
Zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen erinnern an die Aufstände der Landbevölkerung vor einem halben Jahrtausend. Auch etliche Publikationen, die die Geschehnisse der Jahre 1524 bis 1526 aus unterschiedlich neuen Perspektiven betrachten, sind erschienen. Darunter der Band „Beschwert und überladen?“, der nach der Bedeutung von lokalen Ressourcenkonflikten für den Bauernkrieg fragt.
Die Bauernkriegs-Historiographie seit dem 19. Jahrhundert zeigt, dass es unterschiedliche thematische und methodische Ansätze und Interpretationen gab, mit denen das epochale Ereignis der Jahre 1524 bis 1526 wissenschaftlich erklärt wurde. Immer wieder diente der Bauernkrieg auch als Spiegel für aktuelle Projektionen:
So deutete Leopold von Ranke den Bauernkrieg als „pöbelhaften Exzess gegen die Obrigkeit“ und als „das größte Naturereignis des deutschen Staates“. Für Karl Marx war er die „radikalste Tatsache der deutschen Geschichte“. Wilhelm Zimmermann sah in den Bauern Vorkämpfer für eine „geeinte deutsche Nation“. Sein Buch wurde „als ein Beitrag zum latenten und geistigen Freiheitskampf der vormärzlichen Gegenwart“ in Baden, Bayern und Österreich verboten (siehe dazu den Beitrag „Freiheit muss werden auf Erden“ in der Wochenzeitung kontext). Friedrich Engels hingegen lobte Zimmermanns Buch und sah die Ursache für das Scheitern der Bauern in der fehlenden Unterstützung des Bürgertums – analog der Niederlage des Proletariats in der gescheiterten Revolution von 1848.
Für Günter Franz, einem der profiliertesten Nationalsozialisten unter den deutschen Historikern und Mitglied der SS im Offiziersrang, war der Bauernkrieg ein „Glied im ewigen Kampf der Deutschen ums Reich“; seine Niederschlagung legte er als einen „auch in biologischer Hinsicht […] ungemein schweren Verlust für unser gesamtes Volk“ aus. Sein 1933 veröffentlichtes Buch „Der deutsche Bauernkrieg“ erlebte in gekürzter und in leicht überarbeiteten Fassungen mehrere Auflagen, die letzte 1984 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt. Als „Januskopf eines Standardwerks“ sieht dies Gerd Schwerhoff: „Der empirische Kern des Werkes von Günther Franz blieb von diesen nationalsozialistischen Einsprengseln immerhin so weit unberührt, dass es für lange Zeit weiterhin als Standardwerk angesehen wurde und z.T. noch wird.“

In der DDR-Geschichtsforschung rückten sozioökonomische Komponenten in den Fokus: Thomas Müntzer (der Mann auf dem Fünf-Markschein Ost) galt quasi als Urkommunist schlechthin. In der BRD hat Peter Blickle in den 1970er Jahren mit seinem Werk „Der Bauernkrieg. Revolution des Gemeinen Mannes“ die zentrale Bedeutung der Gemeinde – des Kommunalismus, wie er formulierte – für die revolutionären Ereignisse hervorgehoben.
Ressourcenkonflikte als Katalysatoren
Eine andere Perspektive auf die Ereignisse der Jahre 1524 bis 1526 wollen die 16 Beiträge des neuen Bandes „Beschwert und überladen?“ – herausgegeben in der Reihe „Forum Suevicum“ von Peer Frieß (München) und Dietmar Schiersner (Weingarten) – anbieten. Die Beiträge sind die ausgearbeiteten Fassungen einer Tagung des Memminger Forums für schwäbische Regionalgeschichte im Herbst 2023.
Die oberschwäbischen Dörfer Öpfingen und Griesingen beklagten im Februar 1525, dass durch ihren Junker „der Arman beschwerd und überladen ist“. Ihre Klageschrift, die dem Schwäbischen Bund vorgelegt wurde, war eine von vielen, die in verschiedenen Aufstandsgebieten verfasst wurden. Sie alle machten deutlich, wie sehr sich die armen Leute im gesamten Alten Reich existenziell bedroht sahen und von ihren Obrigkeiten ausgebeutet fühlten.
Der Kampf „für politische Partizipation, für die Abschaffung der Leibeigenschaft und für die Verwirklichung reformatorischer Ideale waren von vielfältigen, latent wirksamen Ressourcenkonflikten beeinflusst“, so die These des Buches. Der Begriff Ressource wurde dabei weit gefasst – sowohl materielle (Nutzflächen, Nahrungsmittel, Arbeitskraft) als auch immaterielle (Seelsorge, Kommunikation, Legitimation) und materiell-kulturelle Aspekte (etwa Weinpressen und Mühlen in Franken) spielten dabei eine Rolle.
Die Ressourcen Wald, Allmende, Wild, Fischerei und Seelsorge scheinen fast in allen Konflikten auf. Ein weiterer Schwerpunkt galt den Fragen, wo und weshalb der Streit um begrenzt Verfügbares nicht überall und nicht immer zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte und welche Mechanismen der Deeskalation oder gar Konfliktvermeidung dabei wirksam waren.
Energieknappheit, kühlere Temperaturen, Starkregen und Hagel
Unterteilt ist der Band in drei große Abschnitte: Vorab werden die klimatischen sowie die demografischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen skizziert. Teil zwei geht auf unterschiedliche regionale Entwicklungen in der Fürstabtei St. Gallen (Arman Weidenmann, St. Gallen), in Vorarlberg (Wolfgang Scheffknecht, Lustenau), Tirol (Stefan Ehrenpreis, Innsbruck), Thüringen (Uwe Schirmer, Jena), Franken (Helmut Flachenecker, Würzburg) und im bayerischen Landgericht Bad Tölz (Stefan Huber, München) ein. Der dritte Teil nimmt das „Ringen um Ressourcen in Oberschwaben“ in den Blick.

Das Fazit der drei Beiträge von Christian Pfister (Bern), Andreas Weigl (Wien) und Ulrich Pfister (Münster): Es war sowohl das Zeitalter der „Sonnenenergie“ als auch der Energieknappheit. Holz gehörte in der kalten Jahreszeit zur begehrtesten materiellen Ressource. Konflikte um die Waldnutzung werden daher auch in fast allen Beiträgen angeführt. Die Jahre ab 1470 bis 1509 waren von einem meist günstigen milden Klima geprägt, was Vorteile für die Landwirtschaft und die Ernährungslage hatte. Die Bevölkerung wuchs, Ackerland und Ernteerträge aber stagnierten. Als sich ab 1510 das Klima wieder verschlechterte, gingen die Ernteerträge zurück, sodass es für die Untertanen schwieriger wurde, die geforderten Abgaben und Steuern aufzubringen und zugleich ihre Familien zu versorgen.
Dennoch seien die ökonomischen und demografischen Veränderungen nicht so groß gewesen, dass sie zu unumgänglichen Konfliktpotenzial hätten führen müssen. Zur Auslösung des Bauernkriegs im Südwesten führten aber wohl zwei schwere Unwetter mit Starkregen und Hagel im Juli 1524, die die Ernten komplett vernichteten.
Die Trümpfe des St. Galler Fürstabts
Der Beitrag von Arman Weidenmann (St. Gallen) zur Fürstabtei St. Gallen lenkt die Perspektive auf ein „Randgebiet des Bauernkriegs“. Zwar begehrte auch dort die ländliche Bevölkerung gegen den Fürstabt auf und die vorgebrachten Klagen waren im Wesentlichen dieselben wie die der süddeutschen Bauern im Hegau und im Bodenseegebiet, von deren Aufständen die St. Galler durchaus Kenntnis hatten.
Zu einem gewaltsamen Aufstand kam es aber nicht. Gründe für das Nicht-Eskalieren des Konflikts seien zum einen das noch in Erinnerung haftende Ereignis des Rorschacher Klosterbruchs von 1489, bei der die Stadt St. Gallen und das Land Appenzell eine militärisch herbe und finanzielle teure Niederlage erlitten hatte. Zum anderen gelang es den Untertanen, ihre Klagen vor dem Rapperswiler Schiedsgericht vorzubringen, wobei der Fürstabt durch bewusstes Taktieren die Verhandlungen lange hinausziehen konnte. Als sich im Juli 1525 schließlich die Streitparteien vor Gericht trafen, waren die großen Schlachten bereits zuungunsten der Bauern entschieden. Niemand hatte mehr Interesse an einer kriegerischen Auseinandersetzung.
Doch auch im Rechtsstreit zogen die St. Galler Untertanen den Kürzeren: Während sie mit Evangelium und Gewohnheitsrechten argumentierten, berief sich der Abt auf Urkunden mit „Brief und Siegel“. Das Gericht entschied zu seinen Gunsten. Er konnte unter anderem das exklusive Recht an der Waldnutzung und Fischerei behalten und ausbauen. Sein Ziel der Nutzenmaximierung und Monopolisierung dieser natürlichen Ressourcen war erreicht und für Jahrhunderte gefestigt.
Kein Bauernkrieg in Vorarlberg
In Vorarlberg spiele der Bauernkrieg im kollektiven Gedächtnis bis heute keine Rolle, schreibt der Vorarlberger Landeshistoriker Wolfgang Scheffknecht. Ressourcenkonflikte gab es auch dort und einige Vorarlberger Gemeinden schlossen sich dem Allgäuer Haufen, andere dem Aufstand der Tiroler unter der Führung von Michael Gaismair an. Eine größere Revolte sei aber aufgrund des um 1525 „weitestgehend institutionalisierten Ständewesen“ ausgeblieben. Dank der Landstände habe eine im „Aushandeln“ geübte Institution zur Verfügung gestanden.

Landesherr Erzherzog Ferdinand kam den Bauern bei einigen ihrer Forderungen entgegen, im Gegenzug dafür genehmigte ihm der Landtag (in dem auch die Bauernschaft vertreten war) sogar „ein beachtliches Truppenkontingent“, das der Söldnerführer Merk Sittich von Hohenems schließlich gegen die Bauern im Hegau führte. Diesen Teil der Geschichte kennen wir; sie wurde als Theaterstück „Passion der Freiheit“ vergangenes Jahr in Hilzingen in Szene gesetzt: Merk Sittich lässt nach der Unterwerfung der Aufständischen im Juli 1525 die Hilzinger Sturmglocke von fünfzig Bauern an den See bringen und nach Bregenz verschiffen.
Nach getaner Arbeit enden die Überbringer der Glocke reihenweise an den „Henker-Eichen“ entlang der Leiblach. Über dieses grausame Ereignis berichtet die „Emser Chronik“ von 1616 gerade mal auf einer drittel Seite. Viel mehr, so Scheffknecht, wurde bis ins 20. Jahrhundert in der lokalen Chronistik nicht über den Bauernkrieg festgehalten.
Endliche Ressourcen und Klimawandel: Damals ein Thema …
Die Ereignisgeschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben ist hinlänglich erforscht und bekannt. Mit einer großen Landesausstellung Uffrur – Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25 in Bad Schussenried wird noch bis 5. Oktober an das damalige Geschehen erinnert.
Die Beiträge des vorliegenden Bands werfen – unter dem Aspekt von Ressourcenverteilung und Konfliktbewältigung – jeweils einen detaillierten Blick auf die Reichsstadt Memmingen (Christoph Engelhard, Memmingen) , die Herrschaft Angelberg bei Riedheim (Stefan Birkle, Dillingen), das Prämonstatenserstift Weißenau (Peter Rückert, Stuttgart), auf die Bedeutung der immateriellen Ressource Seelsorge für die Stadt Lindau (Johannes Wolfart, Ottawa, Beitrag in englischer Sprache), den Weingartener Vertrag zwischen Georg von Waldburg-Zeil, dem „Bauernjörg“, und den Untertanen seiner Herrschaft Wolfegg (Silke Schöttle, Ravensburg), den „Memminger Vertrag“ (gültig von 1526 bis 1802) zwischen dem Fürststift Kempten und seinen Untertanen (Gerhard Immler, München) und den Beschwerden der Bauern des Irseer Klostergebiets (Thomas Pfundner, Holzschwang / Hausen).
… und auch heute
Der Blick auf die Rolle regionaler Ressourcenkonflikte im Bauernkrieg von 1525 ist jedenfalls ein interessanter Ansatz. Aber spielen knappe und wertvolle Ressourcen und die Frage nach ihrer gerechten Verteilung nicht bei allen Konflikten und Kriegen – damals wie heute – eine bedeutende Rolle?
Die Herausgeber des Bandes halten selbst fest, dass ihre eigene Fokussierung auf Ressourcenfragen angesichts der „Bedrohung der Menschheit aufgrund der Klimaveränderungen, dem falschen Umgang mit natürlichen Ressourcen und die moderne Einsicht in deren Begrenztheit und Endlichkeit […] auf ihre eigene Weise einer zeitgebundenen Wahrnehmung und Sensibilität geschuldet“ sei.

Der Tagungsband richtet sich als Ergänzung in erster Linie an Forschende und Lehrende der Geschichtswissenschaft, die sich mit dem Thema Bauernkrieg eingehender befassen.
Text: Uta Preimesser
Fotos, Abbildungen: Tafeln im Hilzinger Bauernkriegsmuseum (© Pit Wuhrer), DDR-Geldschein, Porträt Merk Sittich: Wikimedia commons
Peer Frieß, Dietmar Schiersner (Hg.) „Beschwert und überladen? Die Rolle regionaler Ressourcenkonflikte im Bauernkrieg von 1525“. UVK Verlag, Tübingen 2024, 453 Seiten, gebunden, 49 Euro. Auch als e-Book erhältlich. Band 16 der Reihe „Forum Suevicum. Beiträge zur Geschichte Oberschwabens und der benachbarten Regionen“.
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