Landratsamt torkelgebäude benediktinerplatz kn © pit wuhrer

Wer zahlt für die Konstanzer Jugendhilfe?

Von Ralph-Raymond Braun
Landratsamt torkelgebäude benediktinerplatz kn © pit wuhrer
Noch stehen sie friedlich nebeneinander: das Landratsamt (links) und das Jugendamt im Torkelgebäude

Mit einer neuen Satzung will der Landkreis die Erstattungen für die von der Stadt geleistete Jugendhilfe reduzieren. Damit würden dem ohnehin klammen städtischen Haushalt weitere Millionen fehlen. Ob das rechtens ist, werden letztlich die Gerichte entscheiden.

Mitten in die Vorbereitungen zur Hundertjahrfeier des Konstanzer Sozial- und Jugendamts platzte am 31. Januar des Jubiläumsjahres 2025 eine schlechte Nachricht: Der Landkreis übersandte den Entwurf einer neuen Satzung zur Kostenerstattung im Bereich der Jugendhilfe – und will künftig weniger zahlen.

Zum Hintergrund: Als einzige Stadt in Baden-Württemberg, die einem Landkreis angehört, leistet sich Konstanz ein eigenes Sozial- und Jugendamt. Überall sonst erledigen die Land- und Stadtkreise diese Aufgabe. Das baden-württembergische Kinder- und Jugendhilfegesetz sieht für den Sonderfall einer kreisangehörigen Gemeinde als Träger der örtlichen Jugendliche jedoch vor, dass der Landkreis den „erforderlichen Aufwand“ und zwei Drittel der Personalkosten ersetzt: „Der Ersatz wird vom Landkreis festgesetzt.“

Die neue Satzung des Landkreises, über die am 8. Dezember der Kreistag final abstimmen wird, bringt der klammen Stadt gegenüber den bisherigen Regelungen einen Einnahmeverlust von rund zwei Millionen Euro.

Entbürokratisierung und Gleichbehandlung?

Bisher erstattet der Kreis über das gesetzliche Minimum hinaus im Bereich der ambulanten Leistungen auch die Kosten der sozialen Gruppenarbeit bei älteren Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen (§ 29 SGB VIII), der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung (§ 35a) und die Schulbegleitung und Schulsozialarbeit (§ 27 Abs. 3).

Den „erforderlichen Aufwand“ bestimmte bei den Pflicht- wie bei den freiwilligen Erstattungen das Jugendamt der Stadt, indem es die Kosten der von ihr genehmigten Maßnahmen an den Landkreis weiterreichte. Das möchte die Kreisverwaltung nun ändern und argumentiert dabei auch mit Entbürokratisierung und der Gleichbehandlung aller Kinder im Landkreis.

Nach dem neuen Modell ermittelt künftig nicht mehr die Stadt, sondern der Landkreis den „erforderlichen Aufwand“. Dazu nimmt er die Kosten des eigenen Aufwands für die Jugendhilfe in allen Kreisgemeinden außer Konstanz, teilt sie durch die Anzahl der dort lebenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und errechnet so eine Kopfpauschale. Die wird mit der Anzahl der in Konstanz lebenden Einwohner:innen im Alter bis 21 Jahren multipliziert und so der Erstattungsanspruch der Stadt gegenüber dem Landkreis festgelegt. 

Immerhin fließen in die Berechnung der Pauschale auch weiterhin die oben erwähnten freiwilligen ambulanten Leistungen ein. Dazu gibt es eine Öffnungsklausel für besonders teure Einzelfälle. 

Ein Gericht soll’s richten

Man kann sich denken, dass die Stadt mit diesem neuen Berechnungsmodus nicht einverstanden ist. Ihre Stellungnahme zur neuen Satzung kennen wir nur indirekt, insoweit die darin vorgetragenen Argumente in der Beschlussvorlage zur Kreistagssitzung wiedergegeben werden. Demnach wendet die Stadt ein, dass zum einen „der erforderliche Aufwand“ eben durch die ihr tatsächlich entstehenden Jugendhilfekosten abgebildet werde.

Zum anderen wendet die Stadt ein, „dass die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen in der Stadt nicht mit den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen im gesamten Landkreis verglichen werden können.“ Was plausibel erscheint. Vielleicht sind die auf die Zahl junger Einwohner:innen umgerechneten Kosten der Jugendhilfe in Konstanz noch mit denen in Singen vergleichbar, mit Sicherheit aber höher als etwa in Büsingen. Denn die Sozialstrukturen und Lebenslagen in einer Stadt sind nun mal komplexer als im ländlichen Raum. Die von Landrat Zeno Danner im vorbereitenden Kreisjugendhilfeausschuss vorgebrachte biografische Evidenz, in Konstanz behütet harmonisch aufgewachsen zu sein, ist da kein überzeugender Gegenbeweis.

Halten wir die Logik noch einmal fest: Der Kreis widerspricht der Ansicht der Stadt, den „erforderlichen Bedarf“ dem tatsächlichen Bedarf (der Stadt) gleichzusetzen. Und stellt dem eine Berechnung gegenüber, die den „erforderlichen Bedarf“ aus dem tatsächlichen Bedarf (des Kreises ohne Konstanz) errechnet.

Im Kreisjugendhilfeausschuss, der dem Kreistag bei fünf Enthaltungen ohne Gegenstimmen die Annahme der neuen Satzung empfahl, zogen sich die Redner:innen der Fraktionen auf den Standpunkt zurück, die strittige Frage des „erforderlichen Bedarfs“ sei eine juristische, keine politische. Auch der Konstanzer Sozialbürgermeister Andreas Osner kündigte an, den Dissens auf gerichtlichem Wege klären zu wollen.

Fotos: Pit Wuhrer

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