
In der letzten Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) wollte sich die Verwaltungsspitze trotz des Sparzwangs einen neuen vollelektrischen Wasserbus zwischen Bofo, Parkplatz/Parkhaus Europabrücke, Asisi-Panorama und Innenstadt genehmigen lassen. Daraus wurde nichts, doch die stattdessen beschlossene Lösung, den Verkehr mit einem vorhandenen Schiff zu testen, kann auch nicht überzeugen.
Dass ausgerechnet Konstanz, die Stadt des Klimanotstandes, jetzt mit einer herkömmlichen CO2-Schleuder einen ein- bis zweijährigen Wasserbus-Testbetrieb aufnehmen will, statt einfach nur sein Autobusangebot zu verbessern, hat durchaus ein Geschmäckle. Aber die hohen Kosten für Anschaffung und Unterhalt des von höchster Stelle gewünschten Elektroschiffs ließen die Stadträt*innen im TUA letztlich doch zurückzucken und zur konventionellen Lösung und zum Probebetrieb greifen.
Die Verwaltung hatte die Anschaffung des Elektro-Wasserbusses in der Sitzungsvorlage so berechnet:
– Personalkosten (2 Personen)
– Unterhaltungskosten/Investitionskosten/Infrastrukturkosten (ca. 2,6 Mio Euro)
– Ingenieurkosten/Genehmigungskosten (ca. 85.000.– Euro)
– Abschreibung auf 20 Jahre (ca. 130.000.– Euro/Jahr)
Der Wasserbus soll zum Einsatz kommen, „wenn er an verkehrsreichen Tagen benötigt wird, freitags, samstags und sonntags sowie zu besonderen Anlässen wie den Adventstagen“, insgesamt an ca. 163 Betriebstagen. Rund 200 Tage im Jahr sollte er also ungenutzt bleiben.
Das Defizit läge nach Verwaltungsangaben bei den geplanten Fahrpreisen, die 50% teurer als die der Busse sein sollen, pro Jahr bei bis zu 310.000,– Euro. Ein heftiger Brocken für das Stadtsäckel also in einer Zeit, in der aus Sparsamkeit jedes städtische Blatt Toilettenpapier mindestens zweimal verwendet werden soll. Aus Sicht der Stadtoberen wären diese Millionen aber trotzdem nur Peanuts: „Durch die Tourismus- und Klimaschutzabgabe hat die Stadt erhebliche Einnahmen in Höhe von ca. 4,3 Mio., welche sinnvollerweise für solche Projekt[e] dienen“ können.
Löst denn alles, was mit dem Quartier rund um das auf scheint’s heiligem Boden errichtete Bodenseeforum zu tun hat, in manchen Menschen wundersame Visionen aus?

Neue Argumente
Etliche Argumente gegen den Wasserbus hat bereits in der letzten Woche Fridays for Future auf seemoz ausgebreitet, diese seien hier nicht wiederholt. Es kamen inzwischen aber durch den Schriftsatz eines Verkehrsplaners, der an einem früheren Probebetrieb des Wasserbusses beteiligt war, neue Argumente aus der Sicht eines Fachmannes in die Debatte.
Aus seiner Sicht sind die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die in der Sitzungsvorlage von der Verwaltung durchgeführt wurden, durchgängig „nicht nachzuvollziehen“, also viel zu positiv. Dazu tragen neben den Millionen für die Anschaffung des Schiffles auch die Personalkosten bei, da es zwingend mit zwei Personen gefahren werden muss, während ein Straßenbus von einer Person allein gelenkt wird. Nach Angaben der Stadt betragen die Anschaffungskosten für ein E-Schiff übrigens 2,3 Millionen Euro, während ein E-Straßenbus mit 950.000 Euro zu Buche schlägt, also mit nur 41% der Kosten für ein Schiff.
(Man eine/r fühlte sich bei der Lektüre der teils euphorischen Sitzungsunterlagen übrigens unwillkürlich an all die optimistischen Behauptungen und Berechnungen damals im Vorfeld des Bofo-Ankaufs erinnert. Was davon zu halten war, wissen wir, die wir die Millionendefizite Jahr für Jahr zu bezahlen haben, inzwischen leider nur allzu gut.)
Kaum Verkehrsentlastung
Die versprochene spürbare Verkehrsentlastung der Innenstadt erwartet der Verkehrsfachmann vom Wasserbus nicht, zumal der Parkraum an der Europabrücke erst genutzt werden soll, wenn die Parkhäuser in der Innenstadt dicht sind (und das Kind damit bereits in den Brunnen gefallen ist).
Dazu kämen die anderen Nachteile des Bootsverkehrs zwischen dem Steg am Bofo und dem Konstanzer Hafen. Der Weg vom Parkhaus Europabrücke zur Anlegestelle ist deutlich weiter als der Weg zur nahen Autobushaltestelle an der Reichenaustraße. Auch der geplante – nach den bisherigen Erfahrungen wohl kaum erreichbare – 40-Minuten-Takt des Wasserbusses im Ein-Schiff-Betrieb sei zu unattraktiv für mögliche Benutzer*innen mit verstärktem Einkaufsdruck, die möglichst schnell in die Innenstadt wollen. „Die Auslastung wird im Durchschnitt mit 40% kalkuliert ca. 24 Personen“, schreibt die Stadtverwaltung. Man reibt sich als Laie verwundert die Augen: Wie sollen lächerliche 24 Personen, die alle 40 Minuten mit dem Boot in die Stadt und wieder zurück geschippert werden, zu einer spürbaren Entlastung der total verstopften Laube und Bodanstraße beitragen?
Selbst die kürzeren Fahrzeiten des Bootes gegenüber dem Straßenbus werden nach den Einschätzungen des Verkehrsplaners übertrieben positiv dargestellt, zumal sonntags, wenn ohnehin wenig los ist (siehe zu diesem Thema auch das hektische Werbefilmchen mit deprimierend munterer Fahrstuhlmusik, das die Stadt Konstanz auf YouTube gestellt hat).

Eine Schifffahrt, die ist lustig
Die Verkehrsentlastung ist es letztlich auch nicht, was Menschen in den Wasserbus locke, betont der Fachmann. Die Erfahrungen aus dem früheren Probebetrieb hätten vielmehr gezeigt: „Der Großteil aller Passagiere war aus Neugier und zum Selbstzweck auf dem Schiff unterwegs, d.h. sie wollten Schiff fahren, um mal eine Schifffahrt gemacht zu haben. Zumeist waren es Hotelgäste eines nahegelegenen Hotels, Einwohnende der Stadt oder Touristen, die im Hafen eingestiegen sind und eine Runde hin und her mit dem Schiff gefahren sind.“
Keine Verkehrsentlastung also, sondern ein kurzer Spaßtrip in Konkurrenz zu den Ausflugsschiffen. Letztlich wäre der Wasserbus also vor allem ein zusätzliches, Tag für Tag mit knapp 1.000 Euro subventioniertes touristisches Zusatzangebot für alle, die gern Bötchen fahren.
Allerdings hätte er einen unschlagbaren Vorteil, der in der Konstanzer Verwaltung sehr geschätzt wird: „Ein Wasserbus als Alleinstellungsmerkmal zur Verkehrsentlastung von Konstanz ist im Städtevergleich einmalig“ (so die Vorlage der Stadtverwaltung). Das Titanicle auf dem Seerhein wäre also ein willkommenes Marketingargument – und gut fürs eigene Ego, weil womöglich sogar das Fernsehen zur Eröffnung anrückt.
Einfach besserer Busverkehr
Wenn man statt des teuren Wasserbusses bei Bedarf mehr Autobusse auf der Strecke einsetzte, wäre dies kaum mit Kosten verbunden, urteilt der Fachmann. „Die Tage mit hoher Verkehrsbelastung der Innenstadt finden zumeist dann statt, wenn zumindest ein Großteil der Schulen geschlossen sind […]. Dadurch stehen viele Busse zur Verfügung. Ein zusätzlicher Kauf von Bussen für einen straßengebundenen Shuttlebetrieb ist [darum] äußerst unwahrscheinlich.“ Dies allerdings bestreitet die Stadt; weil es auch Hochlasttage gebe, an denen die Schulen geöffnet seien, müsse man wohl neue E-Busse für den Transport all der Menschen in die Stadt anschaffen.
Der Verkehrsplaner jedenfalls kommt zu einer eindeutigen Empfehlung: „Mit dem eingesparten Geld an Zuschüssen für den Wasserbus (rd. 300.000 Euro p.a.) könnten Optimierungen der Bus-Bevorzugungsanlagen an den Lichtsignalanlagen der Stadt finanziert werden, was allen Buslinien der Stadt zugutekommen würde und damit auch den Konstanzer Einwohner/innen.“
Wen erinnert das alles nicht an ein anderes Verkehrsprojekt, mit dem sich der OB einst in die Konstanzer Geschichtsbücher einschreiben wollte: Die Seilbahn? Auch damals empfahl ein Gutachter schließlich, stattdessen doch ganz einfach den Busverkehr zu verbessern. Aber für einen besseren Busverkehr rückt das Fernsehen wohl nicht an …
Text & Bild: Harald Borges
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