
Luigi Pantisano, der seit diesem Jahr im Bundestag sitzt, skizziert im Gespräch sein Verständnis einer linken Politik, die dem Rechtsextremismus den Wind aus den Segeln nimmt.
Teil 1/2
seemoz: Viele Menschen haben mittlerweile den Eindruck, dass die rechtsradikale Bewegung immer stärker wird und dass sich die AfD in Kommunen, Ländern und Bund zu einer beherrschenden politischen Kraft entwickelt. Glaubst du, dass dagegen ein Kraut gewachsen ist?
Luigi Pantisano: Im Bundestag sitzen mir diese 150 Leute der AfD direkt gegenüber. Und das mir, der ich auf Demos gegen die Rechten großgeworden bin. Aber das Plenum, in dem sie als geschlossener Block auftreten, ist ja nur die eine Seite. Die begegnen mir überall, auf dem Flur, in der Mensa, sogar auf dem Klo. Und das ist nicht irgendein Heinz Müller, der konservativ und dann am Ende irgendwie bei der AfD gelandet ist. Die im Bundestag sind nicht irgendwer, sondern sie sind die führenden Personen, sie sind die Köpfe und einige von ihnen sind auch die bekanntesten Gesichter des deutschen Rechtsextremismus …
seemoz: Eine starke Vertretung im Parlament bringt natürlich einen massiven Auftrieb.
Luigi Pantisano: Du musst bei der Präsenz im Bundestag daran denken, dass allein diese 150 Abgeordneten 300 Millionen Euro pro Jahr bekommen. Nur die Abgeordneten wohlgemerkt, dazu kommen noch die Gelder für die Fraktion und den sonstigen Apparat. Genau wie jede*r andere Abgeordnete erhält jede*r von ihnen 26.000 Euro pro Monat, mit denen er oder sie bis zu acht Mitarbeiter*innen einstellen kann. Damit kann die Partei im ganzen Lande feste Strukturen aufbauen.
Wir von der Linken sind 60, sie sind mehr als doppelt so viele. Genauso wie wir unsere Organisation aufbauen, Haustürbesuche unternehmen, Veranstaltungen organisieren, genauso machen die das natürlich auch. Das stärkt die rechtsextreme Szene, die ja durch und durch mit der AfD verbunden ist, im ganzen Land. Die Rechten schaffen im Moment neue Strukturen, gewinnen junge Menschen, und das alles verfestigt sich. Die AfD ist der parlamentarische Arm des rechtsradikalen Terrors im Land. Diese Rolle nimmt sie sehr bewusst ein.
seemoz: Ein Verbot würde wohl nichts bewirken, weil die menschenfeindlichen Grundüberzeugungen in Teilen der Bevölkerung dadurch nicht verschwinden würden?
Luigi Pantisano: Ich bin ein glühender Befürworter des AfD-Verbots, allein schon weil dann die staatliche Unterstützung für die Partei wegfiele. Wir müssen verhindern, dass der parlamentarische Arm des Rechtsradikalismus mit Steuergeldern aufgepäppelt wird. Das Verbot wird den eigentlichen Rechtsextremismus allerdings nicht verhindern, den wird es immer geben.
Zur Person
Luigi Pantisano, geboren am 28. Juli 1979 in Waiblingen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Er wurde als Sohn italienischer Eltern geboren und wuchs mit seinem Bruder Alfonso Pantisano zwischenzeitlich in Kalabrien auf. Nach dem Besuch der Staufer Haupt- und Werkrealschule in Waiblingen und einer Ausbildung zum Bauzeichner von 1995 bis 1998 studierte Pantisano von 2000 bis 2005 Architektur an der Hochschule für Technik Stuttgart und dem Institute of Technology in Tokio. Sein anschließendes Studium der Stadtplanung an der Universität Stuttgart (HfT) schloss er 2008 als Diplom-Ingenieur ab.
Von 2009 bis 2014 arbeitete er als Quartiersmanager im Konstanzer Berchengebiet, von 2011 bis 2015 war er akademischer Mitarbeiter für Forschung und Lehre am städtebaulichen Institut der Universität Stuttgart. Seit 2015 nahm er verschiedene Lehraufträge an den Universitäten Stuttgart und Konstanz sowie an der HfT Stuttgart und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) wahr. Luigi Pantisano ist seit Langem sozial und politisch engagiert. 2005 bis 2015 war er Initiator der „Jugendkulturwoche gegen Rassismus im Rems-Murr-Kreis“, 2010 bis 2014 Mitgründer und Vorstand des Quartiersvereins „Miteinander in Konstanz e.V.“. 2013 bis 2014 fungierte er als Botschafter für die Einbürgerungskampagne des Landes Baden-Württemberg; 2016 bis 2020 war er Initiator der „Wochen gegen Rassismus“ in Stuttgart.
2016 wurde er für die Wählergruppe Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) Mitglied des Stuttgarter Gemeinderats, dem er bis 2025 angehörte. 2017 trat er der Linkspartei bei, von 2017 bis 2025 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter von MdB Bernd Riexinger. 2020 kandidierte er für das Amt des Oberbürgermeisters in Konstanz und unterlag im zweiten Wahlgang dem Amtsinhaber Ulrich Burchardt.
Bei der Bundestagswahl 2025 kandidierte Luigi Pantisano im Wahlkreis Stuttgart I und zog über Platz 2 der Landesliste in den Bundestag ein. Im Bundestag ist er ordentliches Mitglied im Verkehrsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie im Ausschuss für Kultur und Medien. Am 24. Juni 2025 wurde er zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Leiter des Arbeitskreises für Wohnen, Mobilität und Klimaschutz gewählt.
Pantisano ist Mitglied der Architektenkammer Baden-Württemberg, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg e.V. und von Miteinander in Konstanz e.V.
seemoz: Was lässt sich gegen die Rechten in der gegenwärtigen Situation tun?
Luigi Pantisano: Man kann in den sozialen Medien gegen sie angehen, man kann, wie ich das ja schon aus dem Gemeinderat in Stuttgart her kenne, mit Zwischenrufen arbeiten, man kann sie stören, man kann sie auslachen, man kann ihnen widersprechen, wenn sie dort etwas sagen. Das ist die erste, die verbale Ebene.
Am wichtigsten ist die zweite Ebene, die politische Arbeit, wie wir sie jetzt mit aller Kraft leisten. Wir versuchen, überall im Land vor Ort präsent zu sein und Boden zurückzugewinnen. Wir möchten, dass die Menschen durch unsere politische Arbeit wieder Vertrauen in die Politik bekommen.
Und drittens müssen wir den Bürgerlichen und der Mitte, die immer weiter nach rechts rücken, Druck machen, zumindest SPD und Grünen, damit sie von diesem Weg abkommen.

seemoz: In Wahlkampfzeiten ist mittlerweile die Flüchtlingspolitik ein beherrschendes Thema, das immer wieder von der AfD besetzt wird, die damit die anderen Parteien vor sich herzutreiben versucht.
Luigi Pantisano: Die AfD hat nicht unrecht, wenn sie sagt, dass die anderen Parteien jetzt ihr ursprüngliches Programm politisch umsetzen. Mit uns hingegen will, obwohl wir die Hand immer wieder weit ausgestreckt haben, niemand wirklich zusammenarbeiten, weil wir angeblich die bösen Linksradikalinskis sind. Dabei müssten sich in dieser Situation alle anderen Parteien und Organisationen trotz aller politischen Differenzen gemeinsam gegen diese Entwicklungen stellen.
An der Debatte um die Regenbogenfahne siehst du, wie viel sich verschoben hat. Eine SPD-Ministerin weigert sich, die Fahne aufzuhängen, und Kanzler Merz redet von einem „Zirkuszelt“. Du kannst international überall beobachten, dass der Angriff über queere Menschen und Geflüchtete beginnt. Das ist kein Zufall, denn die Mehrheit der heteronormativen einheimischen Bevölkerung ist davon nicht betroffen und kann wegschauen.
Aber das ist nur der Beginn, denn dann kommen die Arbeiter*innen, die Obdachlosen und andere Gruppen dran. Dass CDU und SPD da mitmachen, ist ein ganz großes Problem. Deshalb ist es auch so wichtig, dass es uns gibt.
seemoz: Was macht Ihr anders?
Luigi Pantisano: Wir Linken machen diese Debatten nicht mit, sondern müssen die Empörung auf die Themen lenken, um die es wirklich geht: zum Beispiel die steigenden Mieten, die Stromsteuer oder dass das Deutschland-Ticket teurer wird. Wir Linken müssen nicht nur die Stimme all derer sein, die jetzt bereits betroffen sind, sondern wir müssen uns dieser Entwicklung mit all unseren Möglichkeiten widersetzen.
seemoz: Was sind denn Deine Schwerpunkte im Parlament?
Luigi Pantisano: Mich machen zwei Dinge aus: die Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik einerseits und der Kampf gegen den Rechtsradikalismus andererseits. In all den Sitzungen, um welches Thema auch immer es geht, ist das Fazit der AfDler*innen: „Ausländer raus!“ Und sie sind nicht ungeschickt, denn sie argumentieren durchaus aus der Perspektive von Menschen, die unter etwas leiden. Allerdings sind ihre Lösungen völlig inakzeptabel.
Wir hingegen müssen erreichen, dass die Menschen richtig hingucken. Dass sie sehen, die Reichen und Superreichen sind das Problem, eine falsche Steuerpolitik ist das Problem, der Geldmangel der Kommunen ist das Problem, raffgierige Politiker*innen, die ihr Gehalt verdoppeln oder verdreifachen, sind das Problem, Lobbygruppen sind das Problem. Das ist der Grund, warum es mir schlechter geht – und nicht etwa die Ausländer*innen. Deshalb machen wir so viele Aktionen und sprechen regelmäßig die wichtigen Sozialthemen an.
Das Gespräch führten Harald Borges und Iulia Danis, Bilder: Die Linke TB
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