
Das Konstanzer Nahwärmenetz bei der Bodensee-Therme ist das erste Wärmenetz-Projekt der Stadtwerke. Und auch wenn es im Vergleich zu den anderen geplanten Vorhaben recht klein ist, geht es offenbar nicht ohne die Kooperation mit einem renditeorientierten Unternehmen.
In der Planung für den Bau eines Wärmenetzes an der Bodenseetherme gab es kürzlich einen großen Schritt in Richtung Konkretisierung. Mit 33 Ja-Stimmen und 6 Enthaltungen stimmte der Gemeinderat in seiner Sitzung am 22. Mai für die Gründung einer neuen Gesellschaft: die Wärmeversorgung Bodensee-Therme GmbH. Diese soll zu jeweils 50 Prozent in Hand der Stadtwerke Konstanz SWK und zu 50 Prozent in der des Unternehmens Iqony Energies GmbH liegen; die neue Firma soll sich um Bau und Betrieb eines Wärmenetzes rund um die Bodensee-Therme kümmern. Für den Klimaschutz ist das eine hochrelevante Entscheidung, denn der Wärmebereich ist mit 46 Prozent aller Emissionen im Stadtbereich der wichtigste Klimaschutzsektor. Knapp die Hälfte dieser Emissionen soll künftig durch den Bau von bis zu sechs Wärmenetzen vermieden werden.
Mit dem Entscheid wird es nun konkreter für das kleinste und in der Planung am weitesten fortgeschrittene der für die Konstanzer Kernstadt geplanten Wärmenetze. Für alle Wärmenetze zusammen veranschlagen die Stadtwerke für sich eine Investitionssumme von über einer halben Milliarde Euro, wie Gordon Appel, Co-Chef der SWK, in der Gemeinderatssitzung erläuterte. Für das Netz rund um die Therme rechnen die SWK mit – im Vergleich zur Gesamtsumme relativ geringen –Investitionsbeträgen von 20 Millionen Euro.
Betrieben werden soll das Netz hauptsächlich von einer einzelnen Großwärmepumpe von 4,75 Megawatt, die den See als Wärmequelle nutzt. Lediglich die Spitzenlast – die SWK rechnen hier mit 10–25 Prozent der Gesamtwärme – soll mit Erdgas gedeckt sein.
Von der Steinkohle zum Privat-Equity-Investor
Mit dem neuen Gesellschafter erhofft man sich nun den Schritt ins Konkrete. Laut Plan soll bis Ende des Jahres die neue Gesellschaft stehen; nächstes Jahr werden die nötigen Bundesförderanträge gestellt; in drei Jahren, also 2028, beginnt der Bau des Netzes. In Betrieb gehen soll es 2029.
Der neue Partner Iqony Energies GmbH ist einer der größten Betreiber für Wärmenetze in Deutschland, der zur Zeit in 25 Kooperationen 740 Kilometer Wärmenetz in Deutschland unterhält und damit eine Gesamtwärme von 1285 Gigawattstunden (GWh) bereitstellt. Das entspricht dem Bedarf von 220.000 Haushalten. Zum Vergleich: Deutschlands größter Fernwärmebetreiber Vattenfall verfügt über ein Wärmenetz von etwa 2000 Kilometern Länge und beliefert damit 1,3 Millionen Menschen mit Wärme. Das jetzt geplante Wärmenetz bei der Therme soll eine Wärmemenge von 14 GWh benötigen.

Iqony ist die Erneuerbare-Energien-Auslagerung der ehemals Nordrheinischen STEAG (früher Steinkohlen-Elektrizität AG). STEAG ist der fünftgrößten deutsche Stromerzeuger, der in Deutschland noch acht Steinkohlekraftwerke am Laufen hat. STEAG und damit auch Iqony Energies wurden 2023 von den bis dahin kommunalen Besitzern an den spanischen Infrastrukturinvestor Asterion Industrial Partners für rund 2,6 Milliarden Euro verkauft. Asterion – nicht zu verwechseln mit der griechischen Waffenfirma Asterion – ist eine Investmentfirma (Privat-Equity), die sich auf Infrastrukturinvestitionen in Europa spezialisiert hat und aktuell ein Vermögen von etwa fünf Milliarden Euro verwaltet.
Eine „teilweise Beherrschung“
Damit steigt einer der großen europäischen Infrastrukturinvestoren in Konstanz ein. Das bereitete vielen Stadträt:innen Bauchschmerzen. Denn obwohl die Stadtwerke (und damit die Stadt) 50 Prozent der neuen Firma besitzen, also „eine Kooperation auf Augenhöhe“ stattfindet – wie Gordon Appel sagt – mussten die SWK Iqony eine „milde Beherrschung“ zusichern.
„Kritisch anzumerken ist“, schreibt die Verwaltung in der Beschlussvorlage, „dass der IQE [Iqony Energies] bei Meinungsverschiedenheiten über den Wirtschaftsplan sowie bei weiteren Entscheidungen, für die eine einfache Mehrheit ausreicht, die Letztentscheidung obliegt. Diese Struktur führt zu einer faktischen teilweisen Beherrschung der Gesellschaft durch die Iqony Energies GmbH.“ Dies sei marktüblich und bewusst in Kauf genommen, „um die Projektumsetzung zu sichern und einen fachlich kompetenten Partner zu gewinnen.“
Der neue „kompetente Partner“ soll sich dann auch in der neuen Firma um das kümmern, was er am besten kann. Projektentwicklung und -planung für die Anschaffung und den Bau von Großwärmepumpen und Wärmenetzen, während sich die Stadtwerke um das kümmern, was sie am Besten können: Kundenservice, Vertrieb und alles, was sich vor Ort machen lässt. Eigene Mitarbeiter:innen hat die neue Firma übrigens keine. Alles, was benötigt wird, soll von Dienstleistern, darunter fallen auch die SWK und IQE, eingekauft werden.
Besser als der Thüga-Deal?
Demokratischen Einfluss auf die neue Firma soll nach dem Willen vieler Gemeinderatsmitglieder ein Beirat ausüben, der die Geschäftsführung überwacht. Die Geschäftsführung soll mit einem technischen und einem kaufmännischen Geschäftsführer besetzt werden sowie jeweils einem Prokuristen, gestellt zu gleichen Teilen von SWK und IQE. In der Fachsprache heißt das dann „Überkreuzbesetzung“. Für den Beirat sollen beide Parteien je drei Mitglieder stellen dürfen. Die FGL/Grüne-Fraktion regte an, den SWK-Anteil des Beirats mit zwei Gemeinderatsmitgliedern und einer Belegschaftsvertretung zu besetzen.

Damit steigt ein großer Investor mit Knowhow in einen Teil der Konstanzer Wärmewende mit ein. Die Stadtwerke hatten bereits länger verlauten lassen, dass sie die städtische Wärmewende nicht alleine angehen können. Insofern war dieser Schritt schon länger zu erwarten und hilft hoffentlich, etwas Tempo in die Umsetzung zu bringen.
Die Gefahr einer zu großen Renditeausrichtung schwingt dennoch mit. Letztendlich gibt die Stadt mit der neuen Gesellschaft einen Teil der Kontrolle ab. Der große Unterschied zum Thüga-Einstieg ist jedoch, dass der neue Investor erst einmal nur in das abgegrenzte Projekt Wärmenetz Bodensee-Therme einsteigt und nicht in die gesamten Stadtwerke.
Text: Manuel Oestringer
Bild: Iqony Energies / Grafiken: Stadt Konstanz
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