
Mit der Umbenennung der Conrad-Gröber- in die Joseph-Picard-Straße sind scheint’s nicht nur etliche Anwohner:innen, sondern auch Gott höchstselbst unzufrieden. Das Ergebnis: Dank seines Eingreifens wurde plötzlich ein Teil der Mainaustraße neu nach dem Gottesmann Gröber benannt. Doch schnell sorgten die Teuflischen Betriebe Konstanz (TBK) für Ordnung.
Man erinnert sich: Der Gottesmann Conrad Gröber (1872–1948), zur Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft Erzbischof von Freiburg mit vielen braunen Flecken auf seiner Stola, verlor „seine“ Straße in Konstanz. Daraus wurde nach dem Willen des Konstanzer Gemeinderates neu die Joseph-Picard-Straße.
Damit Lieferdienste, Postboten, Gerichtsvollzieher – und wer immer sich sonst noch in dieser kurzen Straße mit den ausschließlich geraden Hausnummern 2–10 tummelt –, sich daran gewöhnen können, wurde beschlossen, zunächst beide Straßenschilder aufzuhängen, um dann nach einigen Monaten das Schild mit Conrad Gröbers Namen zu entfernen.
Nun hat es Gott aber mit den Seinen, er vergisst nicht das geringste seiner Schäflein – und schon gar keinen Erzbischof. Daher genügte ein kleiner Wink an seine himmlischen Heerscharen: Sie drehten das Conrad-Gröber-Schild so, dass plötzlich der Beginn der Mainaustraße nach dem unrühmlichen Hirten des Glaubens benannt war: Lag etwa die „Destille“ , die sich ja seit jeher bekanntlich in der Mainaustraße 6 befindet, plötzlich in der (igitt!) Conrad-Gröber-Straße 6?

Gottes Handwerker (Gott beschäftigt grundsätzlich nur Männer) versuchten jedenfalls, diesen Eindruck zu erwecken und vermoosten das Schild „Mainaustraße“ flugs bis zur Unkenntlichkeit.

Das alles hatte der Gemeinderat bei der Umbenennung natürlich gar nicht vorgehabt, er wollte ja Gröber aus dem öffentlichen Gedächtnis löschen und ihn ganz und gar nicht mit der Mainaustraße beehren. Doch Gott schmunzelte ob seines gelungenen Streiches, und seine wenigen auf Erden noch verbliebenen Schäflein feixten, dass der Allmächtige den blöden Falschgläubigen mal wieder so richtig eins ausgewischt hatte.
Das aber ließ den Teufel nicht ruhen, der eine schöne Gelegenheit sah zu zeigen, dass er mehr als nur den Fehlerteufel draufhat. Er schickte seine Teuflischen Betriebe Konstanz (TBK) los, Gott ins Handwerk zu pfuschen und den Willen seiner diabolischen Mitverschworenen im Konstanzer Gemeinderat zu exekutieren. Und so kamen denn eines Tages einige Teufelchen, ihre Schwänze und Teufelshörner in Arbeitsklamotten und unter Sicherheitshelmen bestens verborgen, und stellten das Conrad-Gröber-Straßenschild in die richtige Richtung.

Aus unerfindlichen Gründen beließen sie es aber über dem Schild Joseph-Picard-Straße, so als stehe Gröber über Picard. Wahrscheinlich fürchteten sie, Gott sonst zu sehr zu provozieren und vom lustigen Folterdienst in der kuscheligen Hölle („Frühstück! Kalter Kaffee und verbrannter Toast für alle!“) zum sterbenslangweiligen Schneeschippen am Südpol strafversetzt zu werden.
Doch eine kleine Gemeinheit konnten sie sich denn doch nicht verkneifen: Am anderen Ende der Straße kehrten Sie die Reihenfolge um. Hier steht Picard plötzlich über Gröber.

Am Ende trafen sich dann beide Seiten zufällig in der kleinen Kneipe am Ende der Straße, denn beide heben gern einen. Zuerst sah es nach einer zünftigen Schlägerei aus, bei der die Engel sicher einige Federn in den Klauen der Teufel gelassen hätten, dann fiel beiden Seiten aber ein, dass sie noch etwas vergessen hatten, nämlich das Schild in der Mitte der Straße!
Nachdem ihnen die Wirtin, die unbedingt eine Schlägerei zwischen Himmel und Hölle in ihrer Kneipe vermeiden wollte, eine Runde Bier und Ambrosia (nicht von dem Zeug für Gäste, sondern aus der privaten Flasche!) ausgegeben hatte, schlossen sie einen Kompromiss: In der Mitte, an der Einmündung zur Zumsteinstraße, ist die eine Straßenseite jetzt erst einmal nach Gröber, die andere aber nach Picard benannt.

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Gewundert haben sich Engel wie Teufel allerdings über die Stadtverwaltung in Konstanz. Wenn die Stadt von ihren Bürger:innen verlangt, sich nach dem 23.06. innerhalb von sechs Wochen auf dem Amt zu melden und ihren Personalausweis umschreiben zu lassen, wäre es nur recht und billig, wenn die Stadtverwaltung selbst mit gutem Beispiel voranginge, fanden sie einhellig.
Aber im offiziellen Stadtplan sucht man bisher vergebens nach Joseph Picard.

Conrad Gröber hingegen ist dort zur Freude aller Klerikalen weiterhin verzeichnet:

Wir haben für diesen Beitrag übrigens tagelang vor Ort im Quartier recherchiert, aber niemand wagte offen mit uns zu sprechen. In einer lauen Sommernacht wollten wir gerade gegen 2:00 Uhr morgens resigniert unsere Zelte abbrechen und ins sichere linksrheinische Konstanz zurückkehren, da trat eine ältere Frau mit einem fadenscheinigen Kopftuch auf uns zu, die weder fotografiert werden noch ihren Namen nennen wollte. Ihre Augen flackerten vor Politikverdrossenheit. Sie schaute sich noch mehrfach furchtsam um und flüsterte uns schließlich zu: „Die da oben machen mit uns, was sie wollen. Wir müssen mit unserem Personalausweis aufs Amt, sonst setzt es eine saftige Strafe, und die sitzen in ihren Sesseln und tuet nüt. Da geht einem doch das Messer im Sack auf!“
Dann sauste sie mit einem diabolischen Schrei auf einem Besen ab durch die Lüfte, und es roch intensiv nach Schwefel. Auch das noch …
Text & Bilder: Harald Borges mit ausdrücklichem Dank an den Hinweisgeber
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