
Ein obskurer, hinter verschlossenen Türen tagender Ausschuss beschloss, am Konstanzer Stadtbus zu sparen, Linien zu kürzen und Fahrpläne auszudünnen. Nach einem öffentlichen Aufschrei, der offenbar so nicht erwartet war, will es niemand gewesen sein. Nun bieten die Stadtwerke der Konzilstadt Alternativen an, über die jetzt öffentlich beraten und beschlossen werden soll.
Selten strebten zu der in jede Gemeinderatssitzung eingebetteten Einwohnerfragestunde, die übrigens keine Stunde, sondern nur 15 Minuten währt, derart viele Redner:innen ans Pult. Ob Elternbeiräte, Schüler:innen, Studierende: Auf der letzten Gemeinderatssitzung am 20. November beklagten alle die Verschlechterungen im Busfahrplan.
Ganze Stadteile, etwa das Paradies, fühlen sich abgehängt, Pennäler:innen kommen zu spät zum Unterricht, Studierende werden am Umsteigepunkt Sternenplatz von bereits übervoll ankommenden Bussen einfach stehen gelassen, Schulklassen bleiben von der Doppelstunde Schwimmunterricht nur noch wenige Minuten Wasserkontakt. Nicht vorgetragen wurden die Klagen von Senior:innen, Gehbehinderten, Müttern mit Kinderwagen und anderem, den Stadtbus benutzenden Fußvolk wie unsereins, das keine Lobby hat. seemoz-Leser:innen in Übersee sei gesagt: Einen Fahrgastbeirat kennen Stadt und Landkreis Konstanz nicht.
Ein Kommunikationsdesaster
Wie konnte es zu diesem auch kommunikativem Desaster kommen? Die mit dem neuen Fahrplan verbundenen Angebotsverschlechterungen beschloss der mit Gemeinderät:innen besetzte Busausschuss, eine Untergruppe des Stadtwerke-Aufsichtsrats. Dieser Ausschuss tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, seine Mitglieder sind also niemandem Rechenschaft schuldig.
Die Stadtwerke boten dem Ausschuss drei Szenarien für die nach Abschluss der Bauarbeiten am Bahnhofplatz notwendige Neugestaltung des Fahrplans an. Alle Szenarien sind mit verlängerten Umlaufzeiten für die Busse verbunden. Warum sind diese nun langsamer? Wegen der durch übergeordnete Gesetzgebung zum Lärmschutz erzwungenen Geschwindigkeitsbeschränkungen. Weil – erfreulich! – mehr Fahrgäste den Bus benutzen und unter diesen Fahrgästen immer mehr Ältere, Rollstuhlnutzer, Rad- und Kinderwagenfahrer:innen sind, sich also auch die Ein- und Ausstiegszeiten verlängern. Weil – weniger erfreulich – die Verkehrsbelastung durch autofahrende Einkaufstouristen wie Einheimische stetig wächst. Auch der „kontinuierliche Anstieg des Radverkehrs, verbunden mit restriktiveren Regelungen zum Überholen von Fahrrädern“ bremst die Busse aus.
Variante 1 sah eine Rückkehr zum Angebot vor dem Bahnhofplatzumbau vor. Das hätte aber, bedingt durch zusätzliche Busse und Personal, Mehrkosten von 1,83 Millionen Euro verursacht.
Mit der Variante 2 wäre es beim vorhandenem Personal und Fuhrpark geblieben. Das hätte reduzierte Taktzeiten und verkürzte Kurse bedeutet, gleichwohl aus der Stadtkasse zusätzliche 100.000 Euro erfordert.
Variante 3 war ein Kompromiss zwischen den beiden Extremvorschlägen und hätte etwa den Kurs der Linie 9 nicht mehr durch Laube und Paradies geführt, sondern über die Konzilstraße direkt zum Bahnhof. Auf der Linie 5 wäre beispielsweise die Haltestelle am Hörnle entfallen. Für dieses Szenario rechneten die Stadtwerke mit Mehrkosten von 900.000 Euro.
Sparen um jeden Preis
Der vorrangig von wirtschaftlichen Erwägungen geleitete Ausschuss entschied sich für die kostengünstigste Variante 2 mit den bekannten Konsequenzen: Linie 5 bedient nicht mehr das Hörnle; Linie 9 fährt nicht mehr durchs Paradies und über die Laube, sondern direkt zum Bahnhof; Linien 3 und 12 kommen nurmehr alle 30 Minuten.
Beschlossen wurde eigentlich auch, die Linie 2 von bislang alle 15 Minuten auf einen 20-Minuten-Takt auszudünnen. Hier bekamen die Fahrplanmacher:innen der Stadtwerke jedoch im Nachhinein Bedenken: Kürzungen gleich auf drei Wollmatinger Linien könnten zu Kapazitätsengpässen auf den verbleibenden Kursen führen.
So wurde dem Ausschuss in einer Sondersitzung am 15. Juli eine neue Lösung präsentiert und von diesem abgenickt. Demnach bleibt es beim 15-Minuten-Takt für die Linie 2, die Linien 3 und 12 fahren jedoch über die Konzilstraße statt über die Laube zum Bahnhof.

Das so modifizierte Konzept wurde dann mit dem Fahrplanpassung ab 12. Oktober umgesetzt. „Der Ausschuss war sich im Klaren darüber“, so Stadtwerke-Chef Norbert Reuter im Gemeinderat, „dass es Proteste geben wird.“ Konsultationen mit Uni und HTWG oder mit den Schulen gab es im Vorfeld nicht. Es war, wie bei den früheren Kürzungen des Busangebots auch, eine hinter verschlossener Tür getroffene Entscheidung, die der Öffentlichkeit dann nur noch verkündet wurde.
„Wir sind’s nicht gewesen!“
Doch ist der Busausschuss der Stadtwerke überhaupt das richtige Gremium für derartige Beschlüsse? Gemäß dem Personenbeförderungsgesetz sind nicht die Stadtwerke, sondern der Aufgabenträger, also der Landkreis und an seiner Stelle die Stadt Konstanz „für Umfang und Qualität des Verkehrsangebots“ verantwortlich.
Das haben die Verantwortlichen inzwischen offenbar begriffen – und machten angesichts der zahlreichen Proteste und auf Antrag der Fraktion FGL/Grüne die geänderten Linienführungen und die reduzierten Bustakte zum Thema einer öffentlichen Gemeinderatssitzung. Auf der wollte, welche Überraschung, nun niemand mehr hinter den Entscheidungen des Busausschusses stehen: Die Fraktionen erklärten unisono, dass derart einschneidende Veränderungen im öffentlichen Nahverkehr auch öffentlich diskutiert werden müssten.
Auf derselben Sitzung legten die Stadtwerke den Rät:innen gleich ein Papier mit weiteren Optionen zu Linienführung und Taktzeiten vor — und vergaßen auch nicht, sich selbst zu loben: Die Pünktlichkeit der Busse habe sich mit dem Fahrplanwechsel deutlich verbessert und Kapazitätsengpässe seien nicht aufgetreten. Dem widersprach Alena Dias Vieira vom Konstanzer Schülerparlament in der Einwohnerfragestunde heftig; sie lud die Anwesenden ein, sich morgens zwischen 7:30 und 8 Uhr am Sternenplatz doch selbst ein Bild von den übervollen Bussen zu machen: „Erleben Sie den Unterschied zwischen Papier und Wirklichkeit.“
Die Vorlage und die den Rät:innen dargebotene Präsentation räumte indes auch ein, dass durch die erhöhte Auslastung der Busse auf den taktreduzierten Linien 3 und 12 nun zusätzliche Verspätungen entstehen. Auch sei der Oktober generell ein verkehrsarmer Monat; für eine abschließende Bewertung müsse man die vor- und nachweihnachtlichen Hochlasttage abwarten.
Neue Varianten
Welche neuen Optionen bieten die Stadtwerke an? Um den Bedürfnissen von Uni und HTWG entgegen zu kommen, könne man die Linie 9 wie früher wieder durchs Paradies fahren lassen. Dafür sei ein zusätzliches Fahrzeug nötig. Dieses wäre auf der Linie 1 einzusparen, wenn diese dann nur noch im 20-Minuten-Takt und nicht mehr durchs Paradies fahren würde. Leidtragende bei diesem kostenneutralen Modell wären die Fähre-Fußgänger:innen. Nicht erwogen haben die Stadtwerke einen Schlenker der Vorort-Ringlinien 4/13 und 13/4 zum Fährhafen.

Für die Achse nach Wollmatingen, also die Linien 2, 3 und 12, machen die Stadtwerke einen Vorschlag, der allerdings einen zusätzlichen Bus erfordert und damit Mehrkosten von jährlich 400.000 Euro produzieren würde: Die Linien 3 und 12 sollen statt jetzt alle 30 Minuten künftig wieder alle 20 Minuten fahren und auch nicht mehr direkt zum Bahnhof, sondern wieder über die Laube. Dafür bekommt die Linie 2 statt dem bisher viertelstündlichen nur noch einen 20-Minuten-Takt. Um diese Taktreduzierung für Wollmatingen zu kompensieren, wird die Linie 12 wie schon jetzt an Sonntagen dann immer bis nach Wollmatingen verlängert. Damit gäbe es dann auch eine Direktverbindung zwischen Wollmatingen und der Geschwister-Scholl-Schule.
Klingt auf den ersten Blick gut. Allerdings fragt man sich, warum die Linien 3 und 12 dann wieder ihre Runde über die Laube und den gesamten Altstadtring drehen sollen, statt den Bahnhof auf kürzestem Weg über die Konzilstraße anzusteuern. Für Umsteiger:innen auf die Bahn, besonders in Richtung Schweiz, hat die Konzilstraßen-Variante durchaus Vorteile und bringt etwa mit der Linie 12 zu den Schnellzügen nach Zürich und Sankt Gallen eine Zeitersparnis von zehn Minuten.
Andere schreiten voran, Konstanz ruht sich aus
Beraten werden diese Vorschläge öffentlich auf der Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) am 2. Dezember. Das ist ein Anfang. Denn zu lange hat sich Konstanz auf seinem einstmals guten Busangebot ausgeruht – und ist dabei gegenüber anderen Städten längst ins Hintertreffen geraten. Keine Umgebungskarten und keine Tarifinfos an den Haltestellen, Kurzstreckentickets nur für Eingeweihte über die hauseigene App, Fahrtinfo im Handy nur zeitverzögert, keine Busanbindung der Bahnhaltepunkte Petershausen und Fürstenberg, keine dynamische Fahrgastinformation an zentralen Haltestellen wie Bahnhof, Sternen- und Zähringerplatz.
Nicht zu reden von den stetig steigenden Fahrpreisen, während es die Nachbarstädte Kreuzlingen und Radolfzell im Sinne einer Verkehrswende irgendwie schaffen, 1-Euro- beziehungsweise 1-Frankentickets zu finanzieren. Nicht zu reden von jener Minderheit unter den Busfahrer:innen, denen der Fahrplan wichtiger ist als die Kundschaft und die deshalb heraneilenden Umsteiger:innen oft die Tür vor der Nase verschließen, um schnell losfahren zu können.
In Passau scheiterte ein von den dortigen Stadtwerken für den Busverkehr entwickeltes Sparkonzept am öffentlichen Protest und führte zum Rücktritt des Stadtwerke-Geschäftsführers. Seine Nachfolger haben es nun mit einem von der Passauer Linken initiierten Bürgerbegehren „Bus für alle: Mehr Takt. Mehr Fahrt. Mehr Stadt“ zu tun.
Ran an die Parkgebühren!
Derweil rührt Südkurier-Redakteurin Aurelia Scherrer schon die Trommel gegen das von der Fraktion FGL/Grüne forcierte Projekt einer Nahverkehrsabgabe zur Förderung des ÖPNV-Angebots als Griff „in den ohnehin schon schmalen Geldbeutel der Bürger“. Stimmt.
Man könnte den Stadtbus aber auch – wie in Kreuzlingen – über entsprechend erhöhte Parkgebühren finanzieren. Die verharren auf dem Stand von 2022. Eine Erhöhung lehnte der Gemeinderat zuletzt im April dieses Jahres ab.
Fotos: Pit Wuhrer


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