
Mitte Dezember starb nach kurzer Krankheit Mircea Cosmovici (86), von allen nur „Duzi“ genannt. In den letzten Jahrzehnten war die Seekuh sein Wohnzimmer und an einem nach ihm benannten Stammtisch traf man sich regelmäßig zum geselligen Austausch. Einige langjährige Freunde und Wegbegleiter erinnern hier an einen Menschen mit vielen Talenten und einer spannenden Biografie.
Als im Herbst 1962 im „Cafe Glöckle“ in der Konstanzer Tirolergasse erstmals eine Band Modern Jazz spielte, sah und hörte ich Duzi Cosmovici zum ersten Mal und mit ihm Musiker, die zum Teil aus Konstanz, Singen, Stuttgart und der Schweiz angereist waren, um ein – für mich – sensationelles Konzert zu veranstalten. Ich war 14 Jahre alt und für mich war es das erste Konzert mit dieser „neuen“ Musik.
Uli Trepte, ein Konstanzer Kontrabassist, der später mit dem Schlagzeuger Manfred „Mani“ Neumeier die Rockband „Guru Guru“ gründete und erste große Rockkonzerte mit „psychedelischer Rockenergie“ zu spielen begann, war ebenfalls in dieser Band. Dazu spielten Wolfram Grotz, ein Stuttgarter Pianist, und ein für mich großartiger Saxophonist, der Konstanzer Claus Veeser. Am Schlagzeug saß mit Duzi ein junger Mann hinter den Becken, der zu trommeln begann, wie ich es bisher noch nicht gehört hatte. Er spielte „Time“, jedoch mit „Fills“, die für die damalige Zeit neu waren. Dieses erste Konzert mit Modern Jazz löste in mir eine Euphorie aus, die größer nicht ausfallen konnte, als ich den Wegen von Duzi und Claus Veeser nachzuspüren begann. Und es waren für mich großartige Konzerte, die beide – im Trio und Quartett – bis in die 80er Jahre absolvierten.
Im Herbst 1966 durfte ich mit ihm und Claus Veeser im Zürcher „Africana“, einem der angesagten Jazzclubs der Schweiz, auftreten. Duzi, damals im Hauptberuf Dekorateur, begann 1968 im Hinterhof des „Salzbüchsles“ einen Plattenladen aufzubauen und verkaufte die ersten Schallplatten des neu aufkommenden „Krautrock“ und die Platten des legendären John-Coltrane-Quartetts, dessen Anhänger und Fan er wurde. 2015 konnte ich Duzi in mein Organisationsteam für Flüchtlingskonzerte einbinden, in dem er mit mir und meinen Freunden arbeitete.
Duzi war ein ruhiger, bescheidener Künstler, ein Musiker, der seine Mitspieler aufbauen konnte und sich selbst nie in den Mittelpunkt stellte, der sich ebenso für soziale Gerechtigkeit einsetzte. Der für seinen Freund Claus Veeser sogar eine Festschrift heraus gab. 2016 wollte er noch ein letztes Mal mit meiner Band auftreten. Damals spielte er noch genauso konzentriert und genauso packend wie damals, als ich ihn kennenlernte.
Zwei Tage vor seinem Tod im Konstanzer Krankenhaus schloss ich ihn das letzte Mal in die Arme. Er konnte nicht mehr sprechen. Jedoch hatte ich das Gefühl, dass er mich spürte und verstand, dass wir ihn schätzen würden als wunderbaren Musiker und als großartigen Menschen.
Leb wohl, Duzi!
Bernd Konrad
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Eigentlich kamen wir beide nicht ursprünglich aus dem Theater. Wir kannten die wirkliche Welt und wie gemein sie sein konnte. Umso mehr haben wir das Theater geliebt, weil es so schön lügen kann und alle wissen, dass es lügt. Freundlich ist das Theater zu den Theaterleuten. Zu denen, die es lieben, leider nicht. Duzi hätte viel länger bleiben können, aber die Stadt, ja, diese Stadt …
Duzi war ein Künstler, ein Mann der Farben, des roten Weins und der Melancholie. Die Kajüte meines Schiffs „Alte Liebe“ hat Duzi mit Stoff ausgekleidet. Blau, ganz blau, wie das Meer, als es noch gesund war und wie die Orgonen des Wilhelm Reich, auch ein Bruder im Geiste. Duzi wird immer in meinem Boot sitzen, in der Farbe Blau mit einem roten Wein. Und er lächelt über die Dummheit und die Schulden dieser Welt, er lächelt sie weg.
Christoph Nix, ehemaliger Intendant des Konstanzer Theaters, wo Duzi auch im hohen Alter noch einige Jahre gearbeitet hat.
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Mit großer Trauer erfuhr ich kürzlich von Duzis Tod. Viele Jahre gemeinsamer Kneipenabende liegen hinter uns. Ein stets aufmerksamer, ruhiger Gesprächspartner, manchmal etwas verschlossen, der jedoch wunderbare Schlachten am Schachbrett lieferte. Hilfsbereit, musik- und fotobegeistert und immer eng mit der Kneipe verbunden.
Ein toller Mensch, der zum festen Bestandteil meiner langen Wirtszeit wurde und mir als unaufgeregter Zeitgenosse immer willkommen war. So werde ich ihn in Erinnerung behalten. Möge er seinen Frieden finden.
Norbert Elsner, ehemaliger Wirt der Seekuh
In der „Seekuh“ hängen übrigens seit Jahren mehrere beeindruckende, großflächige Schwarz-Weiß-Bilder von Duzi, denn er war auch ein talentierter Fotograf. Über seine Bilder schrieb der Konstanzer Journalist Dieter Seewald: „Die Ästhetik, die Schönheit, die Aussagekraft von Duzis Fotografien bestechen durch ihre Klarheit, ihre Botschaft. Sie sind keine bloßen Kopien, sie drücken vielmehr sein ganz persönliches Empfinden aus. Sie lassen eben das Bemühen erkennen, nicht einfach zu kopieren, sondern eigene Wege zu gehen (…) Ein Besuch lohnt sich, und Duzi lehnt ziemlich sicher entspannt an der Theke. Zu erzählen hat er viel – wenn er denn will.“
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Da ich damals viel bei Jazzkonzerten war und Ende der achtziger Jahre auch Vorsitzende des Jazzclubs wurde, unterhielten wir uns gern über Musik, die wir beide gehört hatten. Nach Konzerten oder auch ohne Konzerte in der Seekuh war Duzi oft mein „Retter“, wenn ich nach der Sperrstunde keinen Bus mehr nach Hause bekam, denn wir wohnten nicht weit auseinander, er im Gerhart-Hauptmann-Weg, ich in der Jacob-Burckhardt-Straße.
Nicht nur bei diesen Gelegenheiten redeten wir mit der Zeit auch über Erlebtes. Er erzählte mir etwa über die Baracke in Egg, in der sie in Konstanz lebten, leben mussten. Seine Erinnerungen aus dieser Zeit klangen sehr bitter, die Verhältnisse müssen so kurz nach Kriegsende äußerst unschön gewesen sein. Bittere Armut und Ausgrenzung erleben zu müssen, dürfte ihn nachhaltig geprägt haben. Unsere Gespräche verliefen immer in gegenseitiger Achtung und Sachlichkeit. Ich werde ihn in freundschaftlicher Erinnerung behalten.
Gisela Pook
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Das erste Mal, als ich Mircea Cosmovici gesehen habe, spielte er Schlagzeug in der Modern-Jazz-Band von Claus Veeser. Das war im Barbarossa-Keller in Konstanz in der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Es war, soweit ich mich erinnere, mein erster Besuch bei einem Jazz-Konzert und weiß noch, dass ich sehr beeindruckt war. Danach habe ich ihn lange Zeit nicht mehr gesehen. Die Band hatte sich aufgelöst und Duzi war für einige Jahre nach Berlin gezogen. Wir sind uns dann in den 80er Jahren mehrmals wiederbegegnet, kannten uns aber nicht wirklich.
Erst in den letzten 10 Jahren habe ich ihn näher kennen gelernt und er hat mir einiges über sein Leben erzählt. Geboren wurde er 1939 in Rumänien. Sein Vater wurde bald danach eingezogen und starb an der Front. In der Folge floh seine Mutter mit ihm in einem Flüchtlingstreck zu Fuß Richtung Westen, bis sie eine Kleinstadt nahe Dresden erreichten. Dort kam er in den Kindergarten. Er hat mir erzählt, dass der Ort regelmäßig von Kampffliegern überflogen wurde und dass sie in einer Nacht von einem Hügel aus von Weitem den Feuerschein der Bombardierung von Dresden gesehen haben.

Gegen Ende des Krieges waren sie dann im Ostsektor von Berlin, wo Duzi in die Schule kam. Dort fanden bald militärische Grundausbildungen statt, bei denen er die ein oder andere Auszeichnung bekam, was seiner Mutter wohl gar nicht gefallen hat. Sie packte eines Tages eine Handtasche mit dem Nötigsten, ist mit Duzi an der Hand in die S-Bahn gestiegen, in den Berliner West-Sektor gefahren, dort auf dem kürzesten Weg durch den Ausgang gelaufen und hat es geschafft, trotz strengster Bewachung mit ihm bis über den „weißen Strich“ zu gehen. Dahinter konnte einen keiner mehr aufhalten. Jetzt waren sie im Westen.
Sie wurden dann aus dem Berliner West-Sektor ausgeflogen und kamen in ein Sammellager in Hannover. Von dort aus ging es in ein Flüchtlingslager im Schwarzwald und schließlich weiter nach Egg, wo damals das hiesige Lager für Flüchtlinge war. Dort lernte er auch Claus Veeser kennen, der in der Nähe des Lagers wohnte, wo sie dann auch ihre erste Band gründeten.
Yogi Gross
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Ich verabschiede mich von Duzi, einem Freund, der mit seiner unverwechselbaren Art jede Runde in der Seekuh geprägt hat. Er wollte nie jedermanns Liebling sein – und gerade das machte unsere Gespräche so ehrlich und wertvoll für mich. Seine Fotografien, die in der Seekuh weiterleben, tragen seinen besonderen Blick in sich und erinnern mich an viele gemeinsame Abende.
Mit Duzi verliere ich einen Menschen, der mir wichtig war. Er bleibt in meinen Gedanken und an meinem Tisch. In stiller Trauer …
Hartmut Wilm


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