Entlang der Gäubahn, die den Bodensee und die Ostschweiz mit dem Stuttgarter Raum verbindet und eine Lebensader eher abgelegener Regionen ist, wächst der Widerstand gegen die geplante langjährige Kappung der Direktverbindung in die baden-württembergische Hauptstadt. Eine Initiative hat eine Petition gestartet und veranstaltet einen Info-Abend.
Die Fahrt mit der Gäubahn nach Stuttgart oder die anschließende Flucht aus der schwäbischen Metropole zurück in die lieblichen Landstriche Badens und der Schweiz war schon bisher äußerst beschwerlich. Was manche als traditionelle schwäbische Betulichkeit priesen, trieb anderen den Puls in die Höhe: Massive Verspätungen, gerammelt volle Wagen und – vor allem am Wochenende – bis zum Bersten überfüllte Fahrradabteile. Diese Strecke bietet alles, an was sich Bahnreisende im Zuge der planmäßigen Rückentwicklung der öffentlichen Infrastruktur in Deutschland gewöhnen sollen. Und jetzt auch noch die Einschränkungen durch die Baustelle für Stuttgart 21.
Entlang der Bahnstrecke regt sich inzwischen Widerstand. Hier eine Mitteilung aus Rottweil:
»Aus Unmut über die geplante Kappung der internationalen Bahnlinie Zürich-Stuttgart haben sich in Rottweil und anderen Orten entlang der Gäubahn Gruppen und Initiativen gebildet, die diese Kappung verhindern möchten.
Die Initiative ProGäubahn Rottweil ist mit einer Petition an die Öffentlichkeit gegangen, um allen, die auf eine funktionierende Eisenbahn angewiesen sind, eine Chance zu geben, ihrem Ärger gegenüber der Politik, der Deutschen Bahn und der Stadt Stuttgart Ausdruck zu verleihen.
Klimapolitische Fragen spielen bei der Kappung keine Rolle. Die Initiative ProGäubahn Rottweil geht davon aus, dass das geplante Projekt des Pfaffensteigtunnels, der nach Fertigstellung Deutschlands längster Tunnel sein wird und bis zur Fertigstellung so viel CO2- Emissionen verursachen wird, dass auch Jahrzehnte nach Inbetriebnahme das Klimakonto der Gäubahn negativ belastet wird. Dass die Politik davon ausgeht, diesen längsten Tunnel Deutschlands bis 2035 in Betrieb nehmen zu können, kommt ebenfalls einer Posse gleich. Realistische Bauzeitschätzungen gehen von 7 bis schlimmstenfalls 20 Jahren Bauzeit aus.
Genau für die Dauer dieser Bauzeit wird die internationale Bahnlinie Zürich-Stuttgart stillgelegt oder zu einer S-Bahn Linie herabgestuft.
Millionen Menschen werden abgehängt – letztendlich nur, weil die Stadt Stuttgart ihr Rosensteinquartier realisieren will und dafür offensichtlich mächtige Partner an ihrer Seite hat.
Es ist fatal: Die Bürger im Südwesten, die mit der Zustimmung zu Stuttgart21 im Volksbegehren 2011 dieses Projekt überhaupt erst ermöglichten, müssen nun die bittere Pille schlucken, entgegen allen Versprechungen nicht an den wunderbaren Verheißungen von Stuttgart21 teilhaben zu dürfen – im Gegenteil, sie werden benachteiligt und von der Landeshauptstadt abgeschnitten.
Die Initiative fordert im Übrigen auch keinen Verzicht von der Stadt Stuttgart. Sie fordert lediglich den Erhalt von 2 Gleisen, die in den Kopfbahnhof geführt werden, bzw. bestehen bleiben. Alles andere kann abgebaut werden, Die Kosten belaufen sich hierfür auf etwa 1,5-2,8 Millionen Euro, geradezu ein Witz gegen die im Milliardenbereich liegenden Kosten für den Pfaffensteigtunnel.
Übrigens ist auch jedem klar: Hätten die Politiker damals die Wahrheit über ihre Pläne für den Zugverkehr im Südwesten Deutschlands gesagt, wäre das Ergebnis des Referendums für Stuttgart 21 definitiv anders ausgefallen als es letztendlich mit einer sehr knappen Zustimmung erfolgt ist.
Die Initiative erwartet nun von allen gewählten VolksvertreterInnen (MdL bzw. MdB) entlang der Gäubahn, dass sie sich hundertprozentig gegen die Kappung der Gäubahn stellen. Alle haben sie einen Eid abgelegt, sich „mit aller Kraft dem Wohle des deutschen Volkes – hier den NutzerInnen der Gäubahn – zu widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“.«
Die Petition können Sie hier unterzeichnen.
„Wie weiter mit der Gäubahn nach dem Faktencheck?“ ist in der nächsten Woche Thema eines Informations- und Diskussionsabends. Auf Einladung der Initiative kommt dazu Matthias Lieb, Landesvorsitzender des VCD, nach Rottweil. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 28. September 2023, um 19.30 Uhr im Festsaal Altes Gymnasium, Kapellenhof 6, Eingang Badgasse, statt.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Text: OP, MM, Bild: Initiative ProGäubahn Rottweil
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