Eisenbahnstraße, Alter Wall, Mietwohnungen, Wohnblock, Genossenschaft, Autoparken, 07.07.2024 © Harald Borges

Umzugsprämien: Mehr größere Wohnungen für Familien?

Eisenbahnstraße, Alter Wall, Mietwohnungen, Wohnblock, Genossenschaft, Autoparken, 07.07.2024 © Harald Borges

Das Land hat ein Programm aufgelegt, das Menschen, die in kleineren Wohnraum umziehen, mit Prämien unterstützt. Sämtliche Fraktionen des Gemeinderates haben nun in seltener Einmütigkeit beantragt, das Programm auch für Konstanz zu übernehmen.

Der Umzug von Menschen aus größeren, „untergenutzten“ Wohnungen in kleinere soll Wohnraum für Familien freimachen. Die Idee dahinter ist auf den ersten Blick bestechend: Oft wohnen gerade ältere Menschen seit Jahrzehnten in Wohnungen, die ihnen mittlerweile ‚eigentlich‘ viel zu groß sind, nachdem die Kinder ausgezogen und das Ehegespons aus welchen Gründen auch immer abgängig ist. Viele haben dabei eine alte Dame vor Augen, die allein in ihrer inzwischen musealen Wohnung lebt und lieber eine wesentlich kleinere Wohnung hätte: modern, quadratisch, praktisch, gut, weil sie einfach auch weniger Arbeit macht und vielleicht senior:innengerecht ist.

Das Förderprogramm „Wohnflächenbonus BW – Prämie für die Initiierung von Wohnungswechseln in untergenutztem Wohnraum“ des Landes Baden-Württemberg will wohnungswechselwillige Menschen dazu ermutigen, sich den Traum von einer deutlich kleineren Wohnung zu erfüllen. Der einmalige Zuschuss, den letztlich das Land zahlt, ist davon abhängig, wie viel weniger Wohnraum die Beantragenden künftig bewohnen werden.

Nach Angaben der Konstanzer Verwaltung richtet sich das Programm an zwei Zielgruppen:
– Mieterinnen und Mieter, die ihre Wohnfläche verkleinern möchten,
– Wohnungsbaugesellschaften, die innerhalb ihres Bestands eine bessere Auslastung ihrer Wohnungen anstreben und Mieterinnen und Mieter beim Umzug in eine passende Wohnung unterstützen möchten.

Die Fördervoraussetzungen sind allerdings – gelinde gesagt – kompliziert: „Die Förderung richtet sich an Haushalte, die ihre Mietfläche durch einen Umzug um mindestens 15 Quadratmeter verkleinern. Der Umzug muss innerhalb des Stadtgebiets von Konstanz erfolgen. Ein Nachweis der Meldebehörde ist erforderlich. Gefördert werden Haushalte, die eine wirtschaftliche Gemeinschaft bilden, seit mindestens sechs Monaten in der bisherigen Wohnung in unveränderter Zusammensetzung leben und gemeinsam in die neue Mietwohnung ziehen. Dadurch sollen Mitnahmeeffekte, etwa infolge von Trennungen, vermieden werden. Befristete Mietverträge sind von der Förderung ausgeschlossen.“

Das Geld des Landes gibt die Stadt Konstanz an die Antragstellenden weiter, behält davon aber 300 bis 750 Euro für ihren Verwaltungsaufwand ein. Folgende Prämiensätze will die Stadt letztlich ausreichen: 2700 Euro für eine Wohnflächenreduktion von mindestens 15 Quadratmetern, zusätzlich 90 Euro für jeden weiteren vollen Quadratmeter weniger. Der Maximalbetrag liegt bei 6750 Euro pro Umzug.

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Das alles klingt auf den ersten Blick sehr schön und sinnvoll, dürfte aber vermutlich praktisch so gut wie nichts bewirken. Ein Mensch, der seit längerer Zeit in einer großen Wohnung lebt, wird aufgrund seines alten Mietvertrages nicht mehr Miete zahlen, als er für eine andere, viel kleinere Wohnung ausgeben muss. Selbst wenn ihm der Umzug teilweise bezahlt wird, spart er an der monatlichen Miete wohl nichts. Außerdem sind senior:innengerechte Wohnungen, die einen Umzug für die Älteren attraktiv machen könnten, eher rar.

Menschen, die seit langer Zeit in einer großen Wohnung leben, können sich nach dem Auszug der – zumeist recht kostspieligen – Kinder großen Wohnraum natürlich erst recht leisten und haben kaum finanziellen Druck. Auch die emotionale Komponente spielt eine tragende Rolle: Menschen wollen so lange wie möglich in ihrer seit Jahren oder oft Jahrzehnten vertrauten Wohnung bleiben. Gerade mit der zunehmenden Klapprigkeit im Alter, der immer stärkeren psychischen Unsicherheit und der langen emotionalen Bindung an die gewohnte Umgebung ist die vertraute Wohnung ein letztes Refugium in einem Leben, das zunehmend schwieriger wird. Kaum jemand will dann auch noch seine vertraute Wohnung verlassen, in deren Umfeld es womöglich gar noch einige Nachbarn, den Bäcker an der Ecke usw. gibt, die sich (nur zu oft notgedrungen oder aus purem Mitleid) etwas Zeit für ein Schwätzchen nehmen.

Das Programm sieht also nicht so aus, als könne es eine neue Völkerwanderung aus großen in deutlich kleinere Wohnungen auslösen und damit wirklich etwas bewirken.

Quelle: Beschlussvorlage ö – 2025-0918/1

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