Geplantes Baugelände am Marienweg in Litzelstetten im November 2023 © Anke Schwede

Kein Schutzengel, nirgendwo, nur Teufelchen überall

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Baugelände am Marienweg in Litzelstetten
Am Marienweg in Litzelstetten

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft WOBAK beantragte im September 2022 die Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage innerhalb des Bebauungsplangebietes „Marienweg“ in Litzelstetten, also am nördlichen Ortsausgang in Richtung Dingelsdorf. Daraus wurde: Ein Dramolett der schwarzen Bau-Magie.

Offensichtlich treibt kaum etwas auf der Welt (abgesehen von der männlichen Sexualität und der weiblichen Heilkunst) derart bizarre Blüten wie das Baurecht. Dort geschehen Dinge, die mit unserer irdischen Vernunft nicht zu fassen sind, auch wenn sie als ganz irdische Gesetze, Verordnungen und Bebauungspläne getarnt sind. Selbst die Hohepriester des alltagstauglichen Satanismus, die Juristen, bekommen Schwitzflecken und haben einen unaufschiebbaren lebenslänglichen Auswärtstermin, sowie man sie um baurechtlichen Rat angehen will.

Etwas dieser Art scheint sich auch in Litzelstetten im Marienweg zugetragen zu haben, will man der folgenden Mitteilung der Stadt glauben. Die WOBAK wollte dort den Heiligen Geist des Wohnungsbaus ausgießen, doch dann kamen gleich mehrere perfide Teufelchen wie die Landesbauordnung und das Regierungspräsidium herbeigeschossen, um die edle Seele der Baupläne über dem Feuer der Rechtsauffassungen zu rösten und von allen tugendsamen Absichten zu reinigen.

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Dieses Purgatorium liest sich nun so:

„Da gegen das geplante Vorhaben Einwendungen vorgetragen wurden, ist gemäß §48 Abs. 2 der Landesbauordnung (LBO) für die Erteilung der Baugenehmigung dann nicht mehr die Stadtverwaltung Konstanz, sondern das Regierungspräsidium Freiburg als nächsthöhere Behörde zuständig. Der Wechsel der Zuständigkeit bei Bauanträgen einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ist derzeit jedoch nicht abschließend geklärt, und auch zur Frage, ob ein Bauantrag der WOBAK ein Vorhaben der Gemeinde entsprechend § 48 Abs. 2 LBO ist, gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen.

Nach Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums ist für das Neubauvorhaben der WOBAK die Voraussetzung für einen Zuständigkeitswechsel gegeben. Die Stadt Konstanz ist seit Jahren eine Verfechterin einer Änderung dieser Vorschrift zum Zuständigkeitswechsel, da dieser eine enorme zeitliche Verzögerung in der Genehmigung von Bauvorhaben mit sich bringt. Entsprechend wurde aufgrund der aus Sicht der Stadt rechtlich gegebenen Möglichkeit zur Erteilung einer Baugenehmigung diese auch umgesetzt und die Baugenehmigung erteilt. Das Bauvorhaben „Marienweg“ entspricht in vollem Umfang den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans.

Erst nach Klärung der Rechtslage und der darauffolgenden förmlichen Anweisung des Regierungspräsidiums vom 07.06.2023 wurde die Baugenehmigung wieder aufgehoben. Die förmliche Anweisung erfolgte auch auf Wunsch der Stadt, um die rechtliche Situation für ähnliche Fälle zu klären und die derzeitigen Schwierigkeiten im Wohnungsbau sichtbar zu machen sowie den bereits jahrelangen Forderungen auf eine Gesetzesanpassung in diesem Bereich Nachdruck zu verleihen.

Weiteres Vorgehen: Für die Erteilung der baurechtlichen Genehmigung ist nun das Regierungspräsidium Freiburg zuständig. Diese ist bislang nicht erfolgt (Stand 24.10.2023). Grund hierfür ist, dass sich die Rechtsgrundlage für den Bebauungsplan „Marienweg“ zwischenzeitlich geändert hat. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 18.07.2023 festgestellt, dass §13b des Baugesetzbuches nicht mit EU-Recht vereinbar ist und entsprechend nicht mehr angewendet werden darf. Der Paragraf ermöglichte es bis zum Gerichtsurteil, Bebauungsplanverfahren für kleinere Bebauungspläne an Ortsrändern und mit einer Geschossfläche von max. 10.000 qm in einem beschleunigten Verfahren durchzuführen. Als eine wesentliche Vereinfachung war eine Umweltprüfung nicht erforderlich. Für den Bebauungsplan „Marienweg“, der auf § 13b und damit der vorhergehenden Rechtsgrundlage beruht und seit dem 08.12.2021 rechtskräftig ist, muss nach aktuellem Stand diese Umweltprüfung nun nachgeholt und das Bebauungsplanverfahren geheilt werden.“

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Sollten Sie bis hierher durchgehalten haben, wissen Sie in Zukunft, was Sie Ihren ärgsten Feind*innen von ganzem Herzen wünschen wollen: „Mögest Du den ganzen Tag Bauanträge verfassen, während das Auge der Obrigkeit prüfend auf Dir ruht.“

Text: Stadt Konstanz, seemoz; Bild: ans

1 Kommentar

  1. Peer Mennecke

    // am:

    Der Zuständigkeitswechsel für die Genehmigung hat nichts mit dem inzwischen ungültigen
    § 13b zu tun sondern begründet sich daraus, dass die Stadt Konstanz als Gesellschafter (96% Anteil) der Wobak sich eine Baugenehmigung nicht selbst ausstellen darf.

    Der § 13b (beschleunigtes B-Planverfahren ohne Umweltprüfung, Hörung von Anliegern etc.) sollte nur für die schnellere Schließung von Baulücken bzw. Vorhaben innerhalb bebauter Flächen angewendet werden und ist schon oft missbraucht worden (z.B. durch Anwendung im Außenbereich) und wurde deshalb durch Gerichte nach Einwendungen während der Offenlage meist gekippt.

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