Julika Funk © Julika Funk

Julika Funk: Queeres Engagement im Rathaus

Julika Funk © Julika Funk
Julika Funk

Mit dem Sammelbegriff „queer“ werden Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten bezeichnet, beispielsweise Lesben, Schwule und Trans*-Personen. Julika Funk leitet die Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz, deren Schwerpunkt per Gesetz die Gleichstellung von Frau und Mann ist, queere Themen sind eigentlich nicht vorgesehen. Gleichwohl engagiert sie sich dafür.

Julika Funk übernahm 2018 die Leitung der Chancengleichheitsstelle und hat seitdem auch queere Themen im Blick. Im Gespräch mit seemoz betont sie, dass diese Themen inhaltlich eng mit der Gleichstellung von Frauen und Männern zusammenhängen. Traditionelle Vorstellungen, Rollenzuschreibungen und Vorurteile bezüglich der Geschlechter behindern sowohl die Gleichberechtigung von Frauen als auch die Überwindung der Diskriminierung queerer Menschen. Julika Funk erläutert, dass sie ihr queeres Engagement „on top“ leistet, ohne dass die Chancengleichheitsstelle dafür zusätzliche Ressourcen bekommen hätte. Ihr ist wichtig, dass die Arbeit in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen ohne Einschränkungen weitergeführt wird, da diese keineswegs an Bedeutung verloren hat.

2 Väter + 2 Kinder – wirklich eine Familie?

Julika Funk berichtet von konkreten Beispielen aus ihrer Tätigkeit im Bereich Anti-Diskriminierung. Von Mitarbeitenden eines Betriebes mit Bezug zur Stadt Konstanz wurde in Frage gestellt, ob zwei Väter mit ihren beiden Pflegekindern tatsächlich den ermäßigten Familien-Tarif nutzen können. Eine Trans*-Person, die in der Stadtverwaltung arbeitet, möchte ihren Namen ändern und sich damit outen. Sie befürchtet im Vorfeld Diskriminierung und hat Julika Funk um Beratung gebeten. Hier erweist es sich als Vorteil, dass in der Stadtverwaltung offenbar allgemein bekannt ist, dass sich die Leiterin der Chancengleichheitsstelle mit solchen Themen auskennt und sich darum kümmert.

Symbolpolitik und Arbeitsalltag

Der Gemeinderat hat im Februar die „Konstanzer Erklärung gegen Diskriminierung“ verabschiedet. Julika Funk hebt positiv hervor, dass die „sexuelle Orientierung“ sowie die „geschlechtliche Identität“ hier als Diskriminierungsmerkmale ausdrücklich genannt werden. Sie sagt aber auch: „Es handelt sich um Symbolpolitik. Im Arbeitsalltag der Stadtverwaltung werden immer wieder die Relevanz der Thematik sowie Diskriminierungsrisiken in Frage gestellt.“ Es ist also wichtig, dass Bedeutung und Relevanz der „Konstanzer Erklärung“ in der gesamten Stadtverwaltung sowie in den Betrieben mit Bezug zur Stadt erkannt werden.

Beratungsstelle für queere Jugendliche

Queere Jugendliche in der Phase der Identitätsfindung befinden sich oft in schwierigen psychischen Situationen und haben einen hohen Beratungsbedarf, gerade weil ihre Themen auch in der heutigen Gesellschaft oft tabuisiert werden – von Eltern, Lehrkräften, aber auch Sozialarbeiter*innen.

Fachlich qualifizierte Beratung gibt es in unserer Region nicht. Daher ist die Einrichtung einer queeren Beratungsstelle durch die Stadt Konstanz geplant, der Gemeinderat hat die Finanzierung mehrheitlich abgesichert. Die operative Verantwortung hierfür liegt beim städtischen Sozial- und Jugendamt. Julika Funk bringt ihre Expertise ein, sie hebt die gute Zusammenarbeit mit Alfred Kaufmann, dem zuständigen Amtsleiter, hervor.

Wichtig ist bei diesem Projekt die Einbindung der queeren Community, die für die Beratungsstelle Lobbyarbeit im positiven Sinn betrieben hat. Funk berichtet vom aktuellen Stand: Derzeit läuft ein „Interessenbekundungsverfahren“, um einen Träger für diese Einrichtung der Jugendhilfe zu finden. Sie betont, dass dieser Träger für die Zielgruppe glaubwürdig sein muss. Daher soll die queere Community bei der Auswahl eingebunden werden. Die Beratungsstelle wird ihre Arbeit voraussichtlich im Herbst dieses Jahres oder zu Jahresbeginn 2026 aufnehmen können.

Aktuelle gesellschaftspolitische Diskussionen

Julika Funk erzählt von ihrem langjährigen ehrenamtlichen Engagement für den Verein „Belladonna – Frauen und Kultur“, der sich als Teil der queeren Community versteht. Schutzräume dezidiert nur für Frauen, wie sie dieser Verein bietet, sind aus ihrer Sicht weiterhin notwendig, wobei es selbstverständlich ist, dass diese Schutzräume auch Trans*-Frauen offenstehen müssen. Sie sieht die aktuellen Kontroversen zwischen Teilen des traditionellen Feminismus und der queeren Bewegung als „großes Missverständnis“. Es gibt keinerlei inhaltlichen Widerspruch zwischen der Forderung nach der Gleichstellung von Frauen und der Selbstbestimmung von Trans*-Personen. „Es ist schade, dass diese Themen gegeneinander ausgespielt werden“, sagt sie abschließend.

Text: Till Seiler, Bild: Julika Funk

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert