
Während im Autoverkehr die Zahl der Verkehrstoten und -verletzten trotz immer mehr gefahrener Gesamtkilometer sinkt und seit 2010 im Straßenverkehr zum Beispiel in Baden-Württemberg 30% weniger Menschen getötet oder schwerverletzt wurden, nehmen tödliche Radunfälle tendenziell zu. Hierzu zwei Mitteilungen von Destatis und ADFC.
Radfahrer:innen sind im Straßenverkehr auch weiterhin besonders gefährdet. Das hat die verschiedensten Ursachen von individuellem Fehlverhalten bis zur einseitigen Ausrichtung unserer Verkehrsinfrastruktur auf die Bedürfnisse der Autofahrenden.
Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes Destatis
Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war im Jahr 2024 nach vorläufigen Ergebnissen jede oder jeder sechste (16,0%) im Straßenverkehr Getötete mit dem Fahrrad unterwegs. Insgesamt starben im vergangenen Jahr 441 Radfahrerinnen und -fahrer bei einem Unfall, darunter 192 mit einem Pedelec – umgangssprachlich auch als E-Bike bezeichnet. Die Zahl der getöteten Radfahrenden insgesamt ist gegenüber 2014 um 11,4% gestiegen. Der Anstieg ist vor allem auf die steigende Zahl an getöteten Pedelec-Nutzenden zurückzuführen (2014: 39 Getötete). Dagegen lag die Zahl der Verkehrstoten insgesamt im Jahr 2024 um 18,3 % niedriger als zehn Jahre zuvor.
Ältere Radfahrende besonders gefährdet
Ältere Radfahrende sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Unter den tödlich verletzten Fahrradfahrerinnen und -fahrern waren 2024 knapp zwei Drittel (63,5%) 65 Jahre oder älter. Während der entsprechende Anteil von verunglückten Seniorinnen und Senioren mit Fahrrädern ohne Hilfsmotor bei 59,4% lag, waren 68,8% der getöteten Pedelec-Fahrenden 65 Jahre oder älter.
Autofahrer:innen sind häufigste Unfallgegner von Radfahrenden
An einem Großteil (67,7%) der 92.882 Fahrradunfälle mit Personenschaden war eine zweite Verkehrsteilnehmerin oder ein zweiter Verkehrsteilnehmer beteiligt. In 70,7% der Fälle war dies eine Autofahrerin oder ein Autofahrer (44.424 Unfälle).
Radfahrende bei rund der Hälfte der Fahrradunfälle mit Personenschaden hauptschuldig
Fahrradfahrerinnen und -fahrer, die in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt waren, trugen insgesamt an rund der Hälfte der Unfälle die Schuld (50,7%). Je nach Unfallgegnerin oder Unfallgegner zeigen sich allerdings Unterschiede: Bei Unfällen mit Fußgängerinnen und Fußgängern wurde der Person auf dem Fahrrad häufiger (57,0%) die Hauptschuld angelastet. Kollisionen mit Krafträdern wurden in der Hälfte (50,2%) der Fälle von den Radfahrerinnen und -fahrern verschuldet. Waren Autofahrerinnen oder -fahrer beteiligt, trugen die Radfahrenden nur in 24,7% der Fälle die Hauptschuld. Bei Fahrradunfällen mit Güterkraftfahrzeugen lag der Anteil noch darunter: Nur zu 20,9% wurde die Hauptschuld bei der Radlerin oder dem Radler gesehen.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) zu diesen Zahlen
Dass der zunehmende Radverkehr mit einer steigenden Zahl von verunglückten Radfahrenden einhergeht, beunruhigt den ADFC natürlich sehr. Über 400 getötete und über 90.000 verletzte Radfahrerinnen und Radfahrer pro Jahr – das ist erschütternd. Die Sorge spiegelt sich auch im subjektiven Eindruck der Radfahrenden: 70 Prozent der Teilnehmenden des ADFC-Fahrradklima-Tests fühlen sich im Straßenverkehr nicht sicher. Eine bittere Diagnose für ein Land, dem ein vernünftiges Verkehrssystem und die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger am Herzen liegt.
Dass Fahrradunfälle zunehmen, ist allerdings kein Wunder. Radwege sind oft kaputt, von Hindernissen übersät, viel zu schmal, zugeparkt oder fehlen – beispielsweise an Landstraßen – oft ganz. Häufig muss man sich die Fahrbahn mit dem schnelleren Autoverkehr teilen – und bekommt an der Ampel zur Geradeausfahrt grün, während gleichzeitig die Autos und Laster abbiegen dürfen. Das bringt Stress und Gefahr für alle Beteiligten. Wenn Radfahrende trotz Verbot aus Mangel an Alternativen auf den Fußweg ausweichen, dann häufen sich dort die Unfälle. Die Infrastruktur hinkt dem wachsenden Radverkehr weit hinterher. Bei weiter zunehmendem Radverkehr werden auch die Unfallzahlen weiter steigen. Dagegen müssen Bundesregierung und Kommunen endlich aktiv ansteuern.
Die Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zur Vision Zero. Sie will also Tote und Schwerstverletzte im Straßenverkehr auf Null reduzieren. Davon sind wir aber weit, weit entfernt. Für die Trendumkehr bei den Unfallzahlen brauchen wir den schnellen Ausbau sicherer, physisch geschützter Radwege flächendeckend im ganzen Land. Die Kreuzungen brauchen besonderes Augenmerk, da passieren die meisten Unfälle. Die wichtigsten Maßnahmen sind eigene Wegeführungen und eigene Ampelschaltungen für Radfahrende. Wir brauchen außerdem ein sicherheitsförderndes Verkehrstempo: Tempo 30 als Standard innerorts, Tempo 50 ist dann die Ausnahme. Die Vision Zero gibt es nicht für warme Worte, sondern nur durch eine von der Bundesregierung kräftig geförderte Ausbauoffensive für geschützte Radwegenetze und politische Vernunft für mehr Verkehrsberuhigung.
Quellen: ADFC-Medienmitteilung vom 24.04.2025, Destatis Medienmitteilung Nr. N020 vom 24.04.2025 [beide gekürzt]. Bild: ADFC
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