Auf der suche nach essen jaber jehad badwan, cc by sa 4.0 creative commons

Akademische Komplizenschaft: Deutsche Unis und der Gaza-Krieg

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Auf der Suche nach Essen: Seit Israels Blockade der Hilfslieferungen hungert die Bevölkerung von Gaza

Wer sich an Unis mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisiert und gegen die israelische Regierung protestiert, wird oft hart bestraft – das ist nicht nur in den USA so. Gleichzeitig kooperieren Universitäten mit israelischen Hochschulen, die dem Militär dienen. Dazu gehört auch die Uni Konstanz.

„Wenn der Westen so tun würde, als gäbe es euch nicht, dann würdet ihr wollen, dass die Welt sich erhebt – und das haben die Student:innen endlich getan.” (Macklemores Song Hind’s Hall).

Seit Ende März 2025 läuft in ausgewählten US-Kinos die Dokumentation „The Encampments“ über die studentischen pro-palästinensischen Proteste in den USA. Neben den Regisseuren Michael T. Workman und Kei Pritsker ist auch Macklemore als Executive Producer beteiligt. Macklemore, eigentlich Benjamin Hammond Haggerty, ist eines der prominentesten Gesichter der nordamerikanischen pro-Palästina Bewegung. Seit Beginn der israelischen Offensive im Gazastreifen positioniert er sich klar gegen die Regierung von Benjamin Netanjahu. 

Der 7. Oktober 2023 und die anschließende militärische Eskalation durch Israel führten weltweit zu Protesten. Die Studierendenbewegung in den USA fiel dabei besonders durch ihre Besetzungen von Universitätsgeländen auf – mit der Forderung, die institutionelle Zusammenarbeit mit israelischen Hochschulen und dem Militär zu beenden. Das erste dieser Encampments fand an der Columbia University in Manhattan statt, unter anderem angeführt von Mahmoud Khalil, der im März dieses Jahres aufgrund seiner Rolle in den Protesten trotz Aufenthaltsgenehmigung inhaftiert wurde und sich mit einer Deportation konfrontiert sieht. 

Weitere Universitäten folgten dem Beispiel der Columbia und schnell verbreitete sich die studentische Protestbewegung wie ein Lauffeuer durch die USA. Die Welle der Proteste schwappte auch in andere Länder über. So besetzten in Paris immer wieder – trotz Räumungen – Hunderte Studierende die Sciences Po, das Institut für politische Studien Paris, eine der prestigereichsten Universitäten in Frankreich.

Exmatrikulation und Abschiebungen

Proteste gab es auch in Australien, Mexiko, Irland, Spanien, Großbritannien, Österreich, in der Schweiz und in vielen weiteren Ländern. Viele deutsche studentische Bewegungen haben es ihnen nachgetan. So beispielsweise an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität in Berlin oder der Universität Köln. Die Forderungen sind ähnlich: ein Ende der ideologischen und akademischen Unterstützung des Völkermords in Gaza. 

Der studentischen Protestbewegung wurde und wird mit harten Repressionen und Vorwürfen des Antisemitismus entgegengeschlagen. Viele Student:innen, die an den Universitätsbesetzungen in den USA teilgenommen haben, erleiden ein ähnliches Schicksal wie Mahmoud Khalil, sie wurden aufgrund ihrer Proteste exmatrikuliert oder ihnen wurden ihre Visa entzogen

Auch hierzulande sind die Repressionen ähnlich hart wie in den USA. So sind beispielsweise vier Aktivist:innen in Gefahr, abgeschoben zu werden, ohne jegliche gerichtliche Verurteilung – nach Polen, Irland und ironischerweise in die USA. Das ist ein herber Schlag für die Demonstrations- und Meinungsfreiheit in Deutschland. 

Waffenlieferungen und ideologische Unterstützung

Im neuen Koalitionsvertrag steht: „Wir unterstützen Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit, auch durch Rüstungsexporte“. Als zweitgrößter Waffenexporteur nach Israel steht Deutschland den USA nur wenig nach. Die Rhetorik vom „Selbstverteidigungsrecht“ dient dabei als strategische Verschleierung der realen Kriegsverbrechen Israels – und zwar mit deutschen Steuergeldern. 

Nicht nur materiell wird dieser Krieg von Deutschland aus massiv unterstützt, auch ideologisch, beispielsweise durch die aktive Unterdrückung pro-palästinensischer Proteste an Hochschulen. Universitäten setzen die repressive Haltung des deutschen Staats um, indem sie Veranstaltungen, Kundgebungen und Raumbuchungen verbieten oder durch Polizeieinsätze gegen friedliche Proteste vorgehen. 

Diese Maßnahmen stärken die öffentliche Akzeptanz für den politischen Kurs der Regierung und fördern eine einseitige Darstellung des Konflikts, die Israels Handlungen legitimiert und Kritik daran marginalisiert. Letztlich gilt: Ohne eine ideologische Bereitschaft zum Mittragen eines solchen Kriegs – innerhalb Israels wie auch im Westen – wäre seine Fortführung kaum denkbar. Universitäten spielen dabei eine zentrale Rolle.

Das Bundesverteidigungsministerium investiert jährlich über 50 Millionen Euro in militärische Forschung an deutschen Hochschulen. Diese Forschung wird kontrovers diskutiert, da sie oft der Zivilklausel widerspricht, die militärische Forschung ausschließen soll. Eine Grauzone ist jedoch der sogenannte „Dual Use“, bei dem Forschungsergebnisse sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. 

Auch die Uni Konstanz unterstützt

Seit 1991 gilt an der Universität Konstanz offiziell eine Zivilklausel: „Der Große Senat der Universität Konstanz erklärt hierzu, dass Forschung für Rüstungszwecke, insbesondere zur Erzeugung von Massenvernichtungswaffen, an der Universität Konstanz keinen Platz hatte und auch in Zukunft keinen Platz haben wird.“ Doch diese wird durch intransparente Kooperationen mit Rüstungsfirmen ausgehöhlt.

So unterzeichnete der damalige Rektor Ulrich Rüdiger eine Rahmenvereinbarung mit den Tochterfirmen Astrium und Cassidian der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS; heute Airbus). Details blieben der Öffentlichkeit verborgen. Airbus stiftet bis heute den „Claude Dornier“-Preis an Konstanzer Nachwuchsforscher:innen. Auch das Verteidigungsministerium finanzierte ein Projekt zur Nachweisbarkeit von Senfgas im menschlichen Körper – im Kontext militärischer Anwendungen.

Die Universität Konstanz hat weltweit unzählige Partneruniversitäten. Diese Partnerschaften sollen den Austausch zwischen Studierenden sowie Akademiker:innen vereinfachen. Die Uni pflegt gleich mit fünf Universitäten in Israel eine Partnerschaft (der Tel Aviv Universität, der Ben-Gurion Universität, der Universität Haifa, der Universität Reichmann und der Hebräischen Universität Jerusalem), aber nur eine weitere in der Region außerhalb Israels: die mit der American University of Cairo. Partnerschaften mit palästinensischen Hochschulen existieren nicht.

Die Partneruniversitäten der Uni Konstanz

Die Akzeptanz für den Völkermord in Gaza ist an israelischen Universitäten groß. So lassen Aussagen von Akademiker:innen an israelischen Universitäten verlauten, dass alle Palästinenser:innen ausgerottet gehören. Aussagen, wie wir sie von Mitgliedern der Netanjahu-Regierung seit Beginn der Aggressionen in Gaza fast täglich hörten. So sagte etwa Professor Avi Bareli, ein Dozent für Israel und die Geschichte des Zionismus an der Ben-Gurion-Universität, die Palästinenser seien „eine Gesellschaft, die den Tod anbetet und das Banner des Mordes hochhält“. 

Diese israelischen Universitäten sind nicht nur akademische Einrichtungen – sie sind tief mit dem israelischen Militär verbunden. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. 

So nimmt die Universität Haifa eine Schlüsselrolle in der akademischen Ausbildung des israelischen Militärs und Geheimdienstes ein. In Haifa sind die drei wichtigsten Elite-Militärakademien des Landes unter dem Dach der Universität Haifa vereint. Mit insgesamt sieben speziell für Militärangehörige entwickelten Studiengängen stellt die Universität Haifa die größte akademische Ausbildungsstätte für Militär- und Sicherheitskräfte in Israel dar. 

Die enge Verzahnung zeigt sich nicht nur in gemeinsamen Forschungsprojekten, sondern auch in der physischen und organisatorischen Integration: Die Militärakademien sind fest auf dem Campus verankert, und die Universität versteht sich explizit als „führender akademischer Think Tank im Bereich Sicherheitsstudien“ des Landes.

Die Ben-Gurion-Universität beherbergt das Homeland Security Institute, zu dessen Partnern die führenden israelischen Waffenhersteller und das israelische Verteidigungsministerium gehören. Das israelische Militär baut einen Technologiecampus neben dem BGU-Campus, um die Beziehungen zwischen dem Militär und der BGU zu vertiefen. 

Der Campus der Hebräischen Universität Jerusalem auf dem Mount Scopus ist teilweise auf Land gebaut, das palästinensischen Eigentümern im israelisch besetzten Ostjerusalem illegal enteignet wurde, was einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt, und dient daher direkt dem anhaltenden Landraub und der Enteignung der Palästinenser:innen. Darüber hinaus hat die Hebräische Universität ihre Campus-Gebäude den israelischen Streitkräften für die Unterdrückung der umliegenden besetzten palästinensischen Gemeinden zur Verfügung gestellt. 

Militärbasis und Kampfhundeeinsatz

Weiterhin beherbergt die Hebräische Universität eine Militärbasis auf dem Campus, um israelischen Soldaten eine akademische Ausbildung zu ermöglichen. Nicht zuletzt hat die Hebräische Universität auch sofort ein erweitertes finanzielles Paket für studentische Soldat:innen eingeführt, die sich an Israels Krieg in Gaza beteiligen, zusätzlich zu den akademischen Leistungen.

Die Universität Tel Aviv unterhält gemeinsame Zentren mit dem israelischen Militär und der israelischen Rüstungsindustrie. Die Universität Tel Aviv beherbergt auch das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS), das sich rühmt, die sogenannte Dahiya-Doktrin, die Doktrin der unverhältnismäßigen Gewalt, entwickelt zu haben. Die vom israelischen Militär übernommene Dahiya-Doktrin fordert „die Zerstörung der nationalen Infrastruktur und großes Leid unter der [Zivil-]Bevölkerung“. Im aktuellen Genozid rühmte sich die Uni damit, dass sie einen Kriegsführungsraum eingerichtet hatte, um die Soldaten direkt zu unterstützen. Unter anderem entwickelte sie eine Liveschalte, um die Bodycams von einer Kampfhundeeinheit direkt anzuschauen, die für zahlreiche tödliche Angriffe auf Zivilisten verantwortlich ist. 

Die Reichmann Universität, auch bekannt als Interdisziplinäres Zentrum Herzliya, ist Israels erste private Universität, die keine Finanzierung durch den Staat erhält – mit Ausnahme der Forschungsgelder, die sie durch die engen Kooperationen mit dem israelische Militär und Geheimdienst bekommt, insbesondere im Bereich Terrorismusbekämpfung. Darüber hinaus werden rund 15 Prozent der Studienplätze für ehemalige Soldaten reserviert, auch wenn ihre akademischen Noten ihnen sonst keinen Platz an der Uni gesichert hätten. Aufgrund der „kriegstreiberischen“ Haltung der Reichmann Universität beendeten im vergangenen Oktober die Universität Mailand, sowie kurzzeitig das Science Po Strasbourg die Zusammenarbeit mit der Uni.

Auf wessen Seite?

In Zusammenarbeit mit der Universität Tel Aviv, dem Förderkreis für Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Konstanz und Tel Aviv e.V. [https://www.uni-konstanz.de/universitaet/ueber-die-universitaet-konstanz/stiften-und-foerdern/foerderkreis-konstanz-tel-aviv/ ] wurden mehrere prominent beworbene Veranstaltungsreihen zum Krieg zwischen Israel und Palästina organisiert. Diese Veranstaltungsreihen waren problematisch, da sie einerseits inhaltlich einseitig waren und kaum Raum für differenzierte Perspektiven oder die Darstellung palästinensischer Erfahrungen boten. 

Besonders problematisch erscheint diese Kooperation jedoch vor dem Hintergrund der engen institutionellen Verbindungen der Universität zu den israelischen Streitkräften. Inmitten eines Völkermords Veranstaltungen mit einem derart parteilichen Fokus auszurichten, wirft ethische und moralische Fragen auf.

Durch die Kooperation mit israelischen Universitäten, die enge Verbindungen mit dem israelischem Militär aufweisen, ihre ideologische Positionierung und die Unterdrückung kritischer Stimmen stellt sich die Universität Konstanz faktisch auf die Seite der israelischen Militärpolitik. Ein echter akademischer Austausch muss jedoch pluralistisch sein – und Räume schaffen, in denen weder Antisemitismus noch anti-palästinensischer Rassismus Platz haben.

Text: Anna Fiesinger & Manuel Oestringer
Fotos – Mädchen mit leerem Kochtopf: Jaber Jehad Badwan, CC BY-SA 4.0 _creative commons / Uni Konstanz: PIt Wuhrer / Airbus-Dankzeichen: privat / Hebrew University: Hebrew_University_Jerusalem_IL_WV, gemeinfrei / Flüchtlinge im Gaza-Streifen: Jaber Jehad Badwan, CC BY-SA 4.0

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