Protest Bangladesh 2019 © Wiki Commons

Macho des Jahres: der frauenfeindliche Bundesjustizminister 

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Protest Bangladesh 2019 © Wiki Commons
Protest überall am internationalen Frauentag (hier in Bangladesh)

Wieviel zerstörende Macht ein männliches „Nein“ haben kann, demonstriert Bundesjustizminister Marco Buschmann mit gleich zwei Blockaden von EU-Gesetzen zur Stärkung von Frauenrechten weltweit. 

Die stete Erwähnung „Frauenrechte seien Menschenrechte“ ist eine triviale und dennoch notwendige Erinnerung daran, dass Frauen benachteiligte Menschen sind, einfach so, qua Geschlecht. Rund um den 8. März bilanzieren Frauen / FLINTA* den Status quo ihrer Gleich- und Ungleichstellung – einen positiven Bilanzstrich werden vermutlich erst Generationen in ferner Zukunft ziehen können: In 131 Jahren könnte eine Geschlechtergerechtigkeit erreicht sein, so der „Gender Gap Report“. Es gab schon bessere Prognosen. Aber so ist das mit der Gleichberechtigung: Mal geht es einen Schritt voran, und dann wieder vier Schritte zurück. 

Rechte für Frauen / FLINTA* müssen politisch erwirkt, juristisch verankert und praktisch gelebt werden; das sind jeweils komplexe Schritte mit komplexen Stolperfallen. Eine bekannte Stolperfalle ist der Faktor „Mann“ – so in zwei aktuellen Fällen Marco Buschmann, seines Zeichens Bundesjustizminister, Jurist und FDPler. 

Innerhalb weniger Monate trug Buschmann maßgeblich dazu bei, zwei wegweisende Bemühungen zum Schutz von Frauen auszubremsen beziehungsweise zu verhindern: die „EU-Richtlinie zum Schutz von Gewalt gegen Frauen“ und das so genannte Lieferkettengesetz. Beide Maßnahmen sehen einen grenzüberschreitenden Schutz für Frauen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung vor. 

Richtlinie zum Schutz von Frauen vor Gewalt 

Die EU-Kommission reichte am 8. März 2022 die „EU-Richtlinie zum Schutz von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ mit dem Ziel ein, einheitliche Strafgesetze aller 27 Mitgliedstaaten festzulegen. Nach langen Debatten und mit großen Abstrichen wurde die Richtlinie am 6. Februar 2024 beschlossen und soll bis Mitte des Jahres in Kraft treten.

Die Grundidee war, ein Mindestmaß an grenzüberschreitendem Schutz für Frauen zu gewähren. Angesichts der Verbrechensstatistik wäre das längst überfällig. Die häufigste Menschenrechtsverletzung ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen. So werden in der EU täglich sechs bis sieben Frauen, rund 2300 jährlich, von ihren Ex-Partnern oder Familienangehörigen getötet. Auch ist der wirtschaftliche Schaden, den diese Gewalt verursacht, in der EU immens; er beträgt etwa 290 Milliarden Euro jährlich.

Die Richtlinie definiert folgende Formen von Gewalt als Strafbestand: weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung, Cyberstalking, Cybermobbing, die nicht-einvernehmliche Weitergabe intimer Bilder und Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet. Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten den Opfern den Zugang zu Justiz und Beratungsstellen sowie einen Anspruch auf Schadensersatz gewähren. 

Bittere Abstriche: kein einheitlicher Schutz 

1,5 Millionen Frauen werden jährlich in der EU vergewaltigt. Jede zweite Frau soll sexuelle Belästigung erfahren haben und jede dritte sexualisierte oder körperliche Gewalt. Dennoch können Vergewaltigungstäter EU-weit weiterhin nicht oder sehr unterschiedlich belangt werden. Angezeigt werden nur sehr wenige Vergewaltigungen, die Verurteilungsquote liegt unter zehn Prozent (in Deutschland), und davon wiederum fallen die meisten Urteile milder aus, als gesetzlich vorgesehen. 

Auch dieser häufigen, schwerwiegenden Gewalt gegen Frauen wollte die Richtlinie mit einer für alle Mitgliedsstaaten einheitlichen Definition von Vergewaltigung entgegenwirken. Wie in Schweden und Spanien schon angewandt, sah der Gesetzentwurf vor, Sexualakte ohne Zustimmung, das so genannte „Ja ist Ja“-Prinzip, als Vergewaltigung zu ahnden. 

Dieser fortschrittliche Vorstoß stieß in Ungarn, Frankreich und insbesondere bei Marco Buschmann auf Unmut; und das in einer solchen Vehemenz, dass über Monate hinweg die gesamte Richtlinie zu scheitern drohte. Letztlich rettete sie der Kompromiss, Vergewaltigung als Tatbestand restlos zu streichen. 

Buschmann und Co. bemängelten, Vergewaltigung sei keine Form „sexueller Ausbeutung“ und könne nicht im Sinne des EU-Rechts grenzüberschreitend reguliert werden. Gleichzeitig stieß Buschmann eine frauenfeindliche Debatte an à la „verbitterte, fanatische Frauen könnten reihenweise Männer zu Unrecht beschuldigen“. Potenzielle Ängste hysterischer Männer wiegen scheinbar mehr als 1,5 Millionen Vergewaltigungen jährlich. Als maßgeblicher Blockierer befeuerte Buschmann damit auch das rechte, misogyne Lager Europas – und das kurz vor den EU-Parlamentswahlen, bei denen ein massiver Rechtsruck droht. 

Aktuell gibt es in Europa neben dem „Ja ist Ja“- Prinzip noch zwei weiterer juristische Definitionen von Vergewaltigung: In Frankreich, Österreich, Italien, Portugal und vielen osteuropäischen Staaten muss der Sex nachweislich mit Gewalt erzwungen werden und in Deutschland muss eine Frau ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen, das „Nein heißt Nein“-Prinzip.

Lieferkettengesetz: Neoliberalismus vor Kinderrechten 

Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, Diskriminierung, Landraub, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, Folter und vieles mehr fallen unter die Definition von „lieferkettentypischen Risiken“. Weltweit gefährden diese menschenrechtsverletzenden Risiken in besonderer Weise die Leben von Kindern und Frauen. 

Die EU-Kommission hat in mehreren Etappen mit dem Entwurf des so genannten Lieferkettengesetzes versucht, globale Umweltstandards und Menschenrechte rechtsverbindlich umzusetzen und den Risiken globaler Lieferketten entgegenzuwirken. Buschmann und sein Kollege Christian Lindner blockierten massiv jeden Entwurf, trotz Bedenken der Koalitionspartner, und erwirkten so eine Enthaltung Deutschlands, die bei der Abstimmung im EU-Rat einem Nein gleichkam.

Sie plädierten für eine „entschlackte“ Neufassung nach den EU-Wahlen. Ihre Einwände und Befürchtungen sind: eine Schwächung des deutschen Mittelstands, ein „Bürokratiemonster“, also bürokratische Hürden (Buschmann musste noch nie einen Hartz-IV-Antrag stellen) und unüberschaubare Haftungsrisiken, durch potenzielle Klagen zum Beispiel gegen Kinder- oder Zwangsarbeit. Hier verweist Buschmann auf das, seines Erachtens ausreichende deutsche Lieferkettengesetz, das praktischerweise (sic!) keine Haftungsansprüche vorsieht. 

Als Mittelstand gilt ein Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und nicht mehr als 50 Millionen Millionen Jahresumsatz. Das Lieferkettengesetz richtete sich zunächst an Unternehmen mit über 500 Beschäftigen und 150 Millionen Nettoumsatz und nach dem letzten Kompromissentwurf an Unternehmen mit 1000 Beschäftigten und 300 Millionen Umsatz. Buschmann ließ sich trotzdem nicht beeindrucken – Menschenrechte hin oder her. 

Buschmann verhindert Frauenrechte weltweit 

Der Bundesfinanzminister ist nicht etwa ein rechter Autokrat, sondern Teil der deutschen Regierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich den Frauenrechten verpflichtet und „feministische Außenpolitik“ sowie ein „gleichstellungspolitisches Jahrzehnt“ versprach.

Buschmann ist ein erfolgreicher Querschläger der Koalition – seine „Neins“ sind eines Rücktritts würdig. Seine „Neins“ bezeugen und festigen aber auch das fatale Machtgefälle zwischen Männern und Frauen / FLINTA*. 

Frauen / FLINTA* geht feministisch wählen!
Frauen / FLINTA* geht in die Politik!

Text: Abla Chaya / Fotos: Frauenprotest in Bangladesh, Landarabeiterinnen im indischen Gujarat: Wikimedia Commons

3 Kommentare

  1. Ralph R. Braun

    // am:

    @Veronika Fischer: Danke!

  2. Veronika Fischer

    // am:

  3. Ralph R. Braun

    // am:

    Was ist FLINTA*?

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