Hausdächer berchengebiet dez 2025 © pit wuhrer

Nachtragshaushalt gescheitert – Gemeinderat will lieber mehr Schulden

Von Ralph-Raymond Braun
Hausdächer berchengebiet dez 2025 © pit wuhrer
Mieter:innen gewinnen durch die Reform – falls die Steuersenkung bei Mietshäusern umgelegt wird

Haushaltssperre, Schuldenberg, strukturelles Defizit – alle sind sich einig, dass Konstanz sparen muss. Dass der Gemeinderat nun allerdings nicht die Ausgaben, sondern die Einnahmen um 1,2 Millionen Euro kürzt, überrascht dann doch. So geschehen bei der Grundsteuer: Eine die politischen Lager übergreifende Koalition verweigerte die von der Verwaltung angestrebte Anpassung des Hebesatzes.

Blicken wir zurück. Noch vor der vom Verfassungsgericht erzwungenen Reform der Grundsteuer hatte Konstanz mit Wirkung für 2024 den Hebesatz um 100 Punkte auf 510 erhöht. Der Hebesatz ist ein Multiplikator, den die Kommunen auf den vom Finanzamt bestimmten Grundsteuermessbetrag anwenden und damit die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer bestimmen. Gegen die seinerzeit mit 24 gegen 9 Stimmen beschlossene Erhöhung waren damals SPD und die Linke Liste. Ihr Argument: Eine höhere Grundsteuer verteuert das Wohnen. Dagegen stimmte auch die FDP, denn „durch eine zu üppige Steuererhöhung fehle der Druck bei den tatsächlichen Einsparungen und den wichtigen Prüfaufträgen, beispielsweise im Bereich der Philharmonie und Theater“, so das Protokoll.

2025 trat dann die Grundsteuerreform mit den neuen Messbeträgen in Kraft. Um das gleiche Steueraufkommen wie vor der Reform zu erreichen, musste die Stadt einen neuen Hebesatz beschließen. Diese aufkommensneutrale Umsetzung der Reform war auch dem Land wichtig, das den Kommunen dazu jeweils eine Bandbreite der neuen Hebesätze empfahl: Für Konstanz 154 bis 170 Punkte. Innerhalb dieser Bandbreite plädierte die Stadtverwaltung für 168 Punkte, was der Gemeinderat dann auch einstimmig absegnete.

Falsche Prognosen

Doch es kam anders. Statt der 2024 für die rund 34.000 Grundstücke in Konstanz eingenommenen 18,1 Millionen Euro flossen 2025 nur 17,1 Millionen in die Stadtkasse. Für Konstanz und fast alle anderen baden-württembergischen Kommunen ging die Rechnung mit den von der Landesregierung empfohlenen Hebesätzen nicht auf, sondern führte zu Mindereinnahmen.

Die Fehler liegen also nicht bei der Stadt oder beim örtlichen Finanzamt, sondern im System. Zum einen hatte die Landesregierung alle Grundstückseigentümer:innen verpflichtet, ins Formular zur Ermittlung des neuen Messbetrags Grundstücksgröße und Bodenrichtwert händisch einzugeben – obgleich diese Werte aus den der Verwaltung bekannten Daten auch hätten automatisch übernommen werden können. So gab es dann bei Eigentümergemeinschaften häufig den Fehler, dass Eigentümer:innen übersahen, die Grundstücksfläche auf ihren Anteil herunterzubrechen. Und bekamen deshalb die Grundsteuer für das gesamte Grundstück festgesetzt, obwohl sie nur einen Bruchteil davon besitzen. Damit kam es zu mehreren Hundert Doppel- und Mehrveranlagungen, die erst verspätet rückwirkend korrigiert wurden.

Eine zweite Fehlerquelle waren Grundstücke, die in zwei verschiedenen Bodenrichtwertzonen liegen. Hier hatte die Oberfinanzdirektion die Finanzämter zunächst angewiesen, stets den jeweils höheren Bodenrichtwert für das gesamte Grundstück anzusetzen. Dies mündete etwa bei Seegrundstücken mit Naturschutzflächen in eine extrem hohe Grundsteuer. Hier haben die Finanzämter ihre Bewertungspraxis inzwischen korrigiert und taxieren etwa die Naturschutzflächen nun gesondert und nur noch mit einem Bodenwert von drei Euro pro Quadratmeter, was die Steuerlast erheblich reduziert.

Die Gewinner der Grundsteuerreform

Um die Mindereinnahmen zu kompensieren und 2026 wieder ein dem Steueraufkommen von 2024 entsprechendes Ergebnis von 18,2 Millionen Euro zu erreichen, schlug die Verwaltung vor, den Hebesatz von 168 auf 180 Punkte zu erhöhen. Was hätte das bedeutet? Von der Grundsteuerreform, in Baden-Württemberg umgesetzt als Umstellung der Bemessungsgrundlage vom Ertragswert eines Grundstücks auf seinen Bodenwert, profitieren vor allem die Mieter:innern in Mehrfamilienhäusern: Je mehr Wohnungen ein Haus hat, desto geringer wird der auf jede Wohnung entfallende Grundsteueranteil.

Für zwei Drittel der Grundstücke ist die Steuerbelastung heute geringer als vor der Reform. Für Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern hat sich die Steuer gar nahezu halbiert. Die von der Verwaltung angestrebte Erhöhung des Hebesatzes hätte dagegen für Mieter:innen eine Mehrbelastung von lediglich zwei bis drei Euro im Monat gebracht, die Steuerlast wäre damit noch immer deutlich unter den Beträgen vor 2025 geblieben.

Der Gemeinderat verzichtet auf Geld

Doch eine gemeinderätliche Querfront verweigerte mit 20 Nein-Stimmen gegen 17 Ja (und einer Enthaltung) die Erhöhung des Hebesatzes. Dagegen waren wie gewohnt die traditionell dem Mieterverein eng verbundene SPD-Fraktion und in ihrem Schlepptau die Linke Liste. Ihre Begründung wie schon 2024: Die Grundsteuer sei im Grunde eine inakzeptable Wohnsteuer und das Wohnen in Konstanz schon teuer genug. Dagegen war weiterhin die FDP, die prinzipiell den Staat und die öffentlichen Verwaltung kurz halten und schrumpfen will.

Dagegen stimmten nun aber auch, anders als noch 2024, die Freien Wähler, deren Fraktionssprecher Jürgen Faden sich über eine grundsätzliche Ablehnung des baden-württembergischen Grundsteuermodells hinaus zum Fürsprecher der Armen aufschwang, indem er die Hebesatzerhöhung als Griff in die Taschen derer verurteilte, die nicht auf Rosen gebettet sind. Die Aufzeichnung der Debatte ist leider zu unscharf, um Krokodilstränen auf Fadens Wangen erkennen zu können.

Die CDU-Fraktion war gespalten. Während Stadtrat Roger Tscheulin betonte, „wir brauchen das Geld für den Haushalt“, und von den Neinsager:innen Vorschläge für alternative Finanzquellen verlangte, votierte die Fraktionsvorsitzende Heike Rawitzer gegen die Erhöhung des Hebesatzes. Mit ihrem Credo „Die Lösung zur Rettung des Haushalts kann nicht das Zur-Kasse-Bitten der Bürger sein“ rückt sie sich in die Nähe jener, die den Staat zugunsten des Markts schwächen wollen.

Parken zu Lande und zu Wasser wird teurer

Wie geht es weiter? Der eigentlich zur Abstimmung stehende Nachtragshaushalt für 2026 war damit Makulatur und kommt mit veränderten Zahlen erst wieder im Januar zur Abstimmung. Vorschläge, wie das neue Millionenloch im Haushalt zu stopfen wäre, brachten die Neinsager:innen nicht. Sie erhöhen mit ihrem Nein zu den Steuermehreinnahmen den Druck, auf der Ausgabenseite zu sparen. Die Linke Liste mag noch so oft das Bodenseeforum als Geldvernichtungsmaschine anprangern – sparen wird diese Stadt, so wie die Mehrheiten liegen, wohl zuerst im Kulturbereich, beim Theater, dem Orchester und den Museen.

Durchringen konnte sich der Rat immerhin zur noch im Frühjahr abgelehnten Erhöhung der Parkgebühren im öffentlichen Straßenraum. So wird das linksrheinische Parken künftig für die erste Stunde vier Euro, für jede weitere drei Euro kosten, womit Konstanz sich dem Niveau der Parkgebühren in Zürich weiter annähert. Am Hörnle – wo es, so die Stadtwerke, im sommerlichen Parkchaos kein Durchkommen für ihre Busse gebe – folgte die Mehrheit hingegen dem Vorschlag der CDU, das Tagesticket nur 15 (statt wie vorgesehen 18) Euro kosten zu lassen.

Durchgewunken wurden auch Gebührenerhöhungen der Stadtbücherei und für die stadteigenen Bootsliegeplätze am Seerhein. Bekanntlich ist ja nicht der Besitz eines Boots, sondern eines Liegeplatzes Merkmal sozialer Distinktion und höheren Rangs, weshalb Konstanzer Eltern schon ihre Neugeborenen auf die Warteliste für einen Liegeplatz setzen lassen. Das will die Stadt künftig verhindern, indem sie erst mindestens Sechzehnjährige auf die Warteliste nimmt. Ein Schritt hin zu einer gerechteren Welt – der aber nichts daran ändern wird, dass manche:r Liegeplatzbesitzer:in sein oder ihr Statussymbol klammheimlich und verbotenerweise gegen gutes Geld an andere untervermietet. Fröhliche Weihnachten!

Fotos: Pit Wuhrer

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