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Protestaktion für die Abschaffung des Adels

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Am Mittag des 10. Juni 2025 protestierten Aktivist:innen aus Baden und Oberschwaben gemeinsam gegen die Nachfahren des „Bauernjörg“ und alle anderen Adligen. Ihr Banner auf der Aussichtsplattform der Waldburg in der Nähe von Ravensburg trägt die Aufschrift: „Von Reichtum aus Bauernblut lebt sich’s [auch] heut noch gut“.

In einer Pressemitteilung der Protestler:innen heißt es weiter:

„Wir fordern die Adligen auf, ihren Reichtum an die Gesellschaft zurückzugeben. Wer von der ,Belohnung‘ für das Abschlachten von tausenden Bauern heute noch profitiert, lebt von Unrecht“, so eine der Aktivist:innen. 1525, vor genau 500 Jahren, schlug Truchsess Georg III. von Waldburg die aufständischen Bauern final nieder. Diese hatten sich für Forderungen nach Menschenrechten und dem Ende der Leibeigenschaft zusammengetan.

Er wickelte sie außerdem mit einem listigen Vertrag in Weingarten um den Finger. Um die Vorherrschaft des Adels und das repressive Ständesystem aufrechtzuerhalten, zog Truchsess, der sogenannte „Bauernjörg“, im Auftrag des Schwäbischen Bundes durch Württemberg und ermordete mit seinen Truppen schätzungsweise 20.000 Bauern. So bestand die Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern und Bäuerinnen fort, damit einige wenige in Saus und Braus leben können.

„Für das Totschlagen des Aufstandes der Bäuerinnen und Bauern, die im Kern eine frühe Version der Menschenrechte forderten, wurde der Truchsess auch noch bezahlt. Gulden, Land und ein Schloss: Dinge, die bis heute noch im Familienbesitz sind“, kritisieren die Aktivist*innen. „Bis heute verwirklichen die Adligen vom Hause Waldburg-Zeil ihre konservative Weltsicht, durch Meinungsmache in ihrer Schwäbischen Zeitung, durch ihre Kiesgruben oder das Abschöpfen von Geld aus Windrädern im fürstlichem Wald“.

Eine badische Aktivistin fügt hinzu: „Es ist an der Zeit, ihren Einfluss zu beenden, deren Besitz dem Durchschnittsbesitz anzugleichen und den Überschuss dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen. Wie die Welt aussehen würde, wenn es komplett nach dem Kopf des Adels ginge, will man sich nicht vorstellen. Darum: Baden und Schwaben z’samme Hand in Hand, gegen den Adel in jedem Land“.

MM, Bild: Aktivist:innen

6 Kommentare

  1. Peer Mennecke

    // am:

    @ Johannes Rathmann

    Sehr steile Thesen. Aristokratie statt Anarchie? Sie meinen das tatsächlich ernst? Wusste bis hierher gar nicht, dass der „Adel“ (den es ja aus guten Gründen gar nicht mehr gibt), nun auch schon Lobbyisten beschäftigt. Lustiger Versuch! Aber leider völlig aus der Zeit gefallen.

  2. Johannes Rathmann

    // am:

    Sicherlich war gerade die Frühe Neuzeit, was die Bauernunterdrückung durch lokale Adlige, aber auch was den Hexenwahn betrifft, eine düstere Zeit. Mehr noch als das eigentliche Mittelalter. Trotzdem sollte man, wenn man sich mit Geschichte beschäftigt, differenzieren und vor allem auch wissen, dass ein Geschichtsurteil von der hohen Warte der heutigen Wohlstands- und Freiheitszeit immer zu guten Teilen tendenziös, also ungenau, wenn nicht sogar falsch sein kann. Warum? Weil wir Heutigen uns nicht mehr vorstellen können, was Anarchie, das Recht des Stärkeren und alltägliche existenzielle Angst um Familie und Leben bedeuteten. In der gewalttätigen, archaischen Zei des Frühmittelalters war jeder Ansatz einer Ordnung, und sei es ein undemokratischer, hierarchischer, um Vieles besser als die Anarchie. Die Grundidee der Aristokratie wie der Ständegesellschaft war die Herrschaft der Besten und Potenten. Es gab Beter, Kämpfer und Bauern. Der Adel war der zweite Stand, der verteidigen musste. Es gab im Mittelalter aber die Ideale des guten Herrschers, des rex bonus, und des Ritters, des Beschützers der Armen, Witwen und Waisen. Leibeigener zu sein bedeutete zwar Unfreiheit, aber auch Schutz und Almosenansprüche gegenüber dem Grundherrn. Leibeigenschaft war zunächst also nichts anderes als ein Zugehörigkeitsbegriff in einer Kleinstgesellschaft, nämlich der des lokalen Adelshauses. Freie z. B. gab es auch, das waren nicht nur Adlige, aber diese konnten, wenn sie nicht Stadtbürger waren, schnell auch ohne Schutz und Trutz dastehen, denn den modernen Revhtsstaat gab es noch nicht. Etwa um 1500, als sich Handel und Wirtschaft im heutigen Sinne entwickelten, gerieten viele Burgherren in Bedrängnis, sie mussten sich oft selbst ein, zwei Ränge in der Heerschildordnung erniedrigen und als Ministerialen einem Herrn dienten, oder aber sie wurden Raubritter, teilweise wurden sie auch Bauernschinder, um ihre Herrschaft noch wirtschaftlich am Leben zu halten. Jetzt kam es vermehrt zu den Unterdrückungen, die wir zu Recht kritisieren, und aus dieser Zeit stammt auch der böse Ruf der Leibeigenschaft. Der Bauernjörg, Georg III. von Waldburg- Zeil, ist ein Beispiel für Adlige Unterdrückung in dieser dunklen Zeit. Und trotzdem: Wenn wir Heutigen die Vergangenheit beurteilen, sollten wir differenzieren können. Es gab vom Mittelalter bis in die jüngere Zeit viele verdiente Adlige, die Ihr Bevölkerung achteten und beschützten, und Kunst und Kultur förderten. Von den steingewordenen Träumen Ludwigs II. von Bayern z. B. lebt der Freistaat noch heute ganz einträglich. Hätte man den Märchenkönig enteignen sollen? Wer hätte die Mittel für Kunst und Kirchenbauten gehabt, wenn alle gleich gewesen wären? Nur zum Vergleich: der Inquisition fielen schätzungsweise 8000 – 12000 Menschen zum Opfer, dem Bauernjörg 20000 Menschen, in den terreurs der Französischen Revolution aber starben bis zu 200000 Menschen, zudem wurden unschätzbare Kulturwerte verwüstet, und das alles im Namen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Schon Martin Luther hat die Bauern 1525 eindringlich für ihre gewaltsame Selbstjustiz kritisiert. Und er stand eigentlich auf der Seite des kleinen Mannes. Folglich sind auch heute ein offener Dialog, ja auch harte Diskussionen zur Rolle des Adels in der modernen Zeit ein besserer Weg als nur Provokationen. Adel verpflichtet, wie auch Eigentum verpflichtet, diese Leitsätze wären ein guter Ausgangspunkt für die für die Frage einer neuen Rolle des Adels in der Demokratie. Aber nicht kommunistische Zwangsenteignungen. So etwas schafft keinen Mehrwert, und es birgt immer auch die Gefahr der Guillotine

  3. Anselm Venedey

    // am:

    @eck
    Leider lässt sich der Adel nicht abschaffen. Er definiert sich selbst. In Artikel 109 der Reichsverfassung vom August 1919 wurden aber die öffentlich-rechtlichen Vor- oder Nachteile der Geburt oder des Standes aufgehoben und das Namensrecht geregelt. Die durch vorherige Adelsprivilegien angehäuften, unerhörten Vermögen wurden leider nicht enteignet

  4. Bernd Spellenberg

    // am:

    Der Bauerjörg wurde vom Bildhauer Peter Lenk in seinem Denkmal zum Bauernkrieg in Böblingen, entsprechend seiner Taten, sehr eindrücklich mit weiteren Begebenheiten dargestellt.
    Das ca. 10 Meter hohe, sehr ausdrucksvolle Denkmal steht seit Mai 2025 anlässlich des 500-jährigen Gedenkens an den Bauernkrieg am Oberen See in Böblingen. Ein Besuch in Böblingen auch im Bauernkriegsmuseum lohnt sich.

  5. Sabrina Burandt

    // am:

    Irgendwer hat mal gesagt: „Dafür, dass es den Adel gar nicht mehr gibt, hat er sich verdammt gut gehalten.“ ;)

    Letztlich war die „Abschaffung“ halt eher eine bürokratische Formalie. An den Besitzverhältnissen hat sich dadurch ja nicht automatisch was geändert. Schließlich haben die adeligen Familien nie aufgehört, größtenteils untereinander zu heiraten, ihre Kinder weiter auf dieselben teuren Eliteschulen zu schicken und auch sonst alles dafür zu tun, dass ihr Vermögen bloß nicht unter die einfachen Leute kommt. Und man kann sicher nicht alle über einen Kamm scheren, aber das Familienvermögen vieler Linien lässt sich tatsächlich durchgängig zu Raubrittertum und/oder Kolonialismus zurückverfolgen. Zu Reparationen kam es nie – mit einer Ausnahme, und die Hohenzollern klagen immer noch auf Schadenersatz wegen der Enteignungen 1945.

  6. Eckhard Grempels

    // am:

    Ich dachte, es gibt in Deutschland seit 1919 keinen Adel mehr. Oder habe ich in der Schule nicht aufgepasst und verwechsele etwas? Deshalb heißt es ja auch nicht mehr Gräfin Sonja Bernadotte, sondern Sonja Gräfin Bernadotte.
    Sonst kann ich der Aktion aber zustimmen!

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