Hanau-Gedenken in Konstanz_©annablank

Demo vier Jahre Hanau: Erinnern heißt verändern!

Hanau-Gedenken in Konstanz_©annablank

Am Montag jährt sich zum vierten Mal der rassistische Mordanschlag in Hanau, bei dem neun Menschen starben. Neben einer zentralen Demonstration in Hanau werden bundesweit zahlreiche Gedenkveranstaltungen stattfinden. So auch in Konstanz, wo die neu gegründete „Initiative für Solidarität“ eine Demo gegen rechte Gewalt organisiert.

Die „Initiative für Solidarität Konstanz“ ruft für Montag, den 19. Februar 2024, 18 Uhr, zu einer Gedenkdemonstration auf.  Die Demonstration startet am Herosépark und endet am Münsterplatz, dort wird mit Redebeiträgen den neun Opfern gedacht: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Anschließend lädt die Initiative dazu ein, sich im Garten des Kulturkiosks Schranke solidarisch auszutauschen. 

Anknüpfend an die aktuellen Großdemonstrationen gegen Rechtsradikalismus (darunter 15.000 Menschen in Konstanz) fragt sich die neu gegründete Initiative, wie „diese solidarische Energie beizubehalten“ sei. Die Demonstration ist ihre erste Veranstaltung und soll „ein Zeichen gegen rassistischen Terror und rechte Hassgewalt“ setzten. Ziel der Initiative sei, „sich aktiv gegen gesellschaftliche Herausforderungen wie den Rechtsruck, die Klimakatastrophe und soziale Ungleichheit einzusetzen, Zivilgesellschaft zusammenzubringen und einen Raum zu schaffen, in dem praktische Solidarität gemeinsam gelebt werden kann“, so Kyana Nouroozian, eine Initiatorin der Initiative. 

Nie wieder galt gestern wie heute

Der rechtsradikale Terroranschlag von Hanau reiht sich in viele rassistische Anschläge auf Menschen mit Migrationsgeschichte ein – von Mölln und Rostock über die NSU-Morde bis Halle. Meist blieben die Opfer unbekannt, ihre Namen fanden kaum Erwähnung und ihre genaue Anzahl können wir nicht beziffern, da rassistische Anschläge oft nicht als solche bezeichnet und geahndet wurden. Es gibt kein offizielles, kein staatliches Gedenken und keine Erinnerungskultur für Opfer rassistischer Morde, und es gab kein offizielles, aktives Mahnen vor rechtem Terror. Ein aktiv gestaltet „Nie wieder“ scheint sich erst jetzt in der Mitte der Gesellschaft zu formieren.

Für viele migrantische Menschen war spätestens der Terroranschlag von Hanau ein Moment, an dem sie sich ein aktives Erinnern an die Opfer rechter, rassistischer Gewalt und ein Handeln dagegen versprochen haben: „Hanau darf nicht vergessen werden“, sagt Gabriela Al-Husein, eine weitere Initiatorin der „Initiative für Solidarität Konstanz“. „Wir erinnern an die Ermordeten und schärfen das Bewusstsein für Rassismus und dessen Konsequenzen. Rassismus tötet. Hanau mahnt uns, stets gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft einzustehen.“ 

Die Initiative 19. Februar

Schon vor Jahren haben Angehörige und Freund:innen der Ermordeten die Initiative 19. Februar gegründet mit dem Ziel, den Terroranschlag aufzuklären, Gerechtigkeit und Konsequenzen zu fordern und den Opfern zu gedenken: „Wir werden nicht zulassen, dass der 19. Februar 2020 unter den Teppich gekehrt wird – so wie die unzähligen rechten Morde zuvor. Und auch nicht, dass erneut Täter geschützt und ihre Gewalt verharmlost werden,“ heißt es im Gründungstext.

In diesem Jahr ruft Initiative 19. Februar zu einer bundesweiten Demonstration nach Hanau auf: „Mit der Demonstration am 17. Februar 2024 setzen wir uns auch gegen die Normalisierung rassistischer Politik, gegen Vertreibung, Ausgrenzung und Gewalt ein. „Angesichts der Wahlerfolge der in weiten Teilen gesichert rechtsextrem geltenden AfD in Hessen und Bayern, der aktuellen Recherchen von Correctiv und der drohenden Wahlerfolge der AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ist eine breite Bewegung der Solidarität in der Migrationsgesellschaft notwendiger denn je“, erläutert Said Etris Hashemi, der den Terroranschlag – anders als sein Bruder und mehrere Freunde – nur knapp überlebt hatte.. 

Behördliches Versagen und der Terroranschlag von Hanau 

Vor vier Jahren hatte ein rechtsradikaler Täter aus Hanau innerhalb weniger Minuten neun Menschen mit für ihn eindeutigem Migrationsbezug erschossen, sechs weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Seine Tat hatte er sorgfältig geplant. Auch hatte er sich im Vorfeld immer wieder mit rassistischen, antisemitischen und antiislamischen Hassbotschaften auf seiner Webseite und auf Youtube unter anderem „an das Deutsche Volk“ gewandt. 

Obwohl er in fünfzehn Ermittlungen erwähnt wurde, davon fünfmal als Beschuldigter, und unter anderem zuvor schon Menschen mit Waffen bedroht hatte, durfte er Mitglied in einem Schützenverein sein und legal Waffen besitzen. 

In der Tatnacht fuhr er die von ihm vorab ausgespähten Orte an: eine Bar, eine Shisha Bar und einen Kiosk. Dort erschoss er kaltblütig neun Menschen. Vili Viorel Păun beobachtete aus seinem Auto heraus seinen ersten Mord, rief vergeblich dreimal den Polizeinotruf an und stellte sich mit seinem Auto dem Mörder in den Weg, woraufhin er ebenfalls von ihm erschossen wurde. 

Dass der Notruf unbeantwortet blieb, ist seither Gegenstand juristischer Untersuchungen und bis heute – wie auch andere behördliche Versäumnisse – nicht aufgeklärt; bisher hat auch keiner der Verantwortlichen Konsequenzen daraus gezogen. In die Kette dieser folgenschweren Fehler reiht sich auch, dass 13 der 38 SEK-Beamten, die in der Tatnacht zum Einsatz kamen, Mitglieder rechtsradikaler Chatgruppen der Hessischen Polizei waren.

Mittlerweile ist dieses Einsatzkommando unter anderem wegen Volksverhetzung aufgelöst worden. Diese wenigen Beispiele einer langen Liste an staatlichem Fehlverhalten zeugen davon, dass Rassismus und rechtsradikales Gedankengut viel zu lange verharmlost, bagatellisiert und normalisiert wurden. Die Morde von neun unschuldigen, jungen Menschen aus Hanau hätten vermieden werden können. 

Erinnern heißt verändern!

Text und Fotos (von früheren Hanau-Gedenkveranstaltungen in Konstanz): Abla Chaya

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