Döbele-Parkplatz am 21.7.2020 (c) Harald Borges

Der Turmbau zu Babel und das Kolössle vom Döbele

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Döbele-Parkplatz am 21.7.2020 (c) Harald Borges
Döbele-Parkplatz (c) Harald Borges

Auf dem Döbele soll ein „Mobilitätshaus“ entstehen. Was uns da in so prächtigem Neudeutsch als gesellschaftlicher und ökologischer Fortschritt verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein gigantisches Parkhaus, das seine Umgebung bei Weitem in den Schatten stellt (wenn denn nach seiner Eröffnung am 1.1.2027 die Sonne ihr Erscheinen nicht umgehend verweigert).

In der öffentlichen Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) morgen ab 16.00 Uhr im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes Laube, Untere Laube 24, könnte es hoch hergehen, falls erboste Anwohner ihrem Ärger über das Parkhochhaus Luft machen sollten. Was da als harmloses „Mobilitätshaus“ daherkommt, hat es nämlich in sich.

Noch mehr Einkaufstouris?

Dieses (zumindest in den Augen der Verwaltung) Prunkstück soll von der Konstanz mobil GmbH (KmG), einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke (SWK), errichtet und betrieben werden, die für alle „landgebundenen Mobilitätsdienstleistungen der SWK“ zuständig ist. Für diese neu gegründete GmbH dürfte das eine erste Bewährungsprobe werden, denn der zu errichtende Turm soll rund 500 Stellplätze aufnehmen (das Döbele hat derzeit 350 Stück). Und die sind nicht für die Bewohner der auf dem Döbele geplanten Wohnhäuser gedacht, denn die erhalten eigene Tiefgaragen. [Zum Vergleich: Laut einer Studie für die Stadt gibt es derzeit „ca. 2.500 Stellplätze in Parkgaragen und auf Parkplätzen (ohne Straßenraum), davon 38% im Parkhaus Lago, 33% in kleineren Anlagen im Zentrum, Rest in Parkhaus Altstadt und auf Döbele“ – zahlt die Stadt eigentlich ihre Gutachter so schlecht, dass es denen nicht zu ordentlichen Sätzen langt?]

Für wen ist das alles denn gedacht? Sollen mehr Radolfzeller und Bischofszeller, Meersburger und Kreuzlinger Autos nach Konstanz gelockt werden, deren Insass*innen dann die Innenstadt leerkaufen?

Döbele-Kreisel, Armeefahrzeug am 21.7.2020 (c) Harald Borges
Döbele-Kreisel, Armeefahrzeug (c) Harald Borges

Wenn das so käme, würden sich Handel und Gastronomie in unserer feinen kleinen Konzilstadt sicher die Hände lecken, und der Standort nahe der schweizerischen Grenze mit bestem Anschluss an Laube, Grenzbachstraße und Europastraße legt nahe, dass hier auswärtige Währung in die Konstanzer Innenstadt gespült werden dürfte, und zwar eher Franken als Räppli, wobei Euro natürlich auch immer gern genommen werden. Aber nichts ist bekanntlich ganz so, wie es scheint.

Endlich ein Haus für alle Konstanzer?

So laut sagt das natürlich niemand, denn wir leben ja in Zeiten des Klimaschutzes, wo es als unfein gilt, um des schnöden Mammons für die örtliche Wirtschaft willen fremde Autos mit komfortablen Parkplätzen anzulocken.

Also ist das Parkhaus laut Verwaltung für folgende Menschen gedacht (so die Sitzungsvorlage 2023-3625, die hier als Quelle dient).

„Das Mobilitätshaus hat in der Mobilitätsstrategie der Stadt eine besondere Bedeutung.

  • Das Mobilitätshaus soll Besuchern des am Döbele entstehenden Wohngebiets Stellplätze bieten.
  • Die am Döbele durch die Bebauung des Parkplatzes entfallenden Kurzzeitstellplätze für Besucher der Innenstadt sollen im Mobilitätshaus untergebracht werden.
  • Die mit Bebauung des Parkplatzes entfallenden Bewohner-Stellplätze sollen in dem Mobilitätshaus […] dahingehend kompensiert werden, dass dort ein neues Angebot von Mietstellplätzen entsteht, das Bewohner aus Stadelhofen und dem Paradies nutzen können […].
  • Im Mobilitätshaus soll eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen für Carsharing und alternative Mobilitätsangebote untergebracht werden.
  • Um im Paradies und Stadelhofen Stellplätze im öffentlichen Straßenraum zu reduzieren und dort die Aufenthaltsqualität verbessern zu können, soll möglichst dieselbe Anzahl Stellplätze im Mobilitätshaus kompensiert werden können.“

Damit wird das Mobilitätshaus also endlich das langersehnte Haus für alle Konstanzer(*innen), zu dem es das Bofo außer im entflammten Herzen des Konstanzer Oberbürgermeisters nie gebracht hat?

Döbele-Parkplatz, TINK, Fahrradmietstation, Mietfahrräder am 21.7.2020 (c) Harald Borges
Döbele-Parkplatz, Mietfahrräder (c) Harald Borges

Das Kolösschen am Döbele

Der Pferdefuß an dem Ding ist der Verwaltung bekannt: „Die geforderte Anzahl an Stellplätzen führt dazu, dass das Gebäude mit ca. 25 Metern Höhe die geplante nördlich und westlich angrenzende, fünfgeschossige Wohnbebauung um ca. 7 Meter überragt. In der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit gingen zahlreiche Stellungnahmen ein, die die Gebäudehöhe des Mobilitätshauses kritisieren.“ Man gibt sich trotzdem besinnlich: „Der städtebaulich verträglichen Integration des Mobilitätshauses in das neue Quartier kommt dadurch im Bebauungsplanverfahren große Bedeutung zu.“

Das wird dann wohl ein ziemlicher Geniestreich werden müssen. Wenn man sich überlegt, dass das Schnetztor 36 Meter auf die Waage bringt und die Aussichtsplattform des Münsters auf 40 Metern Höhe liegt, muss sich das Mobilitätsdingenskirchen schon sehr tief bücken, um nicht als weiteres Wahrzeichen von Konstanz berühmt zu werden. Man bräuchte ja nur Kreuzlingen, Stadelhofen und das Lago abzureißen, dann hätte man aus dem obersten Parkdeck freie Sicht aufs Mittelmeer. Na ja, beinahe zumindest, und das auch nur, sofern man schwindelfrei ist …

Döbele-Parkplatz, Campingbusse am 21.7.2020 (c) Harald Borges
Döbele-Parkplatz (c) Harald Borges

Kein schnöder Zweckbau?

Natürlich darf bei einem solchen Trumm das grüne Mäntelchen nicht fehlen. Das eben macht den in den Augen der Befürworter*innen wahrscheinlich den entscheidenden Unterschied zwischen einem schnöden Parkhaus, das es ist, aber nicht sein soll, und einem neuzeitlichen multifunktionalen Ökotouch-Irgendwas-Intelligenz-Ermöglichungsraum aus.

Also gibt es in dem Ding:

  • 80 Stellplätze mit Lade-Infrastruktur
  • 7 Stellplätze für E-Carsharing
  • 3 Stellplätze für 10 Fahrrad-Mietboxen
  • 2 Stellplätze für 6 Lastenräder
  • 2 Stellplätze für Bikesharing (12 Bikes)
  • 2 Stellplätze für Scootersharing (16 Scooter)
  • 4 Stellplätze für Paketstation/ Mikrodepot

Ein Wunder, dass an den Wänden nicht auch Meisenkästen, Adlerhorste und Wespennester hängen sollen, denn diese Viecher sind ja schließlich auch allesamt ziemlich mobil. Bei Baukosten von schlappen 14,373 Millionen Euro wären doch sicher noch ein paar fette Meisenknödel, ein paar rohe Steaks für die Wespen und täglich ein frisches Murmeltier für die Adler drin. Immerhin sind das ja 28.746 Euro pro Stellplatz.

Wer mit seinem Parkhaus so hoch hinaus will wie einst die Einwohner von Babel mit ihrem Turm, der darf sich nicht wundern, wenn ihn die babylonische Sprachverwirrung packt und aus seinem banalen Parkkasten ein Mobilitätshaus macht.

Aber was soll’s? Immerhin sieht es derzeit so aus, als ob das Automobil, dem hier eine späte Kultstätte errichtet wird, und der größte Teil der Menschheit ziemlich gleichzeitig aussterben würden, da kommt es auf ein unanständiges Wort mehr oder weniger auch nicht mehr an.

Text: O. Pugliese

2 Antworten

  1. Gunder Haschker

    // am:

    Ja Herr Hotz, ich glaube, das will man. Man sieht es deutlich am Bahnhof, ein einziges Chaos diese Baustelle zum sogenannten C-Konzept, das auch zur sterbenden Stadt beiträgt. Es fahren nur noch 10 Busse pro Stunde, es gibt keine Taxis mehr dort, ankommende Reisende wissen nicht wohin, keine Hinweistafeln usw. Aber die Stadt produziert haufenweise Handlungsprogramme und Konzepte, toll!

  2. Joachim Hotz

    // am:

    Wollt ihr eine sterbende Stadt? Kein Verkehr in der Innenstadt, keine Parkplätze und auch kein Parkhaus auf den Döbele! So macht man eine Stadt kaputt, den weder kommen Gäste noch Einkaufstouristen. Auf beides ist unsere Stadt aber angewiesen, denn sie bringen Geld in die Stadt. Oder wollt ihr zukünftig nur noch im Internet kaufen und eine Stadt ohne Geld und damit auch keinerlei Investitionen mehr?

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