und ihre journalistische Neutralität.

    Viele Grüße und Alles Gute!

  12. Peer Mennecke

    // am:

    „Selbstdenker“, die darüber hinaus „den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen“, haben sich (im Kontext der kaum zitierbaren sonstigen Absonderungen ihrer Kommentare, und die jüngste Historie beweist es eindrücklich), noch nie für Fakten interessiert.

  13. Julio Otine

    // am:

    Über politische Inhalte des Bündnis findet man auch wirklich sehr schwierig etwas Handfestes…

  14. Holger Reile

    // am:

    @Roland Jordan
    Alles, was Sie in dem Text lesen, sind Fakten über dieses Quartett. Das können Sie gerne überprüfen. Viel Erfolg und dementsprechende Erkenntnis.

  15. Roland Jordan

    // am:

    Ihr macht das sehr gut, ihr Seemozer – Meinungsbildung innerhalb des bewährten Framing anstatt Information mit Rundumblick – die Lesenden sollen gar nicht erst in Versuchung geführt werden sich eine eigene Meinung zu bilden – weiter so!

    Wehe denen, die den Mut haben sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

  16. Maria Luise Endele

    // am:

    Ihr Honigköpfe!
    Man spürt Euren Neid und Eure Befürchtung: womöglich gibt es ja eine geile Combo, die Euch die Show stiehlt, und deren Mitglieder einfach ‘mal so etwa dreißig Jahre jünger sind als Ihr.
    Wie entsorgt man Politiker? Indem man sie einfach nicht mehr wählt, weil ihre Gesinnungsgenossen auf Bundesebene größtmöglichen Schaden verursachen!
    Manche entsorgen sich quasi sogar selber: weil sie sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligten und weiter beteiligen – was sie natürlich zu verbergen suchen.
    Ein Bisschen eigene Schattenarbeit – Selbstreflexion! – täte so manchem Politiker recht gut. Leider neigen die meisten Menschen dazu, die Schuld auf andere zu schieben: „Die bösen Querdenker delegitimieren Regierungsmitglieder.“ Haha! Das erledigen diese schon selbst. Die neue Form der Selbstentsorgung ist das. Ganz einfach!
    Einen wunderbaren Mai und viele Grüße von einem Selbstdenker

  17. Gunder Haschker

    // am:

    Ich denke mal, wir wissen mehr, wenn das Programm dieser Gruppierung vorliegt.

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