
Universität Konstanz, PH Thurgau und FH Vorarlberg laden Lehramtsstudierende, Lehrer:innen und für bestimmte Programmteile auch die allgemeine Öffentlichkeit zu einer Summer School zum Thema „Nachhaltige Entwicklung“ vom 22. bis 26. September auf Klein Venedig ein.
Eigentlich war es der Wunsch, ein Veranstaltungszelt direkt auf die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz zu stellen. „Aber dieses Vorhaben erwies sich dann doch nicht als umsetzbar“, erläutert der Leiter der Binational School of Education, des Zentrums für die Lehramtsausbildung an der Universität Konstanz, Fabio Crivellari. „Wir haben uns schließlich der Einfachheit halber für einen möglichst grenznahen Standort auf deutscher Seite entschieden.“ Nun wird das Zelt in der Nähe der Kunstgrenze auf Klein Venedig aufgestellt werden.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung, kurz BNE, ist ein feststehender Begriff, der bereits in den 1990er Jahren als ein Leitbild der Vereinten Nationen geprägt wurde. Er gründet in der Überlegung, dass politische Steuerungsmaßnahme und wirtschaftliche Innovation nicht ausreichen, um den notwendigen Schutz des Planeten Erde dauerhaft zu gewährleisten. Vielmehr sei ein Bewusstseinswandel für einen schonenderen Umgang mit der Natur in der Bevölkerung breit zu verankern, indem man Bildungsmaßnahmen in Nachhaltigkeitskonzepte integriert. Inzwischen ist BNE ein gut etabliertes, von vielen Akteur*innen getragenes Konzept, das die Realisierung der 17 von der UNO in der Agenda 2030 formulierten Nachhaltigkeitsziele zum Zweck hat. Diese 17 Ziele verstehen Umweltbildung als einen Teil eines umfassenden Programms guten Umgangs von Menschen nicht nur mit ihrer natürlichen Umwelt, sondern auch untereinander. So sind etwa auch soziale Forderungen in den Nachhaltigkeitszielen mitgedacht.
Gefördert vom Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodensee wird eine Woche lang ein Zelt auf Klein Venedig aufgebaut, in dem Seminare und Workshops stattfinden. In ihnen soll diskutiert werden, was das Zusammenspiel von Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft bedeutet, wie sich globale Herausforderungen in lokales Handeln übersetzen lassen und welchen Beitrag Bildung dazu leisten kann.
Zusammenspiel von Umwelt und Gesellschaft

Die Idee zu dieser Summer School entstand im Austausch zwischen der Binational School of Education (BiSE) der Universität Konstanz, der Pädagogischen Hochschule Thurgau und der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg. Alle drei Partnerinstitutionen verbindet nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit in der Lehrer*innenbildung, sondern auch ein gemeinsames Anliegen: Lehramtsstudierende frühzeitig für zentrale gesellschaftliche Zukunftsfragen zu sensibilisieren und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, diese Themen im späteren Schulalltag aktiv und verantwortungsvoll aufzugreifen. Doch Theorie allein reicht nicht – Nachhaltigkeit muss erlebt, diskutiert, mitgestaltet werden. Aus diesem Gedanken heraus entstand das Konzept für eine interdisziplinäre, internationale Lehrveranstaltung an einem Ort, der sinnbildlich für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ökologische Fragilität steht: Die EU-Außengrenze am Bodensee.
Nach den Coronajahren mit dem absurden Grenzzaun zwischen Konstanz und Kreuzlingen war es der Wunsch, die Grenze in Bewegung zu bringen, erklärt Fabio Crivellari. „Wir wollen zeigen, dass die Grenze nicht nur als etwas Trennendes sondern auch als etwas Verbindendes erfahren werden kann.“ Das Thema Nachhaltigkeit biete sich dazu an, weil es nie gelingen werde, diese große Herausforderung nur innerhalb der eigenen Korridore zu lösen. Gerade am Bodensee wüssten alle, dass Nachhaltigkeit nur miteinander funktioniert, sei es beim Gewässerschutz, bei der Energieversorgung oder beim Artenschutz. Insofern sei Klein Venedig ideal dafür geeignet. Zudem sei das eine gute Gelegenheit, einem der ödesten Orte von Konstanz ein bisschen Leben einzuhauchen, meint Crivellari.
Die Teilnehmenden erwartet ein vielfältiges Programm, das Theorie und Praxis miteinander verbindet. Am Vormittag geben Fachdozierende aus verschiedenen Disziplinen Einblicke in zentrale Perspektiven der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch, sozial. Dabei werden grundlegende Konzepte, Zielkonflikte und Möglichkeiten der pädagogischen Umsetzung diskutiert. Am Nachmittag setzen die Teilnehmenden ihre individuellen Schwerpunkte: Mehrtägige themenspezifische Seminare vertiefen unter anderem Fragen der Globalisierung, Klimabildung, sozialen Gerechtigkeit oder nachhaltigen Transformation.
Perspektiven der Nachhaltigkeit
Danach rückt die Praxis in den Vordergrund. Exkursionen führen zu außerschulischen Lernorten, an denen Nachhaltigkeit konkret erfahrbar ist. Dazu zählen unter anderem ein nachhaltig arbeitender Obsthof in Dingelsdorf, ein Baumlehrpfad durch Konstanz, das Wasserwerk Konstanz, das Naturschutzgebiet Wollmatinger Ried, Bildungsangebote auf der Insel Mainau sowie das Seemuseum in Kreuzlingen mit seinem Exkursionskoffer zum Wandel des Fischfangs und der Wasserqualität.
Auch aktuelle gesellschaftliche Themen wie die Verkehrswende oder der Umgang mit Sprachbarrieren in der Elternarbeit werden aufgegriffen – etwa bei einer Fahrradtour durch Konstanz und Kreuzlingen mit dem Radbeauftragten der Stadt und dem Leiter des Kreuzlinger Tiefbauamts oder beim Besuch interkultureller Projekte des Amts für Bildung und Sport. Eine Führung durch den Lorettowald mit der Försterin der Spitalstiftung eröffnet zudem Einblicke in gemeinwohlorientiertes Wirtschaften und nachhaltige Waldwirtschaft.
Dass diese Summer School kein gewöhnliches Bildungsangebot ist, zeigt sich nicht nur am Ort, am Programm und an der Zusammensetzung der Teilnehmenden, sondern vor allem an der Haltung, die ihr zugrunde liegt: Bildung für nachhaltige Entwicklung ist nicht nur ein Thema unter vielen. Sie ist ein Kompass für die Schule der Zukunft – und für die Gesellschaft als Ganzes.
Einige Angebote sind auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich, eine Anmeldung ist erforderlich.
Text: Albert Kümmel-Schnur auf Basis einer Presseerklärung. Bild oben von Valanagut via Wikipedia, aufgenommen am 18. April 2020. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“. Bild unten von Robert und Johanna Six, www.sinnbilder.wien.
Schreiben Sie einen Kommentar