Auf der suche nach essen jaber jehad badwan, cc by sa 4.0 creative commons

Akademische Komplizenschaft: Deutsche Unis und der Gaza-Krieg

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Auf der Suche nach Essen: Seit Israels Blockade der Hilfslieferungen hungert die Bevölkerung von Gaza

Wer sich an Unis mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisiert und gegen die israelische Regierung protestiert, wird oft hart bestraft – das ist nicht nur in den USA so. Gleichzeitig kooperieren Universitäten mit israelischen Hochschulen, die dem Militär dienen. Dazu gehört auch die Uni Konstanz.

„Wenn der Westen so tun würde, als gäbe es euch nicht, dann würdet ihr wollen, dass die Welt sich erhebt – und das haben die Student:innen endlich getan.” (Macklemores Song Hind’s Hall).

Seit Ende März 2025 läuft in ausgewählten US-Kinos die Dokumentation „The Encampments“ über die studentischen pro-palästinensischen Proteste in den USA. Neben den Regisseuren Michael T. Workman und Kei Pritsker ist auch Macklemore als Executive Producer beteiligt. Macklemore, eigentlich Benjamin Hammond Haggerty, ist eines der prominentesten Gesichter der nordamerikanischen pro-Palästina Bewegung. Seit Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen positioniert er sich klar gegen die Regierung von Benjamin Netanjahu. 

Der 7. Oktober 2023 und die anschließende militärische Eskalation durch Israel führten weltweit zu Protesten. Die Studierendenbewegung in den USA fiel dabei besonders durch ihre Besetzungen von Universitätsgeländen auf – mit der Forderung, die institutionelle Zusammenarbeit mit israelischen Hochschulen und dem Militär zu beenden. Das erste dieser Encampments fand an der Columbia University in Manhattan statt, unter anderem angeführt von Mahmoud Khalil, der im März dieses Jahres aufgrund seiner Rolle in den Protesten trotz Aufenthaltsgenehmigung inhaftiert wurde und sich mit einer Deportation konfrontiert sieht. 

Weitere Universitäten folgten dem Beispiel der Columbia und schnell verbreitete sich die studentische Protestbewegung wie ein Lauffeuer durch die USA. Die Welle der Proteste schwappte auch in andere Länder über. So besetzten in Paris immer wieder – trotz Räumungen – Hunderte Studierende die Sciences Po, das Institut für politische Studien Paris, eine der prestigereichsten Universitäten in Frankreich.

Exmatrikulation und Abschiebungen

Proteste gab es auch in Australien, Mexiko, Irland, Spanien, Großbritannien, Österreich, in der Schweiz und in vielen weiteren Ländern. Viele deutsche studentische Bewegungen haben es ihnen nachgetan. So beispielsweise an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität in Berlin oder der Universität Köln. Die Forderungen sind ähnlich: ein Ende der ideologischen und akademischen Unterstützung des Völkermords in Gaza. 

Der studentischen Protestbewegung wurde und wird mit harten Repressionen und Vorwürfen des Antisemitismus entgegengeschlagen. Viele Student:innen, die an den Universitätsbesetzungen in den USA teilgenommen haben, erleiden ein ähnliches Schicksal wie Mahmoud Khalil, sie wurden aufgrund ihrer Proteste exmatrikuliert oder ihnen wurden ihre Visa entzogen

Auch hierzulande sind die Repressionen ähnlich hart wie in den USA. So sind beispielsweise vier Aktivist:innen in Gefahr, abgeschoben zu werden, ohne jegliche gerichtliche Verurteilung – nach Polen, Irland und ironischerweise in die USA. Das ist ein herber Schlag für die Demonstrations- und Meinungsfreiheit in Deutschland. 

Waffenlieferungen und ideologische Unterstützung

Im neuen Koalitionsvertrag steht: „Wir unterstützen Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit, auch durch Rüstungsexporte“. Als zweitgrößter Waffenexporteur nach Israel steht Deutschland den USA nur wenig nach. Die Rhetorik vom „Selbstverteidigungsrecht“ dient dabei als strategische Verschleierung der realen Kriegsverbrechen Israels – und zwar mit deutschen Steuergeldern. 

Nicht nur materiell wird dieser Krieg von Deutschland aus massiv unterstützt, auch ideologisch, beispielsweise durch die aktive Unterdrückung pro-palästinensischer Proteste an Hochschulen. Universitäten setzen die repressive Haltung des deutschen Staats um, indem sie Veranstaltungen, Kundgebungen und Raumbuchungen verbieten oder durch Polizeieinsätze gegen friedliche Proteste vorgehen. 

Diese Maßnahmen stärken die öffentliche Akzeptanz für den politischen Kurs der Regierung und fördern eine einseitige Darstellung des Konflikts, die Israels Handlungen legitimiert und Kritik daran marginalisiert. Letztlich gilt: Ohne eine ideologische Bereitschaft zum Mittragen eines solchen Kriegs – innerhalb Israels wie auch im Westen – wäre seine Fortführung kaum denkbar. Universitäten spielen dabei eine zentrale Rolle.

Das Bundesverteidigungsministerium investiert jährlich über 50 Millionen Euro in militärische Forschung an deutschen Hochschulen. Diese Forschung wird kontrovers diskutiert, da sie oft der Zivilklausel widerspricht, die militärische Forschung ausschließen soll. Eine Grauzone ist jedoch der sogenannte „Dual Use“, bei dem Forschungsergebnisse sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. 

Auch die Uni Konstanz unterstützt

Seit 1991 gilt an der Universität Konstanz offiziell eine Zivilklausel: „Der Große Senat der Universität Konstanz erklärt hierzu, dass Forschung für Rüstungszwecke, insbesondere zur Erzeugung von Massenvernichtungswaffen, an der Universität Konstanz keinen Platz hatte und auch in Zukunft keinen Platz haben wird.“ Doch diese wird durch intransparente Kooperationen mit Rüstungsfirmen ausgehöhlt.

So unterzeichnete der damalige Rektor Ulrich Rüdiger eine Rahmenvereinbarung mit den Tochterfirmen Astrium und Cassidian der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS; heute Airbus). Details blieben der Öffentlichkeit verborgen. Airbus stiftet bis heute den „Claude Dornier“-Preis an Konstanzer Nachwuchsforscher:innen. Auch das Verteidigungsministerium finanzierte ein Projekt zur Nachweisbarkeit von Senfgas im menschlichen Körper – im Kontext militärischer Anwendungen.

Die Universität Konstanz hat weltweit unzählige Partneruniversitäten. Diese Partnerschaften sollen den Austausch zwischen Studierenden sowie Akademiker:innen vereinfachen. Die Uni pflegt gleich mit fünf Universitäten in Israel eine Partnerschaft (der Tel Aviv Universität, der Ben-Gurion Universität, der Universität Haifa, der Universität Reichmann und der Hebräischen Universität Jerusalem), aber nur eine weitere in der Region außerhalb Israels: die mit der American University of Cairo. Partnerschaften mit palästinensischen Hochschulen existieren nicht.

Die Partneruniversitäten der Uni Konstanz

Die Akzeptanz für den Völkermord in Gaza ist an israelischen Universitäten groß. So lassen Aussagen von Akademiker:innen an israelischen Universitäten verlauten, dass alle Palästinenser:innen ausgerottet gehören. Aussagen, wie wir sie von Mitgliedern der Netanjahu-Regierung seit Beginn der Aggressionen in Gaza fast täglich hörten. So sagte etwa Professor Avi Bareli, ein Dozent für Israel und die Geschichte des Zionismus an der Ben-Gurion-Universität, die Palästinenser seien „eine Gesellschaft, die den Tod anbetet und das Banner des Mordes hochhält“. 

Diese israelischen Universitäten sind nicht nur akademische Einrichtungen – sie sind tief mit dem israelischen Militär verbunden. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. 

So nimmt die Universität Haifa eine Schlüsselrolle in der akademischen Ausbildung des israelischen Militärs und Geheimdienstes ein. In Haifa sind die drei wichtigsten Elite-Militärakademien des Landes unter dem Dach der Universität Haifa vereint. Mit insgesamt sieben speziell für Militärangehörige entwickelten Studiengängen stellt die Universität Haifa die größte akademische Ausbildungsstätte für Militär- und Sicherheitskräfte in Israel dar. 

Die enge Verzahnung zeigt sich nicht nur in gemeinsamen Forschungsprojekten, sondern auch in der physischen und organisatorischen Integration: Die Militärakademien sind fest auf dem Campus verankert, und die Universität versteht sich explizit als „führender akademischer Think Tank im Bereich Sicherheitsstudien“ des Landes.

Die Ben-Gurion-Universität beherbergt das Homeland Security Institute, zu dessen Partnern die führenden israelischen Waffenhersteller und das israelische Verteidigungsministerium gehören. Das israelische Militär baut einen Technologiecampus neben dem BGU-Campus, um die Beziehungen zwischen dem Militär und der BGU zu vertiefen. 

Der Campus der Hebräischen Universität Jerusalem auf dem Mount Scopus ist teilweise auf Land gebaut, das palästinensischen Eigentümern im israelisch besetzten Ostjerusalem illegal enteignet wurde, was einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt, und dient daher direkt dem anhaltenden Landraub und der Enteignung der Palästinenser:innen. Darüber hinaus hat die Hebräische Universität ihre Campus-Gebäude den israelischen Streitkräften für die Unterdrückung der umliegenden besetzten palästinensischen Gemeinden zur Verfügung gestellt. 

Militärbasis und Kampfhundeeinsatz

Weiterhin beherbergt die Hebräische Universität eine Militärbasis auf dem Campus, um israelischen Soldaten eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Nicht zuletzt hat die Hebräische Universität auch sofort ein erweitertes finanzielles Paket für studentische Soldat:innen eingeführt, die sich an Israels Krieg in Gaza beteiligen, zusätzlich zu den akademischen Leistungen.

Die Universität Tel Aviv unterhält gemeinsame Zentren mit dem israelischen Militär und der israelischen Rüstungsindustrie. Die Universität Tel Aviv beherbergt auch das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS), das sich rühmt, die sogenannte Dahiya-Doktrin, die Doktrin der unverhältnismäßigen Gewalt, entwickelt zu haben. Die vom israelischen Militär übernommene Dahiya-Doktrin fordert „die Zerstörung der nationalen Infrastruktur und großes Leid unter der [Zivil-]Bevölkerung“. Im aktuellen Genozid rühmte sich die Uni damit, dass sie einen Kriegsführungsraum eingerichtet hatte, um die Soldaten direkt zu unterstützen. Unter anderem entwickelte sie eine Liveschalte, um die Bodycams von einer Kampfhundeeinheit direkt anzuschauen, die für zahlreiche tödliche Angriffe auf Zivilisten verantwortlich ist. 

Die Reichmann Universität, auch bekannt als Interdisziplinäres Zentrum Herzliya, ist Israels erste private Universität, die keine Finanzierung durch den Staat erhält – mit Ausnahme der Forschungsgelder, die sie durch die engen Kooperationen mit dem israelische Militär und Geheimdienst bekommt, insbesondere im Bereich Terrorismusbekämpfung. Darüber hinaus werden rund 15 Prozent der Studienplätze für ehemalige Soldaten reserviert, auch wenn ihre akademischen Noten ihnen sonst keinen Platz an der Uni gesichert hätten. Aufgrund der „kriegstreiberischen“ Haltung der Reichmann Universität beendeten im vergangenen Oktober die Universität Mailand, sowie kurzzeitig das Science Po Strasbourg die Zusammenarbeit mit der Uni.

Auf wessen Seite?

In Zusammenarbeit mit der Universität Tel Aviv, dem Förderkreis für Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Konstanz und Tel Aviv e.V. [https://www.uni-konstanz.de/universitaet/ueber-die-universitaet-konstanz/stiften-und-foerdern/foerderkreis-konstanz-tel-aviv/ ] wurden mehrere prominent beworbene Veranstaltungsreihen zum Krieg zwischen Israel und Palästina organisiert. Diese Veranstaltungsreihen waren problematisch, da sie einerseits inhaltlich einseitig waren und kaum Raum für differenzierte Perspektiven oder die Darstellung palästinensischer Erfahrungen boten. 

Besonders problematisch erscheint diese Kooperation jedoch vor dem Hintergrund der engen institutionellen Verbindungen der Universität zu den israelischen Streitkräften. Inmitten eines Völkermords Veranstaltungen mit einem derart parteilichen Fokus auszurichten, wirft ethische und moralische Fragen auf.

Durch die Kooperation mit israelischen Universitäten, die enge Verbindungen mit dem israelischem Militär aufweisen, ihre ideologische Positionierung und die Unterdrückung kritischer Stimmen stellt sich die Universität Konstanz faktisch auf die Seite der israelischen Militärpolitik. Ein echter akademischer Austausch muss jedoch pluralistisch sein – und Räume schaffen, in denen weder Antisemitismus noch anti-palästinensischer Rassismus Platz haben.

Text: Anna Fiesinger & Manuel Oestringer
Fotos – Mädchen mit leerem Kochtopf: Jaber Jehad Badwan, CC BY-SA 4.0 _creative commons / Uni Konstanz: Pit Wuhrer / Airbus-Dankzeichen: privat / Hebrew University: Hebrew_University_Jerusalem_IL_WV, gemeinfrei / Flüchtlinge im Gaza-Streifen: Jaber Jehad Badwan, CC BY-SA 4.0

11 Kommentare

  1. Bernd Hüttner

    // am:

  2. Dr. Peter Krause

    // am:

    Herr Hinz hat das Notwendige zu den hier erhobenen Vorwürfen gesagt.
    Ergänzen möchte ich nur, dass ich keinerlei Belege für eine Unterdrückung sogenannter „pro-palästinensicher Stimmen“ an der Universität kenne. Im Gegenteil, nach meinen Informationen haben diese „Stimmen“ wiederholt Zugang zu Gesprächen mit der Uni-Leitung gehabt, wie auch in einer Veranstaltungsreihe an der Universität derartige Stimmen ausführlich und wiederholt zu Wort gekommen sind. Andererseits lehnte es die Universitätsleitung nach den antisemitischen Schmierereien ab, ein Transparent mit dem Satz „Kein Platz für Antisemitismus“ aufzuhängen. Stattdessen wurde ein Transparent mit den Slogan „Say no to discrimination“ (interessanterweise in englischer Sprache) aufgehängt, wohl auch um deutlich zu machen, dass man jede Form von Diskriminierung – also nicht „nur“ den Antisemitismus – ablehne.

    Was den „Vorwurf“ der „Rüstungsforschung“ im Auftrag bzw. für die Bundeswehr angeht, so kann ich darin keinen Vorwurf erkennen. Sollte die Universität Konstanz derartige Forschung für die Bundeswehr und somit für die Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschand betreiben, würde ich dies ausdrücklich begrüßen. Allerdings erscheint mir die im Text genannte Summe von 50 Mio für alle(!) deutschen Universitäten/Hochschulen (von denen es einige hundert geben dürfte) als derart gering, dass damit ohnehin nur Forschungen in nahezu lächerlichen Umfang betrieben werden könnten.
    Aber hier geht es wohl auch eher um gezielte Stimmungsmache und die Selbstinszenierung als „verfolgte Opfer“ einer „angeblichen „Meinungsdiktatur“ – eigentlich so ein bißchen wie bei den sogenannten „Querdenkern“ oder den „neuen Rechten“ oder den „Putin-Verstehern“.
    Aber nun gut. Ist ja nicht verboten.
    Und eins noch: Wenn israelische Universitäten bereit sind, mit der Universität Konstanz zu kooperieren, dann kann sich die Universität Konstanz glücklich schätzen.

  3. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    danke an Thomas Hinze. Es sind sich wahrscheinlich alle einig, dass die Politik der derzeitigen Regierung Israels eine Katastrophe ist, was Menschlichkeit angeht. Die Demokratie Israels ist gefährdet, die Gesellschaft dort auch zunehmend gespalten.
    Es gibt dennoch gute Gründe Kooperationen aufrecht zu erhalten, gerade deshalb. Für mich verschwimmt berechtigte Israelkritik zu oft mit Antisemitismus, die Grenzen erscheinen fließend. Ich gehe zu keiner Demo zu diesem Thema, weil ich nicht Seite an Seite mit Menschen gehe, unter denen ich Antisemiten vermuten muss. Ich habe nie verstanden, wie z.B. Menschen die gegen die Coronamaßnahmen waren, Seite an Seite mit Rechtsradikalen laufen konnten. Es gibt kaum öffentlichen klaren Protest gegen die Israelische Regierung, der das Existenzrecht Israel ausdrücklich respektiert. Pro-Palästina, Forderungen, die eine Zweistaatenlösung ablehnen, sind für mich keine Option, sondern von Antisemitismus geprägt.

  4. Peer Mennecke

    // am:

    @Ludwig Jansson

    Ich beziehe mich auf den betreffenden und sowie auf vergangene Beiträge der selben Autorengruppe. Hier mache ich einen eindeutigen und aus meiner Sicht berechtigten Vorwurf.
    Dies relativieren zu wollen, sei Ihnen gegönnt, jedoch, es zielt ins Leere. Insbesondere, wenn man sich Ihren gesamten Text antut.
    Meine Einschätzung der aktuellen Politik Israels dürfte, wie auch die Ihre, Mainstream sein.
    Ich verallgemeinere übrigens ungern, Sie hingegen eher nicht.

  5. Janosch Tillmann

    // am:

    Herr Janson, ich weiss zugegebenermaßen nicht, wann Sie konkret zuletzt etwas zu meinen Kommentaren geschrieben haben aber es muss in letzter Zeit häufiger gewesen sein, wenn es Sie ermüdet.

    Es kommt hier auch kein Antisemitismusvorwurf in Dauerschleife, sondern – von meiner Seite – der konkrete Bezug auf Tarek Baé und eben Macklemore. Sonst habe ich diesen Vorwurf konkret kaum oder nie, geäußert – das haben übrigens die wenigsten hier (soviel zum Thema „Diffamierungen btw.).

    Was Macklemore angeht, habe ich mich nicht auf Felix Klein bezogen, dessen Position Sie hier daher gerne zerpflücken können wie Sie lustig sind – es ändert nichts an meiner Aussage.

    Und was meinen Antisemitismusbegriff angeht, Herr Janson, bezieht er sich eben auch auf die Dämonisierung Israels – die Sie offensichtlich nicht hinterfragen. Sich projektiv an diesem Konflikt abzuarbeiten, während man zu anderen Konflikten nichts zu sagen weiss, hat nämlich ein Gschmäckle. Das unterstelle ich erstmal nicht Ihnen, sondern denen, die ich kritisiere.

  6. Thomas Hinz

    // am:

    Lieber Herr Oestringer, liebe Anna Fiesinger,

    auf Ihren Beitrag „Akademische Komplizenschaft“ möchte ich als Mitorganisator der von Ihnen angesprochenen Diskussionsreihe „Middle East Conflict and Antisemitism“ kurz reagieren, weil er an verschiedenen Stellen komplett an der aktuellen Diskussion in der Universität vorbeigeht.

    Die Universität Konstanz unterhält Beziehungen zu israelischen Universitäten wie zu vielen Universitäten in anderen Ländern, um spezielle Forschungskooperationen zu fördern, vor allem aber um Studierendenaustausch zu fördern. Was glasklar ist und in Ihrem Beitrag fälschlicherweise unterstellt wird: In keiner der von Ihnen genannten Kooperationen mit Universitäten in Israel geht es meines Wissens um Projekte, welche militärischen Zwecken dienen. Die Universität hält an diesen, teils lange Jahre bestehenden Partnerschaften fest, auch deshalb, weil Universitäten in Israel als Orte der um Ausgleich bemühten Diskussion in einem von gesellschaftlichen Spaltungslinien geprägten Land gelten können. Der im Artikel zitierten Meinung eines Wissenschaftlers können hunderte Zitate von israelischen Wissenschaftler/innen gegenüber gestellt werden, welche die Politik Netanyahus scharf kritisieren. Ich nehme an, Sie wissen dies auch. Der Senat der Universität hat kürzlich einen von der BDS (Boycott Divestment Sanctions) Bewegung (die nach einer ausführlichen Diskussion des Deutschen Bundestags als antisemitisch eingestuft wurde) motivierten Antrag auf Aussetzung der Partnerschaft zu israelischen Universitäten mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

    Es ist in der anhaltend angespannten Konfliktsituation, die auf viele Länder ausstrahlt, wichtig, dialogfähig zu bleiben. Diesen Dialog zu befördern, ist ein wichtiges Anliegen der Universität Konstanz. Die von Ihnen angeführte und mit Unterstützung der Tel Aviv University durchgeführte Veranstaltungsreihe zielt darauf ab, nach dem 7. Oktober die Perspektiven von jüdischen und palästinensischen Israelis aus der Wissenschaft, aber auch der Zivilgesellschaft in die Diskussion einzubringen. Davon können sich alle überzeugen, wenn sie die aufgezeichneten Vorträge und Diskussionen ansehen (https://www.unikn-tau.net/registration-and-recorded-lessons/). In Reaktion auf diese Reihe gab es weitere Diskussionsveranstaltungen von Historikern und Rechtswissenschaftlern, welche die Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit der Universitätsmitglieder (von Studierenden bis zur Professorenschaft) in kontroversen Beiträgen unterstreichen. Ihr Artikel erweckt aufgrund von Unterstellungen und Auslassungen einen vollkommen unzutreffenden Eindruck. So, das musste gesagt werden.

    Thomas Hinz
    Professor für Soziologie an der Universität Konstanz
    Beauftragter für die Partnerschaft mit der Tel Aviv University

    PS. Die Veranstaltungsreihe wird in diesem Semester übrigens fortgesetzt (https://www.unikn-tau.net/).

  7. Ludwig Jansson

    // am:

    An die Kommentierenden Mennecke, Hüttner und Tillmann, und alle anderen die solche Auffassungungen teilen.

    Es ist zwar extrem ermüdend die gleichen Diffamierungen jedes Mal aufs neue zu entkräften, aber zur „Antisemitismus in Dauerschleife“ lässt sich nur sagen: selbst-Moderation des inflationären Antisemitismus-Vorwurfs wäre deutlich angemessener. Wer Ablehnung und Kritik an ethnischer Säuberung, Genozid und Apartsheidstaat mit Antisemitismus gleichsetzt sollte den eigenen Antisemitismusbegriff kritisch hinterfragen. Oder was sonst wäre mit „Antisemitismus in Dauerschleife“ hier gemeint?

    Der Vorwurf der Einseitgikeit ist unangemessen. Das impliziert einerseits, dass die Aktivist:innen jüdischem Leben gegenüber stehen. Andererseits, dass abgesehen von Palästina-solidarischen Aktivist:innen die abgeschoben werden sollen, noch andere Aktivst:innen abgeschoben werden sollen, über die nicht berichtet wird – oder aber ein legitimer Gegenstandpunkt, der die Abschiebungen befürwortet existiert, der abgebildet werden soll. Dies ist aber (meines Wissens; falls doch lasse ich mich gerne belehren) nicht der Fall. Die Forderung, dass im seemoz über jüdische Studierende berichtet werden solle grenzt unter diesem Artikel an whataboutism, da im Kern – berechtigterweise! – kritisiert wird, wie die Universität Konstanz die israelische Militärpolitik unterstützt. Abgesehen davon ist die Forderung inhaltlich auch leer: im seemoz wurde, über zu verurteilende antisemitische „Schmierereien“ ([Antisemitische Schmierereien an der Universität Konstanz – seemoz](https://www.seemoz.de/antisemitische-schmierereien-an-der-universitaet-konstanz/)) genauso berichtet wie hierüber. Empathielosigkeit wiegt da als Vorwurf schwer, und erscheint mir unangebracht.

    Den (im deutschsprachigen Raum) gegen Macklemore erhobenen Antisemitismusvorwurf mit einer kurzen google-Suche abzutun ist schon fraglich an sich (und zur Anmerkung „ohne Zusatz“: individualisierte Suchergebnisse sind tatsächlich real). Bei durchlesen des (deutschsprachigen) Wikipedia-Artikels und dessen Quellen muss sich doch gefragt werden, was an Macklemore konkret antisemitisch ist. Zu den Vorwürfen kann ich nur auf den ersten Absatz verweisen: es gilt den eigenen Antisemitismusbegriff (und auch den anderer) kritisch zu hinterfragen – vor allem wenn er von „Antisemitismus-Beauftragten“ wie Felix Klein genutzt wird, die sich öffentlich für ethnische Säuberung aussprechen. Auf Macklemores Konzert-Auftritt 2014 beispielsweise wird (im deutschsprachigen Raum) nicht einmal eingegangen, im Vordergrund scheint nicht der Schutz von Juden*Jüdinnen, sondern der Israels zu stehen.

  8. Peer Mennecke

    // am:

    Antisemitismus in Dauerschleife. Wird’s nicht mal peinlich? Ich hätte zu solch inflationär einseitigen Beiträgen eine Moderation erwartet.

  9. Bernd Hüttner

    // am:

    Diese krasse Einseitigkeit des seemoz-Magazins ist schon auffällig. und erklärungsbedürftig. Wo bleibt die Empathie für aktuelles, jüdisches Leben?
    Wo ist der Beitrag, der problematisiert, wie sich jüdische Studierende an deutschen Universitäten fühlen, wenn sie mit ansehen müssen, wie in Camps das Massaker vom 7. Oktober verniedlicht, gerechtfertigt und im Extremfall sogar befürwortet wird.

    Zur Situation jüdischer Studierender zum Beispiel
    https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/juedische-hochschul-angehoerige-verunsichert-6948

    und viele andere Referenzen zum Bericht https://ajcgermany.org/de/broschueren/jsud-und-ajc-berlin-veroeffentlichen-lagebericht-antisemitismus-deutschen-hochschulen

    oder auch: https://www.land.nrw/pressemitteilung/land-richtet-zentrale-anlaufstelle-fuer-betroffene-von-antisemitismus-hochschulen

    Der direkte Link zur jüdischen Studierendenunion ist aktuell down, deswegen zu https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Studierendenunion_Deutschland

  10. Janosch Tillmann

    // am:

    Klasse, mit einem Zitat von Macklemore einzusteigen. Er wird von diversen Antisemitismusexperten (z.B. Zentralrat der Juden, Amadeu Antonio Stiftung) als Antisemit eingestuft.

    Das kommt sogar direkt raus, wenn man den Mann googelt – nur den Namen, ohne Zusatz. Ist das Vorsatz? Nach Tarek Baé, einem Propagandisten von MHP und AKP, immerhin schon der zweite offene Antisemit auf den hier in einem Artikel positiv verwiesen wird.

  11. Albert Gerlach

    // am:

    Eine kleine inhaltliche Ergänzung: Der universitäre Senat beschloss 1995 die unverbindliche Zivilklausel. 2015 wurde diese bereits ersetzt durch die Kommission für Verantwortung in der Forschung. Eine Zivilklausel gibt es so also nicht mehr an der Universität Konstanz. Mehr zur Kommission lässt sich hier nachlesen: https://www.uni-konstanz.de/universitaet/leitung-organisation-und-verwaltung/gremien-und-ausschuesse/gremien-zur-wissenschaftlichen-integritaet/kommission-verantwortung-in-der-forschung/

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