
Nun macht die Stadt Konstanz also ernst mit der geplanten Wasserbusverbindung: Demnächst soll ein elektrisch betriebenes Boot alle 40 Minuten bis zu 75 Tourist:innen zwischen Bodenseeforum und Hafen hin- und herschippern. Ein überflüssiges, teures und unökologisches Projekt, urteilt die Konstanzer Gruppe von Fridays for Future. Heute trifft der Technische und Umweltausschuss eine Vorentscheidung.
Ein YouTube-Video der Stadt zeigt, dass es die Stadtverwaltung mit der Beschönigung des umstrittenen Vorhabens ernst meint. Im dreieinhalbminütigen Film sind zwei Streifen übereinander montiert: oben fährt eine Kamera über Wasser die Strecke in vierfacher Geschwindigkeit ab, unten demonstriert eine Aufnahme aus dem Inneren eines Omnibusses, wie langsam und stauanfällig die Fahrgäste im ÖPNV unterwegs sind. 10 Minuten und 18 Sekunden brauche der Wasserbus von der Europabrücke in die Innenstadt, suggeriert das Propagandavideo, 14 Minuten und 20 Sekunden hingegen der Bus. Dabei sieht der Fahrplan der Stadtwerke für diese Strecke nur sechs Minuten vor, auch am Wochenende. Und die sollten es ja wissen.

Nebenbei: Ein Straßenstau als Argument für die Verlagerung auf das Wasser ist, als wollte man den Mars besiedeln, weil die Erde droht, unbewohnbar zu werden. Wir sollten Staus vermeiden, statt sie zu umschiffen, indem wir den ÖPNV ausbauen und Parkkonzepte umsetzen.
Schauen wir mal genauer hin, zuerst auf das, was die Nutzer:innen erwartet: Die Besucher:innen kommen mit dem Auto im neuen Europa-Parkhaus an und laufen fast zehn Minuten zur Anlegestelle. Dort warten sie im Schnitt zwanzig Minuten auf die Abfahrt des Wasserbusses, um eine Viertelstunde später bei der „Imperia“ anzukommen. In die Innenstadt oder zum Einkaufszentrum Lago sind es weitere fünf bis zehn Minuten. Insgesamt brauchen die Wasserbusgäste also durchschnittlich über 50 Minuten vom Auto bis zum Café. Dass sie für diese lange Warte- und Gehzeit noch anderthalb mal so viel wie für ein normales Busticket zahlen müssen, macht die Sache nicht besser.
In jeder Hinsicht teurer
Zweitens ist angesichts klammer Stadtkassen die ökonomische Betrachtung dieses feuchten Traums essenziell. Wir können das hier nur qualitativ darlegen:
Die Investitionskosten sind immens. Von PV-Modulen unterstützt, benötigt das elektrisch betriebene Schiff auch eine Lade-, Wartungs- und Betriebsinfrastruktur. Kosten von 2,6 Millionen Euro stehen im Raum. Dafür könnte man drei elektrische Stadtbusse beschaffen, die sich nahtlos und effizient in die bestehende Infrastruktur integrieren lassen. Übrigens wären für diesen Zweck zusätzliche Stadtbusse nicht einmal nötig, denn die Verkehrsbetriebe haben an Wochenenden bereits jetzt Überkapazitäten an Bussen.
Der Wasserbus soll angeblich 60 Passagiere befördern können. Das in den Berechnungen angenommene Modell Hyke Shuttle 0001 bietet jedoch nur Platz für 50 Passagiere. Folglich sind dies bei einem 40-Minuten-Takt pro Richtung 75 Passagiere pro Stunde. Zum Vergleich: Gelenkbusse befördern im 20-Minuten-Takt bei gleichem Personaleinsatz mehr als 360 Fahrgäste pro Stunde. Bei niedriger Auslastung, beispielsweise am Freitagvormittag, kann auf ein kleineres Busmodell ausgewichen werden.
Dazu kommt: Der ÖPNV klagt über Personalnot. Für den Betrieb des Wasserbusses mit seinen 50 Passagier:innen werden ein Kapitän und ein Matrose benötigt. Ein:e Fahrer:in von Gelenkbussen befördert hingegen mehr als 120 Personen, also rechnerisch das Vierfache. In Zeiten niedriger Auslastung verbessert sich dieses Verhältnis noch weiter zugunsten des Omnibusses.
Großer CO2-Abdruck
Schließlich birgt das Wasserbusprojekt ein hohes Investitionsrisiko. Alle sind sich bereits jetzt einig, dass sich die Kosten nur durch Kombinationstickets und andere Querfinanzierungen einigermaßen erträglich darstellen lassen. Zudem ist das Risiko eines generellen Flops vermutlich signifikant: Wer einmal den zeitaufwendigen Wasserweg hinter sich gebracht hat, geht das nächste Mal womöglich zu Fuß.

Drittens fallen beim aus unserer Sicht wichtigsten Kriterium – der Klimabilanz – vor allem die hohen Investitionslasten für den Bau des Schiffes auf. Von Elektroautos wissen wir, dass gerne ein Viertel ihres CO2-Fußabdrucks bei der Herstellung entsteht. Bei einem batteriebetriebenen Schiff als Einzelanfertigung wird der Anteil wesentlich höher sein.
Der Betrieb des Wasserbusses ist angeblich klimaneutral, der Energieverbrauch vergleichbar mit dem eines E-Busses, pro Passagier:in etwas höher. Doch die Annahmen sind komplex, Äpfel und Wassermelonen nur schwer vergleichbar. Letztendlich fällt dies für die Klimabilanz kaum ins Gewicht: Selbst ein Dieselbus hätte pro Fahrt nur die CO2-Bilanz einer gut belegten Butterbrezel.
Vorteil Busverkehr
Konstanz braucht definitiv eine deutlich verbesserte ÖPNV-Anbindung des Europaquartiers. Die Verbindung vom neuen Parkhaus, vom Busbahnhof, von den nahe gelegenen Großhotels und dem Asisi-Panorama in die Innenstadt wird in naher Zukunft zur wesentlichen Touristenachse. Doch eine lahme, kapazitätsschwache, teure, aufs Wochenende beschränkte und ökologisch bedenkliche Wasserbuslinie als Touri-Gag können und wollen wir uns nicht antun.
Prestigeprojekte haben in Zeiten von Klimanotstand und rekordverdächtigen Haushaltsdefiziten keinen Platz. Die Dienstleistung einer Panoramafahrt entlang des Seerheins darf für Konstanz kein Zuschussgeschäft werden. Anstatt das Omnibusfahren abzuwerten, sollten wir es kontinuierlich attraktiver machen. Davon profitieren nicht nur die Gäste unserer Stadt, sondern auch deren Bewohner:innen und das Klima.
Abschließend noch, wie es ohne Wasserbus ablaufen könnte: Zu Spitzenzeiten fährt alle 15 Minuten ein E-Bus aus dem Industriegebiet mit Haltestellen in der Line-Eid-Straße (Großhotels), beim Europa-Parkhaus, beim ZOB und am Sternenplatz. Die Route führt über die alte Rheinbrücke zu allen Haltestellen entlang des Altstadtrings und wieder zurück. Dank Verkehrslenkung und Busspuren sind Staus die Ausnahme. Alle Passagier:innen kommen genau dort hin, wo sie wollen. Nach durchschnittlich 7,5 Minuten Wartezeit am Parkhaus erreichen sie jeden Punkt der Altstadt in sieben bis zwölf Minuten: Das ist über eine halbe Stunde schneller als mit dem Wasserbus. Die gewonnene Zeit können unsere Gäste zum Flanieren, Einkaufen oder für Museumsbesuche nutzen.
Text: Richard Bartscher für Fridays for Future Konstanz
Bilder: Das Modell eines neuen Wasserbusses haben wir der Website Baidmaritime entnommen / Youtube-Film: Screenshot / Anlegestelle: Pit Wuhrer
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