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Tauben müssen weiter hungern

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Taube 01 © helga kattinger from pixabay

Das schwere Schicksal der Tauben im städtischen Raum ist seit vielen Jahren landauf, landab ein Dauerbrenner der öffentlichen Debatten. Manchen Menschen gelten sie als vermehrungswütige Schmutzfinken, andere hingegen sorgen sich voller Mitleid um das Wohl dieser unschuldigen Friedens- und Liebesboten, die unter brutalsten Bedingungen in einer feindlichen Umwelt ums pure Überleben kämpfen.

Dem mitleidigeren Teil der Konstanzer:innen sprachen die Gemeinderats-Grünen wohl aus der wunden Seele, als sie eine Woche vor Weihnachten am 17.12.2024 eine ganz offizielle Anfrage an die Stadtverwaltung richteten. Der Zeitpunkt war mit Geschick gewählt, denn im Winter ist die Not des in der Stadt umherirrenden Taubenvolkes am größten, und gegen Weihnachten sind die Herzen der Menschen am ehesten durch das Elend der kranken und darbenden Vögel zu rühren. So manchen tierlieben Konstanzer:innen stürzten beim Gedanken an die dahinsiechenden Tauben gar Tränenströme in ihre Weihnachtsgans.

Die Anfrage der Grünen zielte darauf ab, ob sich das Dasein der Tauben nicht wenigstens etwas menschlicher gestalten ließe. In der Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt heißt es nämlich in §11 Fütterungsverbot kategorisch: „(1) Tauben dürfen im gesamten Stadtgebiet nicht gefüttert werden. Futter für andere Vögel ist so auszulegen, dass es von Tauben nicht erreicht werden kann.“ Jeglicher Menschenhand ist es damit untersagt, die armen Vögel durch das Ausreichen von Körnern usw. vor Siechtum und Tod zu bewahren.

Eine Ausnahme im Namen der Menschlichkeit

Die Fragesteller:innen wollten daher von der Verwaltung wissen, ob nicht die ehrenamtlichen Tierretter:innen des hiesigen Animal Pride e.V. eine Ausnahmegenehmigung zum Füttern von Tauben bekommen könnten. Der Verein leiste schließlich „wichtige ehrenamtliche Arbeit im Bereich des Tierschutzes, insbesondere bei der Versorgung kranker und verletzter Tauben im Stadtgebiet“. Daher könnten die engagierten Ehrenamtlichen die hilfsbedürftigen Tiere doch auch füttern.

Dann ging es Schlag auf Schlag: Die Verwaltung antwortete am 29.01.2025, an eine Taubenfütterung durch wen auch immer sei nicht zu denken. Ob die Verwaltungsmenschen sich damit an den Tauben für zugekotete Amtsdächer und unablässiges Gegurre außerhalb der Sprechzeiten rächen wollten, ist unbekannt.

Ihre fachlich fundierte Argumentation jedenfalls machte deutlich, dass an eine Ausnahmegenehmigung nicht zu denken sei: „Das Fütterungsverbot für Tauben besteht, um eine Verschmutzung von Freiflächen in der Stadt und um das Bodenseeufer zu vermeiden. Eine Verschmutzung ist unter anderem zu verhindern, um keine Schadnager wie Mäuse und Ratten anzulocken,“ auch könnten sich die Wasservögel am Taubenfutter den Magen verderben. Zudem sei der breiten Öffentlichkeit nicht vermittelbar, warum nur Vereinsmitglieder von Animal Pride die Salmonellenbomber füttern dürften und nicht auch alle anderen Tierfreund:innen. Daher könnten viele Konstanzer:innen durch den Anblick der fütternden Ehrenamtlichen dazu ermuntert werden, ihrerseits illegal Taubenfutter auszubringen.

Vor allem aber liegt ein generelles Taubenfütterungsverbot nach Ansicht der Verwaltung auch im Interesse der Tauben selbst: Werden sie gefüttert, werden sie zu zahlreich und treten sich gegenseitig auf den Füßen rum, so dass der Stress wächst und zu Krankheiten, Verletzungen und größeren Tierschutzproblemen führen würde.

Massive Salven

Das kann mensch natürlich auf sich und den Tauben nicht sitzen lassen. Deshalb setzten Grüne und SPD am 13.03. mit dem richtiggehenden Antrag 2025-0623 nach: „1. Der Gemeinderat möge beschließen, dem Tierschutzverein Animelpride e.V. [=Animal Pride, seemoz] eine Ausnahmegenehmigung vom Fütterungsverbot für Tauben gemäß §11 (1) der Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt Konstanz zu erteilen. 2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte zur Erteilung dieser Ausnahmegenehmigung einzuleiten und die entsprechenden Rahmenbedingungen festzulegen.“

Die Begründung folgt dem schon Gesagten, enthält aber noch ein paar zusätzliche Argumente für eine Ausnahmegenehmigung: „Da zur Anfütterung der Tauben lediglich kleine Mengen verwendet werden, kann das Vorurteil, die Population der Tauben würde sich dadurch erhöhen, klar verneint werden.“ Der Antrag endet rührselig: „Tauben, als verwilderte Haustiere gehören zur Zuständigkeit der Kommune. Es ist unsere Aufgabe sich den Tieren zu widmen. Das Mindeste, was wir als Gemeinderat dafür tun sollten, ist die Taubenhilfe zu ermöglichen!“

Erst Fußtritt, dann Keulenschlag

Aber dieser Antrag landet wohl im Papierkorb. Die Verwaltung, von derartiger Aufsässigkeit vermutlich ziemlich entnervt, reagiert mit einem beherzten Fußtritt: „Der Vollzug der Umweltschutz- und Polizeiverordnung ist Geschäft der laufenden Verwaltung und unterliegt nicht der Zuständigkeit des Gemeinderates.“ Mit anderen Worten: Ihr vom Gemeinderat habt in diesem Fall gar nichts zu sagen, Euer Antrag ist plemplem. Ein echter Keulenschlag folgt direkt darauf: „Eine Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme wurde in der Satzung nicht vorgesehen, sodass diese aufgrund der aktuellen Rechtslage auch nicht erteilt werden könnte.“ Mit anderen Worten, Euer Antrag ist völlig stümperhaft, weil Ihr etwas beantragt, was rechtlich nicht geht.

In bester Verwaltungshäme geht es dann weiter: Tauben sind nach Angaben der Verwaltung keine gefährdete Tierart, und außerdem kacken sie alles voll. Die einzig probate Lösung im Sinne des Antrages wäre es aus Sicht der Verwaltung, die Umweltschutz- und Polizeiverordnung selbst zu ändern und betreute Taubenhäuser einzurichten, in denen den Ratten der Lüfte täglich ein üppiges Mahl kredenzt und der Allerwerteste gewischt wird.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Ein Sieg der Verwaltung? Ein Sieg der Menschlichkeit den Tauben gegenüber? Demonstrationen frustrierter Füchse, die laut Umweltschutz- und Polizeiverordnung auch weiterhin nicht gefüttert werden dürfen („Hunger macht uns fuchsteufelswild!“)? Randalierende Hundebesitzer:innen, deren Kötern die Verordnung das Betreten aller Märkte und Kinderspielplätze hartnäckig verbietet, während Tauben dort frei herumflattern dürfen („Kein Hund ist illegal, wo Tauben legal sind!“)?

Eigentlich will man das ja gar nicht wissen …

Text: Harald Borges. Quellen: Fraktionsanfrage – 2024-0417, Beantwortung der Anfragen – 2024-0417/1, Umweltschutz- und Polizeiverordnung der Stadt Konstanz und weitere. Symbolbild von Helga Kattinger from Pixabay

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5 Kommentare

  1. Steven Ries

    // am:

    Die Verwaltung soll inzwischen ihre Meinung geändert haben. Es ist juristisch doch möglich, eine Ausnahmegenehmigung zum Taubenfüttern zu erteilen, das wurde bisher falsch eingeschätzt. Die Verwaltung will die Ausnahmegenehmigung aber nicht erlassen wegen zu viel Kot, zu vielen Tauben usw. Außerdem ist das Füttern auch in anderen Städten verboten.

  2. Kristina Beerbom

    // am:

    Vielen Dank für den Bericht. Meiner Meinung nach kommt leider zu kurz, dass der Sinn betreuter Taubenschläge ist, die Population der Tauben langfristig zu reduzieren, indem die Eier durch Attrappen ausgetauscht werden. Außerdem halten sich ausreichend gefütterte Tiere freiwillig hauptsächlich am Schlag auf und wären dadurch weniger in der Stadt unterwegs, würden also auch ihren Kot nicht so verteilen.
    Reine Fütterung ohne Eieraustausch löst also leider tatsächlich nicht das ganze Problem, wobei ich trotzdem betonen möchte, dass die Tauben als menschengemachtes „Problem“ (da sie Nachkommen verloren gegangener Tiere von Brieftaubenzüchtern sind) es nicht verdienen, so zu leiden und so vernachlässigt zu werden. Ich bin sehr froh, dass es in Konstanz inzwischen eine Taubenhilfe gibt, die sich ehrenamtlich wenigstens um Linderung und Heilung der vielen Verletzungen und Verstümmelungen zu kümmern versucht, die viele Tauben in ihrem harten Überlebenskampf erleiden. Hunde oder Katzen würde man nie so leiden lassen. Sie sollte wirklich deutlich mehr und sinnvolle Unterstützung von der Stadt erhalten.

  3. dani behnke

    // am:

    „Ironie setzt Intelligenz voraus. Das erklärt schon das ganze Dilemma.“
    daniB

  4. Michaela Knödler

    // am:

    Ein Schlag ins Gesicht für die Ehrenamtlichen und natürlich die Tauben…
    So kann man nur entscheiden, wenn man keine Ahnung und kein Mitgefühl, Herz hat.
    Konstanz schäm Dich!

    Danke für diesen Artikel

  5. Stefanie zentner

    // am:

    herzlichen Dank für diesen hervorragenden Artikel…
    Es ist unbegreiflich wie stur, desinteressiert und unwissend die Entscheidungsträger sind.
    Unwissend war ich früher. Doch vor 2 Jahren habe ich die Taubenhilfe Konstanz gegründet und auch schon einiges versucht, die Stadt zu überzeugen.
    Ich bin eine Pflegestelle für Stadttauben und kann inzwischen sagen, dass ein Taubenfütterungsverbot gegen das Tierschutzgesetz ist, man lässt sie willentlich und wissentlich (ver-)hungern.
    Die meisten Vorurteile sind haltlos…Leider zeigt die “ grüne Stadt“ hier ihr wahres Gesicht. Ich danke den Politikern, Journalisten und allen, die sich für Stadttauben einsetzen von Herzen!!

    Gott sei Dank gibt es immer mehr Städte, die das Taubenmanagement erfolgreich durchführen. Bleibt zu hoffen, dass Konstanz irgendwann nachzieht…. Bis dahin betreiben wir ehrenamtlich Schadensbegrenzung und päppeln halbverhungerte, kranke, verletzte Tiere wieder auf. Auf eigene Kosten.

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