Mahnwache Palästina:israel Amnesty International 24.10.2023 © Carvin Münz

Der Krieg macht keinen Unterschied

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Mahnwache Palästina:israel Amnesty International 24.10.2023 ©

Der neue Krieg in Nahost – ausgelöst durch die Verbrechen der Hamas, fortgesetzt vom menschenrechtswidrigen Vorgehen Israels – schafft einen Schmerz, der über Generationen fortdauert. Und auf beiden Seiten leiden die Zivilist*innen. Das betonte die Rednerin auf einer Mahnwache von Amnesty International am 24. Oktober auf der Konstanzer Marktstätte.

Hier ihre ins Deutsche übertragene Rede (the English version of her speech can be found here / der englische Originaltext findet sich hier):

Über Krieg zu schreiben und zu sprechen, ist schwierig. Es fühlt sich an, als befände ich mich mitten auf einem Schlachtfeld und wäre Zeugin des schmerzhaften Leids, das unschuldigen Menschen zugefügt wird. Diese Worte erinnern mich an die Erzählungen meiner Mutter über ihre Erlebnisse im Iran-Irak-Krieg und an meine Freunde, die vom Krieg in der Ukraine, in Syrien und in Rojava betroffen sind – wann wird dieser  endlose Alptraum von Kriegen, die von männlichen Staatsoberhäuptern verursacht werden, ein Ende haben?

Seit Jahren hören wir vom israelisch-palästinensischen Konflikt, der Tausende Menschenleben gekostet hat; aber dieses Mal hat er uns besonders hart getroffen. Alles begann in jener schicksalshaften Nacht, als Unruhe und Heimweh mich vom Schlaf abhielten. Für uns aus den westasiatischen Ländern ist Stress zu einem ständigen Begleiter geworden.

Um mich abzulenken, griff ich nach meinem Handy, und als ich die Nachricht vom Angriff der Hamas auf Israel sah, war ich schockiert. Ich fühlte mich atemlos und hoffte, dass es nur ein böser Traum war. Aber der böse Traum ging weiter; dieser brutale Krieg dauert nun schon  drei Wochen an, mit massiven israelischen Angriffen auf den Gazastreifen und dem massenhaften Tod von unschuldigen Zivilisten auf beiden Seiten.

Wer gewinnt wirklich?

Die Brutalität dieses Krieges zu sehen, bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Worte allein können die Tiefe des Leidens nicht wiedergeben. Wie kann man die Qual des Abschieds von seinen Kindern und Enkelkindern in einem einzigen Satz zusammenfassen?

Statt nach Worten zu suchen, um das Leid des Krieges zu beschreiben, sollten wir Ideen entwickeln, die das Konzept des Kriegs überhaupt ausradieren. Ich wünsche mir, dass wir diesen kleinen, verwundeten Planeten zu einem sicheren Ort für alle seine Bewohner*innen machen.

Ich frage mich oft, wer in Kriegen, die mit Menschenblut geführt werden, wirklich gewinnt. Am Ende eines jeden Konflikts schütteln sich die Kriegsführer und Politiker ihre blutbefleckten Hände und kehren an Tische zurück, die aus unzähligen Menschenleben gemacht wurden, um über ihre Interessen zu verhandeln, während sie in die Kameras lächeln. Kapitalisten füllen und leeren weiterhin ihre Gläser in sicheren Palästen, während sie vom menschlichem Leid profitieren.

Eine Last auf unbestimmte Zeit

Und am Ende sind es Mütter und Väter, die unter den gefallenen Soldaten ihre Liebsten suchen. Es sind Menschen, die über Grenzen und Ozeane hinweg vertrieben werden mit nichts als Koffern, die sie ihr ganzes Leben lang mit sich herumschleppen. Und es sind Kinder, die inmitten von Bomben, Blut und Ruinen umherirren und nach ihren Müttern, Vätern, Brüdern, Schwestern und Freunden suchen. Wir sind es, die einfachen Menschen, die die Last des Kriegs auf unbestimmte Zeit tragen.

Mahnwache: Palästina:Israel Amnesty International 24.10.2023
Mahnwache von Amnesty International am 24. Oktober 2023

Eines Tages verlor ich fast die Hoffnung und fiel in einen Abgrund von Hoffnungslosigkeit. An diesem Tag erhielt ich ein Foto von dem Kind, das Licht in meine dunkelsten Momente bringt. Als ich das Bild betrachtete, musste ich lachen und weinen. Gedanken an das kleine Mädchen, das ich liebe, erfüllten meinen Geist. Es war, als würde sie meine Hand halten und mich aus den Tiefen der Verzweiflung ziehen. Ich kann nicht aufgeben, ich darf nicht aufgeben, wegen ihr und wegen all der Kinder auf der Welt.

Wir müssen weitermachen und daran arbeiten, eine Welt zu schaffen, in der unsere Kinder frei von Krieg, Diskriminierung, Ungleichheit und Gier leben können.

Es reicht!

Ich frage mich, was ich als Mensch tun kann. Die Antwort ist komplex. Aber eins steht fest: Wir müssen das System ändern, das (…) grundlegende Veränderungen als unerreichbar erscheinen lässt. Die Erde ist mit Blut und Tränen der Kriege in allen Ecken der Welt getränkt worden. Es reicht. Wir müssen die Ketten dieser Dunkelheit sprengen und der Güte erlauben, unsere Herzen durch gegenseitige Unterstützung und Fürsorge zu erwärmen.

Jede*r von uns verdient ein sicheres und glückliches Leben, unabhängig von Sprache, Kultur, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Krieg ist Krieg, Leben ist Leben, Liebe ist Liebe, Mensch ist Mensch. Wenn der Krieg zuschlägt, macht er keinen Unterschied; er fordert das Leben unserer Lieben, egal wo und warum … Versprechen wir uns jetzt, da wir uns versammelt haben, dass wir den Tod durch Unterdrückung, Krieg und Konflikte niemals akzeptieren werden. Verpflichten wir uns, eine Generation heranzuziehen, die niemals den Glauben an die Güte der Menschheit und an den Aufbau einer Welt ohne Krieg und Gier verliert. Wir werden nicht aufhören, überall und für immer an Güte, Liebe und Freiheit für alle zu glauben.

PS: Die Rednerin Huria AM (der richtige Name ist der Redaktion bekannt) stammt aus dem Iran und lebt seit 2021 in Konstanz. Sie ist Doktorandin am Fachbereich Biologie der Universität. In ihrem sozialen und politischen Engagement mit dem Fokus auf Menschenrechte und Gerechtigkeit betont sie immer wieder die Notwendigkeit, das System zu ändern. Erst dann sei ein besseres Leben für alle auf der Welt möglich.

Bild oben: Carvin Münz, Bild unten: privat.

2 Kommentare

  1. Wolfgang Daub

    // am:

    Schöne Rede! Aber was wird mit „System“ gemeint? Das Terrorregime im Iran?

  2. Petra Gutenthaler

    // am:

    „fortgesetzt vom menschenrechtswidrigen Vorgehen Israels“ so kennt man Amnesty International. Damit wird gleich einmal das legitime Selbstverteidigungsrecht Israels in Frage gestellt, in dem man ihnen menschenrechtswidriges Verhalten vorwirft.

    Regelmäßig setzt AI andere Standards an Israel als an andere Staaten. Auch ein aktuelles Beispiel, AI kritisiert Israel für die Blockade von Gaza. Erwähnt aber mit keinem Wort, dass Ägypten dies auch macht.

    Dies NGO kann ich nicht mehr für voll nehmen, schon gar nicht was das Thema Nahost anbelangt

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