Richmond swk fähre 2025 © pit wuhrer

Wie umweltfreundlich ist die Gasfähre „Richmond“?

Richmond swk fähre 2025 © pit wuhrer
Auch diese Woche immer wieder außer Betrieb: die Fähre „Richmond“ in Staad

Nach Pleiten, Pech und Pannen pendelt die neueste Autofähre am See, die gasgetriebene „Richmond“, nun seit einigen Wochen zwischen Konstanz und Meersburg. Die Stadtwerke bewerben den Betrieb ihres Schiffs als „weitgehend treibhausgasneutral“. seemoz schaut näher hin, was es damit auf sich hat: Woher kommt der Treibstoff für die Gasfähre?

Im Dezember 2014 erfuhr die Öffentlichkeit erstmals aus dem Südkurier von den Plänen der Stadtwerke, ein weiteres Fährschiff bauen zu lassen. Die Art des Antriebs war zunächst noch offen. Man habe eine Zeit lang mit einem Elektroantrieb als Pilotprojekt geliebäugelt, heißt es im Bericht, doch diese Idee wieder verworfen. 

Ein Jahr später war die Entscheidung dann für einen Gasantrieb gefallen. Stolz präsentierte Stadtwerkechef Norbert Reuter einen Förderbescheid des Bundesverkehrsministeriums, der einen Zustupf von gut einer Million Euro für die Entwicklung eines neuartigen Gasmotors versprach. Nach Möglichkeit wolle man die Fähre mit Biogas füttern, „Durch den Einsatz von Biogas wird aus dem guten Projekt ein erstklassiges“, lobte der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung.

Und legte damit eine falsche Spur, die andere dann noch zu „Antrieb mit Biogas aus der Region“ ausbauten. Viele Landwirt:innen verdienen sich heute ein Zubrot, indem sie Gülle und Grünschnitt vergären und mit dem so erzeugten Biogas einen Verbrennungsmotor betreiben. Ein nachgeschalteter Generator erzeugt daraus Strom, der gegen entsprechende Vergütung ins Netz einspeist wird.

Vom Biogas zum Biomethan

Doch dieses Biogas ist ein wildes Gemisch. Neben der Hauptkomponente, dem Brennstoff Methan (CH4), enthält es etwa zur Hälfte auch unerwünschtes Kohlendioxid (CO2), Schwefelwasserstoff (H2S) Ammoniak (NH3) und andere Gase. Für eine herkömmliche Gasheizung oder einen Küchenherd taugt es nicht, auch Autos oder eben Schiffsmotoren lassen sich damit nicht antreiben. Dazu braucht es, will man nicht auf fossiles Erdgas zurückgreifen, Biomethan mit einem Methananteil von mindestens 90 Prozent.

Biogasanlagen gibt es viele. Anlagen, die Biogas von den unerwünschten Beimischungen trennen und zu Biomethan veredeln, sind teuer und selten. Der Energieversorger Badenova bereitet seit 2012 in einem Gewerbepark bei Freiburg Biogas zu Biomethan auf und speist dieses ins Erdgasnetz ein. Eine vergleichbare Anlage arbeitet seit 2021 in Tägerwilen[https://bioenergie-taegerwilen.com/index.html].

Die 2024, also zehn Jahre nach Planungsbeginn, schließlich in Betrieb genommene Gasfähre „Richmond“ kann mit Gas aus der Leitung freilich nichts anfangen. Sie benötigt Flüssiggas (LNG) oder flüssiges Biomethan (LBM). LNG oder LBM entstehen, indem das Gas bis unter seinen Siedepunkt (minus 161 Grad Celsius) gekühlt wird. Sein Volumen reduziert sich dabei auf ein Sechshundertstel der Gasform.

Eingesetzt wird die energieintensive Verflüssigung vor allem für den Schiffstransport. Während Algerien und Norwegen ihr Gas durch Pipelines auf dem Meeresgrund nach Europa schicken können, müssen Produzenten wie Qatar, die USA und seit den EU-Sanktionen auch Russland ihr Erdgas als verflüssigtes LNG verkaufen, das in den europäischen Häfen dann wieder durch Aussetzen der Kühlung in Gasform gebracht und ins Netz eingespeist wird.

LNG ist damit ein gängiges Produkt, das natürlich auch in genormten Containern über Land transportiert werden kann. So meldete der Südkurier noch im Juni 2024: „Bislang kommen die Tanks mit dem LNG per Schiff aus dem arabischen Raum in Rotterdam an und werden mit dem Lastwagen bis nach Konstanz geliefert.“ Um fortzufahren, im Sinne der Nachhaltigkeit sei stattdessen eine lokale Lösung wünschenswert, denn nur regional produziertes und verflüssigtes Biogas (gemeint war Biomethan) ermögliche eine wirkliche klimafreundliche Klimabilanz der „Richmond“.

Jetzt Flüssiggas aus aller Welt

Fachkundige hätten von Anfang an wissen müssen, dass es weit und breit keinen Anbieter von flüssigem Biomethan (LBM) gibt. Wozu energieintensiv verflüssigen, wenn man Biomethan auch als Gas ins Netz speisen und verkaufen kann, wie es Badenova, die EWS Schönau oder die Bioenergie Tägerwilen tun?

Biogas wipptal © biogas wipptal

Im Juli 2024 konnten die Stadtwerke dann überraschenderweise doch vermelden, einen Lieferanten für LBM gefunden zu haben: Die Biogas Wipptal bei Sterzing auf der Südtiroler Seite des Brenners und damit etwa 300 Kilometer von Konstanz entfernt. Diese inzwischen europaweit als Vorbild herumgereichte Anlage war ursprünglich gebaut worden, um die überschüssige Gülle der Wipptaler Bäuer:innen zu verarbeiten. Andernfalls hätte mancher Bauernhof, um die Gewässerschutzrichtlinien einhalten zu können, seinen Viehbestand reduzieren müssen.

Die Biwi, wie sie heute heißt, stellt aus Gülle und Mist von Biobauern Trockendünger her, der im Wein- und Obstbau eingesetzt werden kann. Das bei der Vergärung entstehende Biogas wird dann, wie in Tägerwilen, zu Biomethan aufgearbeitet – in der letzten Stufe aber, und das ist der entscheidende Unterschied, zu LBM verflüssigt. An der Biwi beteiligte Speditionen nutzen es als Treibstoff für ihre Lkw-Flotte und bringen es in Tankwagen an den Bodensee.

Das Problem mit der Verflüssigung

Bei dieser ökologisch sauberen Lösung hätte es bleiben können, wären da nicht die Kosten – und die Möglichkeit der Massenbilanzierung von Biomethan. Das geht so: Produzent A, lassen wir ihn in Niedersachsen Schweinegülle verarbeiten, speist eine gewisse Menge Biomethan ins Erdgasnetz und hinterlegt dafür bei der Deutschen Energie-Agentur (DENA) Zertifikate. Händler B, bei dem die Stadtwerke ihr „Biomethan“ einkaufen, entnimmt Zertifikate für die den Konstanzern aus dem Netz gelieferte Menge Gas – das physisch natürlich nicht mehr das in Niedersachsen eingespeisten Biomethan ist, sondern dem Durchschnitt des irgendwo ins europäische Gasnetz eingespeisten Erdgases entspricht. Größter Gaslieferant der EU ist weiterhin Norwegen, gefolgt von den USA und noch immer Russland. Biomethan, zumal aus Deutschland, spielt nur eine Nebenrolle. 

Anders als beim Bezug aus dem Wipptal bleibt beim massenbilanzierten Biomethan das Problem, dass dieses nur als Gas dem Netz entnommen werden kann, die „Richmond“ aber flüssiges Biomethan benötigt. Per Schiff gebrachtes Flüssiggas in Gasform zu verwandeln, ist energetisch ein Selbstläufer (man muss nur die Kühlung abstellen) und in den LNG-Häfen gängige Praxis. Der umgekehrte Weg indes, gasförmiges Erdgas durch Kühlung zu verflüssigen, braucht viel Energie und ist abseits der Erdgasproduktion eher unüblich.

Doch auch solche Anlagen gibt es an der Nordsee; sie verflüssigen europäisches Pipelinegas etwa für den Transport nach Afrika. So fährt die „Richmond“ heute nicht mehr mit LBM aus dem Wipptal, sondern mit massenbilanziertem Biomethan, das im belgischen Zeebrügge von der Firma Fluxys aus dem Netz entnommen, zu LNG verflüssigt, sodann in Container gefüllt und per Lkw nach Konstanz gebracht wird.

Kosten sparen dank chinesischen Betrügereien

Bleibt die Frage, warum massenbilanziertes Biomethan samt den Kosten für die Verflüssigung und den langen Transportweg so viel billiger ist als das LBM aus dem Wipptal. Die Biomethannachweise werden hauptsächlich als Treibhausgasminderungszertifikate (kurz: THG-Zertifikate) gehandelt. Diese werden in einer Art umweltpolitischem Ablasshandel von Unternehmen gekauft, die ihre von der Politik vorgegebenen Klimaziele selbst nicht erreichen können, zum Beispiel von Mineralölkonzernen.

Nun überschwemmte im letzten Jahr eine Menge von offenbar gefälschten THG-Zertifikaten aus China den Markt, worauf der Preis pro Zertifikat, mit dem sich eine eingesparte Tonne CO2 nachweisen lässt, von zuvor 300 Euro auf unter 100 Euro fiel. Das trieb etwa das Biomethanunternehmen Landwärme, einen der größten deutschen Händler mit THG-Zertifikaten, in die Insolvenz.

Die Stadtwerke Konstanz machten sich den Preisverfall für die Zertifikate zunutze und betreiben die „Richmond“ nun statt mit dem Wipptaler „echten“ Biomethan nurmehr mit massenbilanzierten LBM, das in Wahrheit nichts anderes ist als herkömmliches fossiles Erdgas, das zunehmend mit den besonders umweltschädlichen Fracking-Verfahren gewonnen wird.

Immerhin hat Stadtwerkechef Gordon Appel die Hoffnung noch nicht aufgegeben, die „Richmond“ dereinst doch noch mit flüssigem Biomethan aus der Region betreiben zu können. Es gebe erste Ideen, nicht allzu weit vom See eine Verflüssigungsanlage zu bauen. Im Sommer wisse man mehr darüber.

Der unvermeidliche Methanschlupf

Außer den geringeren Kosten führen die Stadtwerke auch „energetische Gründe“ für den Wechsel zu massenbilanziertem LBM an. „Das bei uns angelieferte Methan wird zentral in großen, effizienten Anlagen verflüssigt. Die spezifischen Emissionen größerer Anlagen werden als geringer angenommen als die kleinerer Verflüssigungsanlagen“, schreiben die SWK in ihrer Antwort auf eine seemoz-Anfrage. Dies lenkt den Blick auf den sogenannten Methanschlupf, nämlich dem unerwünschten Entweichen von Methan in die Atmosphäre. Es zerfällt dort mit dem Sauerstoff der Luft zu Wasser und CO2. und hat so, ob bio oder nicht, einen erheblichen Anteil am Treibhausgaseffekt. Freigesetztes Methan gilt als 20- bis 30 Mal schädlicher als die entsprechende Menge CO2.

Fähre richmond © stadtwerke konstanz
Ab und zu unterwegs: die Fähre „Richmond“

Über das beim Fracking freigesetzte Methan hinaus rechnet die EU für Schiffe mit einem weiteren Methanschlupf von 3,1 Prozent beim Befüllen und beim Betrieb. Technisch bedingt setzen gasgetriebene Ottomotoren zwischen ein und zwei Prozent des in den Motor gelangten Gases unverbrannt wieder frei.

Bei den beiden modernen, in der „Richmond“ verbauten Aggregaten der MTU 4000er-Reihe mag der Verlust etwas geringer sein. Gänzlich vermeiden lässt er sich nicht. Der Motor hat deshalb eine zweite, gasdichte Hülle und zudem ein auffällig hohes Abluftrohr, durch den das Methan bei einem Störfall ohne Gefahr für Mannschaft und Passagiere abgelassen werden kann.

Heute weiß man’s besser

Trotz aller Mängel sind die treibhausgasrelevanten Emissionen der „Richmond“ sicherlich geringer als bei ihren Schwesterschiffen mit Dieselantrieb. Es entstehen auch keine Rußpartikel und Stickoxide. Dennoch war der damalige Entscheid für eine Gasfähre im Nachhinein eine kaufmännische wie klimapolitische Fehlentscheidung. Heute würde man stattdessen auf einen vollelektrischen Schiffsantrieb setzen. Die 27,5 Millionen Euro, die das Schiff letztlich kostete, hätten, an anderer Stelle eingesetzt, mehr Wirkung für den Klimaschutz erzielt.

Luft nach oben gibt es in der Umsetzung des Versprechens vom „weitgehend treibhausgasneutralen“ Betrieb des Schiffs. Statt für die „Richmond“ LNG aus aller Welt vom Ärmelkanal nach Konstanz karren zu lassen, täten die Stadtwerke besser daran, das Schiff wieder mit echtem, also nicht nur massenbilanziertem flüssigen Biomethan zu betanken.

Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos: Pit Wuhrer / Stadtwerke Konstanz / Bildergalerie Biogas Wipptal

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert