Busse Stadtwerke Konstanz Bahnhof 2021 06 05 ©pit Wuhrer

Verkehrswende rückwärts? Fünf verlorene Jahre

6 Antworten

Busse Stadtwerke Konstanz Bahnhof 2021 06 05 ©pit Wuhrer
Gute Zeiten: Als die Busse vieler Linien noch am Konstanzer Bahnhof hielten


Mit dem Ende der Sommerferien beginnt auch für die Buslinie 11 wieder der Alltag: Montag bis Freitag tagsüber alle halbe Stunde vom Bahnhof Wollmatingen über die Uni zum Fährhafen Staad und wieder zurück. Wer die Verbindung in voller Länge nutzen will, sollte sich jedoch beeilen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember wird der Linienabschnitt Staad – Universität komplett eingestellt.

Die Erwartungen an die Nachfrage hätten sich nicht erfüllt, teilen die Stadtwerke auf seemoz-Anfrage mit. Und die Fahrplankürzungen reichen weiter. Nachdem seit Herbst 2023 die Linie 9C gestrichen ist und die Linien 3 und 12 statt wie zuvor alle 15 nur noch alle 20 Minuten verkehren, ist nun die Linie 1 dran. Begründung: Da die Fähre im Winter nur noch alle zwanzig Minuten pendelt, wird der Bus an den Takt der Fähre angepasst und fährt auch nur noch alle 20 Minuten.

Weniger Angebot – weniger Defizit

Noch 2023 war die Jahresfahrleistung der Roten Arnolds mit 3,47 Millionen Wagen-Kilometern in etwa auf dem Vor-Corona-Niveau (3,51 Millionen Kilometer im Jahr 2019). Betriebswirtschaftlich gedacht, und so denkt wohl auch der mehrheitlich mit Gemeinderät:innen besetzte Aufsichtsrat der Stadtwerke, dessen kapitalistisch geschultes Denkvermögen für die Idee der Gemeinwohlorientierung wohl keinen Raum mehr hat, ist das Kürzen des Angebots eine geeignete Maßnahme, um das Defizit des Busbetriebs zu verringern. Dieses stieg von (2022) 4,28 Millionen Euro auf (2023) 5,5 Millionen Euro. 

Schuld daran, so die Stadtwerke, seien aber weniger die höheren Aufwendungen oder geringeren Ticketverkäufe als vielmehr das Auslaufen der Erstattungen aus dem ÖPNV-Rettungsschirm, mit dem Bund und Land den Verkehrsunternehmen während der Coronakrise unter die Arme griffen. Immerhin bekamen die Stadtwerke in 2023 neben den 8 Millionen Euro Erlösen aus dem Fahrkartenverkauf noch weitere 4,5 Millionen Ausgleichszahlungen für jene Fahrgäste, die mit Gästekarte, Sozialpass, VHB-Ticket, bw-Ticket, Deutschlandticket und dergleichen den Roten Arnold benutzten. Mit der gerechten Zuteilung der verbundübergreifenden Ausgleichszahlungen ist in Stuttgart inzwischen eine ganze Abteilung der landeseigenen Nahverkehrsgesellschaft befasst.

Gemeinwohl statt Betriebswirtschaft

Doch die ausschließlich betriebswirtschaftliche Perspektive greift zu kurz. Der öffentliche Verkehr gehört zur kommunalen Daseinsfürsorge, nicht anders als Feuerwehr, Straßenbau und Schwimmbäder, und wird niemals kostendeckend sein. Noch immer wird der Rote Arnold weniger genutzt als vor Corona. Zählte man im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 14 Millionen Fahrgäste, waren es 2023 erst wieder 12,9 Millionen Passagiere. Um so mehr braucht es Anstrengungen, den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen.

Wer die Verkehrswende und damit den Klimaschutz voranbringen will, muss den ÖPNV ausbauen anstatt ihn zu kürzen. Dazu hat sich der letzte Gemeinderat nicht durchringen können. Die Landesregierung hat sich auf dem Weg zur Klimaneutralität das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Nachfrage im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln. Konstanz bleiben nur noch wenig Jahre, wenigstens ein klein bisschen dazu beizutragen.

Wird die Fähre wieder zum Goldesel?

Positiv ist hingegen die Bilanz der Autofähre Konstanz – Meersburg. Hier gelang es den Stadtwerken, ungeachtet tendenziell sinkender Passagier- und Fahrzeugüberfahrten, mehr Geld einzunehmen, nämlich 18,8 Millionen Euro. Das ist zwar immer noch weniger als im Rekordjahr 2019, doch unter dem Strich blieben 2 Millionen Euro Gewinn.

Das Ergebnis ist indes nur scheinbar gut. Es beruht nämlich, so schreiben uns die Stadtwerke, „im Wesentlichen auf Sondereffekten, wie z. B. geringere Instandhaltungskosten für die Fährschiffe, weil für das Jahr 2023 geplante Landrevisionen aufgrund des niedrigen Bodenseepegels in das Jahr 2024 verschoben werden mussten.“ Mehreinnahmen aufgrund von Preiserhöhungen gegenüber dem Vorjahr würden dagegen weitestgehend durch gestiegene Kosten aufgezehrt.

Die Transportzahlen der Fähre liegen weiterhin deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Hinzu kommt, dass zunehmend mehr Pendler:innen anstatt des PKWs das Fahrrad nutzen oder auf die den See auf der Fähre überquerenden Regio-Busse umsteigen. Im Bus gilt das 49-Euro-Ticket auch für die Überfahrt. 

Beide Faktoren, so heißt es, „verursachen schmerzliche Mindereinnahmen für den Fährbetrieb, die auch durch die gestiegene Zahl von Fahrrad-Transporten nicht kompensiert werden.“ Die höheren Fahrrad-Transportzahlen wie auch ein leichter Zuwachs bei den beförderten Personen führen die Stadtwerke auf den wieder gestiegenen touristischen Verkehr in den Sommermonaten zurück. 

Kritisch beurteilen die Stadtwerke eine Initiative der SPD, die unter dem Stichwort See-Ticket Fähre und Katamaran in das ÖPNV-Gesetz einbeziehen möchte. Damit wären dann auch das Deutschlandticket oder die Verbundfahrausweise von VHB und Bodo auf den Schiffen gültig. Doch damit entstünden den Stadtwerken Einnahmeausfälle, die von den Aufgabenträgern des ÖPNV (Land oder Landkreis) auszugleichen wären. 

Es geht voran. Irgendwann.

Wie geht es weiter? „Sobald die Rahmenbedingungen es zulassen“, schreiben die Stadtwerke in einer Sommerloch-Medienmitteilung, „werden jetzt an der Laube endende Buslinien wieder über den Bahnhofsplatz geführt“. Doch wann wird das sein? Die Stadt habe eine Bauzeit bis Ende 2025 avisiert, heißt es auf Nachfrage. „Die Haltestellen müssen in beide Richtungen befahrbar sein und es braucht ausreichend Abstellflächen für Bus und natürlich Fahrgäste.“

Anhaltendes Schweigen herrscht zur besseren Anbindung des Fernbusbahnhofs Brückenkopf Nord an den Stadtverkehr. Hier werden die Bürger:innen auf die Fortschreibung des zuletzt 2015 beschlossenen Nahverkehrsplans vertröstet. Also wohl auf 2027, wenn die aktuelle Konzession für den Stadtbusbetrieb ausläuft. 

Bis dahin sind dann auch das neue Parkhaus der Stadtwerke (745 Stellplätze auf 17 Halbgeschossen) und das Asisi-Panorama fertig, und man darf hoffen, dass die dem Handel und der Gastronomie nahen Gemeinderät:innen dann endlich eine bessere Anbindung ans Stadtzentrum durchgesetzt haben werden.

Vorschläge für die Schublade

Es mangelt nicht an Vorschlägen, wie sich Attraktivität und Fahrgastaufkommen des Roten Arnolds steigern ließen. Da gibt es die seinerzeit im Rausch des frisch ausgerufenen Klimanotstands beauftragte ÖV-Potenzialstudie. Dann ein von Corona durchkreuztes „Maßnahmenpaket ÖPNV 2020“ der Stadtwerke. 

Beide Programme schlagen zahlreiche Maßnahmen vor, mit denen mehr Menschen zum Umstieg vom Auto in den Bus bewegt werden könnten. Und beziffern auch die bei jedem Schritt entstehenden Kosten. „Die Entscheidung über die umzusetzenden Szenarien inklusive deren Finanzierung muss durch die Stadt Konstanz getroffen werden“, heißt es indes im Maßnahmenpaket 2020. Das wohl deshalb ganz tief in Schubladen der Verwaltung verschwunden ist.

Von der Nahverkehrsabgabe zum Mobilitätspass

Die Idee, Autofahrer:innen mit einer Nahverkehrsabgabe zur Kasse zu bitten und zum Kauf von Zeitkarten für Bus und Bahn zu bewegen, stammt ausgerechnet von der CDU. Deren Ministerpräsident (1978 bis 1991) Lothar Späth ließ damals Fachleute ein entsprechendes Konzept ausarbeiten. Umgesetzt wurde es nie. 

Erst im grün-schwarzen Koalitionsvertrag 2021 tauchte die Nahverkehrsabgabe wieder auf, jetzt von den Grünen forciert und mit dem Label „Mobilitätspass“ versehen. Damit will das Land den Kommunen die Möglichkeit geben, mit einer Nahverkehrsabgabe den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zu finanzieren. Modellprojekte wurden erprobt und evaluiert. Sekundiert von nörgelnden Handwerks-, Industrie- und Unternehmerverbänden bremste der schwarze Koalitionspartner, wo er nur konnte. Und Noch-Landesvater Winfried Kretschmann schwieg und schweigt beharrlich.

Im Juli diesen Jahres hat sich die Landesregierung nun endlich auf den Entwurf des neuen Mobilitätsgesetzes geeinigt.  Auf Druck der CDU aus früheren Konzepten gestrichen wurden die City-Maut und die etwa in Wien schon seit den 1970er Jahren etablierte Arbeitgeberabgabe für den Transport ihrer Beschäftigten. 

„Zusätzliche Belastungen für die Arbeitgeber hätten nicht in die heutige Zeit gepasst“, rechtfertigt Thomas Dörflinger, verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag. Während der Karlsruher SPD-Oberbürgermeister Frank Mentrup, dessen Stadt den Mobilitätspass erprobte, sich über neue Finanzierungsmöglichkeiten des öffentlichen Verkehrs freut, ist die SPD-Fraktion im Landtag, man ist ja Opposition, strikt gegen das vorgeschlagene Mobilitätsgesetz.

Einwohner:innen oder Kfz-Halter:innen: Wer soll zahlen?

Nach dem Gesetzentwurf bleiben den Kommunen nun zwei Möglichkeiten, Abgaben für den öffentlichen Verkehr zu erheben. Entscheiden sie sich für einen Einwohnerbeitrag, müssen die Einwohnerinnen und Einwohner ab 18 Jahren zahlen. Als Gegenleistung bekommen sie ein Guthaben in gleicher Höhe für ein ÖPNV-Ticket. Die Abgabe soll auch auf eine Zeitkarte, etwa auf das Deutschlandticket, angerechnet werden. Es seien Ausnahmen und Ermäßigungen nach sozialen Gegebenheiten vorgesehen, teilte das Verkehrsministerium mit. 

Die zweite Möglichkeit wäre eine Abgabepflicht nur für Kfz-Halter:innen. Auch hierfür soll es im Gegenzug ein Mobilitätsguthaben in gleicher Höhe geben. 

Ob und welche Variante des Mobilitätspasses die Kommunen einführen wollen, entscheiden diese selbst. Vorausgesetzt, der Gesetzentwurf wird vom Landtag verabschiedet. Man darf gespannt sein, ob Konstanz diese Finanzierungsquelle, wenn sie denn kommt, auch nutzen wird. Denn die Verkehrswende bleibt notwenig, um die verkehrsbedingten Umweltschäden sowie die Einschränkungen menschlicher Lebensqualität zu mindern.

Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos: Pit Wuhrer

6 Antworten

  1. Olivia Schnepf

    // am:

    Der gesamte Fahrplan ist unausgegoren. Wer am Abend mit der Fähre ankommt, muss um nach Dettingen, Dingelsdorf, Litzelstetten, Wallhausen, Oberdorf und äusserstes Wollmatingen erst zum Sternenplatz fahren, da die Busse weg sind und das Stehen in der Kälte ist nicht angenehm. Wozu haben wir eine Ringlinie. der Fahrplan der 13/4 bzw. 4/13 ist im 3 Minuten Abstand…so dass de facto nur alle halbe Stunde ein Bus fährt. Abgesehen davon, dass jeden Sommer täglich Touristen im falschen Bus sitzen..entweder weil sie von der Mainau schnell weg- oder zur Mainau schnell hinkommen wollen. Aber das schlimmste ist, dass die Ringlinie nicht am Abend über die Fähre fährt, und die Busse dort auf die Fähre warten.

  2. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Eine für die Benutzer negative Fahrplanentwicklung ist kontraproduktiv für die Attraktivität. Gleichermaßen ist eine Verschleppung der Umstellung auf E-Mobilität auf die Dauer nichts anderes als ein Investitionsstau, der dem EBK in der Zukunft um die Ohren fliegen würde. Ich frage mich allerdings, ob es ein Entweder-Oder sein muss, oder ob es eher die Frage ist, wie viel es der Kommune/dem EBK wert ist, einen guten Fahrplan aufzustellen und die Kosten für die Nutzer nicht weiter in die Höhe zu treiben. Für umsonst ist nichts, wie die Kosten verteilt werden, ist jedoch nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Entscheidung.

  3. Wolfgang Daub

    // am:

    @Peter Köhler: Aha! Die Fördergelder kommen also nicht von Steuerzahler?
    Es geht doch eigentlich darum möglichst viele Menschen zum Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu bewegen, oder?
    Das wird mit dem Ausdünnen des Fahrplans sicherlich gelingen?
    Für mich ist das Ganze ähnlich wie bei „S21“ ein Prestigeprojekt, das nicht zu Ende gedacht ist !

  4. Peter Köhler

    // am:

    Die e-Busse sind im Betrieb insgesamt trotzdem günstiger: weil sie länger halten, weniger Wartung brauchen, und ihr Betriebsstoff die Stadtwerke viel billiger kommt als Diesel. 40% der Mehrkosten für die Anschaffung werden überdies aus Fördergeldern erstattet.

  5. Gunder Haschker

    // am:

    So ist es , Herr Daub. Es wird nicht nur der Fahrplan weiter ausgedünnt, sondern die nächste Preiserhöhung kommt mit Sicherheit und bald…

  6. Wolfgang Daub

    // am:

    Laut Kundenmagazin der Stadtwerke kostet die Anschaffung 23 neuer E-Busse 18,2 Millionen Euro zzgl. 3 Millionen Euro für Ladeinfrastruktur, ist damit bei geringerer Leistungsfähigkeit also mehr als doppelt so teuer wie ein „normaler“ Gelenkbus, was wiederum zu höheren Abschreibungen in den folgenden Jahren führt und damit zu einem größeren Defizit der Verkehrsbetriebe!

    Wenn nun der Fahrplan ausgedünnt wird, damit dieses höhere Defizit vermieden wird, dann ist das realpolitischer Wahnsinn: um die prestigeträchtige Anschaffung von E-Buusen zu finanzieren dürfen nun die Nutzer länger auf den nächsten Bus warten! Echt toll, gell?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert