
Das schwere Schicksal der Tauben im städtischen Raum ist seit vielen Jahren landauf, landab ein Dauerbrenner der öffentlichen Debatten. Manchen Menschen gelten sie als vermehrungswütige Schmutzfinken, andere hingegen sorgen sich voller Mitleid um das Wohl dieser unschuldigen Friedens- und Liebesboten, die unter brutalsten Bedingungen in einer feindlichen Umwelt ums pure Überleben kämpfen.
Dem mitleidigeren Teil der Konstanzer:innen sprachen die Gemeinderats-Grünen wohl aus der wunden Seele, als sie eine Woche vor Weihnachten am 17.12.2024 eine ganz offizielle Anfrage an die Stadtverwaltung richteten. Der Zeitpunkt war mit Geschick gewählt, denn im Winter ist die Not des in der Stadt umherirrenden Taubenvolkes am größten, und gegen Weihnachten sind die Herzen der Menschen am ehesten durch das Elend der kranken und darbenden Vögel zu rühren. So manchen tierlieben Konstanzer:innen stürzten beim Gedanken an die dahinsiechenden Tauben gar Tränenströme in ihre Weihnachtsgans.
Die Anfrage der Grünen zielte darauf ab, ob sich das Dasein der Tauben nicht wenigstens etwas menschlicher gestalten ließe. In der Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt heißt es nämlich in §11 Fütterungsverbot kategorisch: „(1) Tauben dürfen im gesamten Stadtgebiet nicht gefüttert werden. Futter für andere Vögel ist so auszulegen, dass es von Tauben nicht erreicht werden kann.“ Jeglicher Menschenhand ist es damit untersagt, die armen Vögel durch das Ausreichen von Körnern usw. vor Siechtum und Tod zu bewahren.
Eine Ausnahme im Namen der Menschlichkeit
Die Fragesteller:innen wollten daher von der Verwaltung wissen, ob nicht die ehrenamtlichen Tierretter:innen des hiesigen Animal Pride e.V. eine Ausnahmegenehmigung zum Füttern von Tauben bekommen könnten. Der Verein leiste schließlich „wichtige ehrenamtliche Arbeit im Bereich des Tierschutzes, insbesondere bei der Versorgung kranker und verletzter Tauben im Stadtgebiet“. Daher könnten die engagierten Ehrenamtlichen die hilfsbedürftigen Tiere doch auch füttern.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Die Verwaltung antwortete am 29.01.2025, an eine Taubenfütterung durch wen auch immer sei nicht zu denken. Ob die Verwaltungsmenschen sich damit an den Tauben für zugekotete Amtsdächer und unablässiges Gegurre außerhalb der Sprechzeiten rächen wollten, ist unbekannt.
Ihre fachlich fundierte Argumentation jedenfalls machte deutlich, dass an eine Ausnahmegenehmigung nicht zu denken sei: „Das Fütterungsverbot für Tauben besteht, um eine Verschmutzung von Freiflächen in der Stadt und um das Bodenseeufer zu vermeiden. Eine Verschmutzung ist unter anderem zu verhindern, um keine Schadnager wie Mäuse und Ratten anzulocken,“ auch könnten sich die Wasservögel am Taubenfutter den Magen verderben. Zudem sei der breiten Öffentlichkeit nicht vermittelbar, warum nur Vereinsmitglieder von Animal Pride die Salmonellenbomber füttern dürften und nicht auch alle anderen Tierfreund:innen. Daher könnten viele Konstanzer:innen durch den Anblick der fütternden Ehrenamtlichen dazu ermuntert werden, ihrerseits illegal Taubenfutter auszubringen.
Vor allem aber liegt ein generelles Taubenfütterungsverbot nach Ansicht der Verwaltung auch im Interesse der Tauben selbst: Werden sie gefüttert, werden sie zu zahlreich und treten sich gegenseitig auf den Füßen rum, so dass der Stress wächst und zu Krankheiten, Verletzungen und größeren Tierschutzproblemen führen würde.
Massive Salven
Das kann mensch natürlich auf sich und den Tauben nicht sitzen lassen. Deshalb setzten Grüne und SPD am 13.03. mit dem richtiggehenden Antrag 2025-0623 nach: „1. Der Gemeinderat möge beschließen, dem Tierschutzverein Animelpride e.V. [=Animal Pride, seemoz] eine Ausnahmegenehmigung vom Fütterungsverbot für Tauben gemäß §11 (1) der Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt Konstanz zu erteilen. 2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte zur Erteilung dieser Ausnahmegenehmigung einzuleiten und die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen.“
Die Begründung folgt dem schon Gesagten, enthält aber noch ein paar zusätzliche Argumente für eine Ausnahmegenehmigung: „Da zur Anfütterung der Tauben lediglich kleine Mengen verwendet werden, kann das Vorurteil, die Population der Tauben würde sich dadurch erhöhen, klar verneint werden.“ Der Antrag endet rührselig: „Tauben, als verwilderte Haustiere gehören zur Zuständigkeit der Kommune. Es ist unsere Aufgabe sich den Tieren zu widmen. Das Mindeste, was wir als Gemeinderat dafür tun sollten, ist die Taubenhilfe zu ermöglichen!“
Erst Fußtritt, dann Keulenschlag
Aber dieser Antrag landet wohl im Papierkorb. Die Verwaltung, von derartiger Aufsässigkeit vermutlich ziemlich entnervt, reagiert mit einem beherzten Fußtritt: „Der Vollzug der Umweltschutz- und Polizeiverordnung ist Geschäft der laufenden Verwaltung und unterliegt nicht der Zuständigkeit des Gemeinderates.“ Mit anderen Worten: Ihr vom Gemeinderat habt in diesem Fall gar nichts zu sagen, Euer Antrag ist plemplem. Ein echter Keulenschlag folgt direkt darauf: „Eine Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme wurde in der Satzung nicht vorgesehen, sodass diese aufgrund der aktuellen Rechtslage auch nicht erteilt werden könnte.“ Mit anderen Worten, Euer Antrag ist völlig stümperhaft, weil Ihr etwas beantragt, was rechtlich nicht geht.
In bester Verwaltungshäme geht es dann weiter: Tauben sind nach Angaben der Verwaltung keine gefährdete Tierart, und außerdem kacken sie alles voll. Die einzig probate Lösung im Sinne des Antrages wäre es aus Sicht der Verwaltung, die Umweltschutz- und Polizeiverordnung selbst zu ändern und betreute Taubenhäuser einzurichten, in denen den Ratten der Lüfte täglich ein üppiges Mahl kredenzt und der Allerwerteste gewischt wird.
Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Ein Sieg der Verwaltung? Ein Sieg der Menschlichkeit den Tauben gegenüber? Demonstrationen frustrierter Füchse, die laut Umweltschutz- und Polizeiverordnung auch weiterhin nicht gefüttert werden dürfen („Hunger macht uns fuchsteufelswild!“)? Randalierende Hundebesitzer:innen, deren Kötern die Verordnung das Betreten aller Märkte und Kinderspielplätze hartnäckig verbietet, während Tauben dort frei herumflattern dürfen („Kein Hund ist illegal, wo Tauben legal sind!“)?
Eigentlich will man das ja gar nicht wissen …
Text: Harald Borges. Quellen: Fraktionsanfrage – 2024-0417, Beantwortung der Anfragen – 2024-0417/1, Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt Konstanz und weitere. Symbolbild von Helga Kattinger from Pixabay
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