Christoph Nix in seiner Zeit als Intendant © Holger Reile

Klappe zu, Affe tot. Hände weg von spielenden Menschen in Konstanz!

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Christoph Nix in seiner Zeit als Intendant, vermutlich 2010 © Holger Reile
Christoph Nix in seiner Zeit als Intendant © Holger Reile

Auch Christoph Nix hat sich jetzt zu den geplanten Kürzungen am Konstanzer Theater zu Wort gemeldet. Hier sein offener Brief an die verantwortlichen Stadtoberen.

Lieber Uli Burchardt,
verehrter Herr Osner,

wer lesen kann, soll lesen: er wird überzeugt sein von Daniel Graebers Studie „Schulden“, einer Aufarbeitung der letzten 5000 Jahre Schuldengeschichte. Er wird die Augen öffnen und sagen: ja, die Pläne zur Schließung einer Theaterbühne in Konstanz oder zur Entlassung von Musikern haben mit den Schulden dieser Stadt nichts zu tun.

Kein Zweifel, es gibt eine Geschichte der Schulden, und diese ist in Konstanz eine kurze Geschichte. Diese Schulden entstanden in Ihrer Amtszeit, sie wären unmöglich gewesen beim Sparfuchs und Alt-OB Horst Frank und beim damaligen Kämmerer; unmöglich wäre es aber auch gewesen, eine Sparmaxime von 20% in kulturellen und Bildungseinrichtungen auch nur zu diskutieren.

Es bedarf nicht einmal der Kenntnisse eines mittelmäßigen Stadtkämmerers, um das Desaster zu benennen: Ihre Referenten haben sich vervielfacht, der Etat für Gutachten ist in grandiose Höhen geschossen, die Reisekosten haben sich verdoppelt, und alle Prestigeprojekte sind in die Hose gegangen, zuvorderst das Bodenseeforum.

Das verschweigen alle, die an dem Beschluss damals mitgewirkt haben, zu viele fühlen sich auch im Gemeinderat schuldig und reden sich schön. Sie wollten nicht sehen, dass der Kaiser nackt ist, dass er inhaltlich, moralisch-politisch nichts zu sagen hat: Nichts.

Wie hilflos wirken die Bettelbriefe an die Verwaltungsspitze, wenn doch eigentlich der Souverän, das Parlament, in die Verantwortung genommen werden müsste. Der Gemeinderat macht die Haushaltssatzung und die Gemeinderäte werden sich ihre eigenen Kulturstätten nicht zerstören.

Addiert man die Stellenvermehrungen im Dezernat des OB, die Jahreskosten der Begutachtungen, die Abfindungen für falsche Personalentscheidungen und projektiert jetzt eine andere Politik, bedarf es dieser Einsparungen gar nicht. Es ist Euch, Ihr Bürgermeister, dieser Stadtspitze und ihren Wirtschaftsförderern nie gelungen, kapitalkräftige Wirtschaft nach Konstanz zu holen, daher keine Konferenzen, keine Kongresse von wirtschaftlichen Interessenverbänden im Bodenseeforum, weil die Stadt in dieser Frage leider ein schlechtes Image hat. Wo ist das Versprechen von Andreas Osner: keine Kürzung mit mir?

Sprechen wir von der Kunst und dem Sport, sprechen wir von Kultur. Es geht um gemeinsame Lösungen und nicht darum, Menschen und Kultur gegeneinanderzustellen. Sport, Karstadt, die freie Szene müssen zusammenhalten. Bürgermeister, aber auch die Landespolitiker dieser abgehangen-idyllischen Landschaft dürfen nicht herausgehalten werden. Es gibt keine sauberen Hände. Pilatus wäscht nicht. Was mich ärgert und scheinbar keiner sieht: das Stadttheater ist kein Ort „nur bürgerlicher Kultur“ gewesen. Wir hatten Platz für Fußballer und Fastnachter, klinisches Personal, Strafgefangene, Theater Konstanz ist Volkstheater.

Ich habe die Werkstattbühne von November bis Januar allein für die Vorschulkinder geöffnet, Kindergärten kamen zu Hunderten, Theater für Kleinkinder im geschützten Raum – und den wollt ihr schließen, Ihr Gemeinderäte, Ihr familienlosen Bürgermeister. Wo seid Ihr, Ihr Kindergärtner und Kindergärtnerinnen?

Der Gemeinderat hat 2008 die Spiegelhalle ausbauen lassen, die Werkstattbühne ist ein Ort für Laiengruppen und Lesungen und kleine feine Spielformen gewesen, aber nähern wir uns dem eigentlichen Skandal: Konstanz gewinnt seit Jahren an seiner Kultur auch ökonomisch, sieht das denn keiner: Theater und Orchester sind Arbeitsplätze, 28% der Lohnkosten fließen zurück, alle Mitarbeiter sind Teil des Finanzausgleichs.

Der Landesanteil wird gekürzt werden, wenn die Stadt kürzen wird, und die Spielbankabgabe wird seit Jahren auch für die Pflege von Grünanlagen verwendet, statt für Kultur im engeren Sinne: es fließt mehr rein, als raus. Das ist Fakt.

Den landespolitischen Skandal müssen sich CDU und Grüne auf die Fahnen schreiben, denn das Land fördert das Theater seit 44 Jahren unterdurchschnittlich, während andere Bühnen in Baden-Württemberg an die 50% Förderung bekommen.

Wäre das gewährleistet, wäre die Spardebatte vom Tisch. Auch die Berichterstattung macht nicht deutlich, dass die städtischen Zuschüsse doch auch den Vermögenshaushalt betreffen, will sagen: Immobilien sind. Offenheit ist gefragt in der Krise und Verantwortung, die man nehmen muss, nämlich gehen, wenn man so viele Schulden auf die anderen abladen will.

Nennen wir Ross und Reiter. Es wäre Aufgabe von Politiker*innen, hier einen Krisenplan zu entwickeln, das wäre mehr als schöne Bilder, das wäre Arbeit, es wäre die Aufgabe für Andreas Jung, endlich was für seine Heimat zu tun, statt Merzscher Worte.

Ja, Uli Khuon, man ist beliebter, wenn man freundliche Briefe schreibt, aber so benennt man nicht den Prozess der Kleinmächtigen, denen Kunst und Kultur schon immer suspekt waren:

Wir sind der Schmerz und nicht der Arzt.

Liebe Bürgermeister: Die Stadt braucht kompetente Menschen an der Spitze, solche, nach denen sich Philosophen und Wirtschaftskapitäne die Finger lutschten, das gilt vor und nach der Wahl: Hände weg vom Orchester und Theater, vom Kino und von all den spielenden Menschen. Spart an Euch und nicht an HarfenspielerInnen.

Euer
Professor Dr. Christoph Nix

1 Kommentar

  1. Marion Vogel

    // am:

    Wie recht Sie haben, Herr Dr. Nix! Die Geldverschwendung der Verwaltung ist ein Skandal, hier sollten die Sparmaßnahmen als Erstes ansetzen.

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