Der Biber ist ein weithin gefürchtetes Raubtier, keine Frage, denn mindestens einem bekannten Konstanzer rauben seine Grabungsarbeiten am Bodenseeforum die Nachtruhe. Aber auch in Kreuzlingen hinterlässt das Ungeheuer eine Schneise der Verwüstung und raubt den Spaziergänger*innen den entzückenden Anblick schöner Parkbäume. Doch in Zukunft soll es sich daran seine Raffzähne ausbeißen.
Als der Angriff der Biber auf die Konstanzer Uferpromenade vor vielen Jahren begann, ahnte ja noch niemand, dass ihr eigentliches Ziel dereinst das Bofo sein würde. Als es dann soweit war, fehlte es nicht an guten Ratschlägen: Ein linker Gemeinderat wollte das Bofo ihrer Wühlarbeit einfach überlassen („die Viecher kosten nichts, und von Arsch ist der Bau ja sowieso“). Aus dem bürgerlichen Lager hingegen kam der Rat, das Bofo hermetisch mit Minenfeld und Selbstschussanlagen abzuriegeln, „dann lernen diese verflohten Schmarotzer endlich mal, was harte Arbeit ist, hähä“. Die eher marktwirtschaftlich Gesonnenen hingegen setzten auf ein Radrennen des Gemeinderates gegen die Biber und wollten sie als die sicheren Verlierer dann der Stadt verweisen, denn „wer im Wettbewerb nicht bestehen kann, der hat auch kein Recht, weiterhin unsere Stadt zu untergraben“. Manche älteren Herrschaften sprachen gar von der 5., 6. oder 7. Kolonne Moskaus, die hier seit 1968 … aber lassen wir das.
Die Konstanzer*innen wissen also längst ein garstig Lied davon zu singen, wie diese unappetitlichen Vielfraße ihnen zusetzen (siehe hier). Die übrigens so hässlich sind, dass kein anderes Tier sie fressen mag, solange es noch irgendwo ein saftiges Stück Aas oder Nudeln im Sonderangebot bei Aldi gibt.
Daran, dass diese unreinlichen Unholde gar in die so sehr auf Reinlichkeit bedachte Schweiz einbrechen würde, wagte hingegen niemand auch nur zu hoffen.
Benehmt Euch gefälligst
Wie bringt man diesen speckigen Rotzlöffeln nun bei unseren schweizerischen Nachbar*innen den nötigen Anstand bei? Wie hält man sie davon ab, Bäume einfach umzubeißen, statt sie getrost der Kettensäge des Forstamtes zu überlassen?
Ein die Seele reinigender sowie das Gewissen reinigender Kirchgang unter strenger Aufsicht macht keinen Sinn, da verschwinden sie gleich in der Krypta oder nagen am Chorgestühl. Fünf Hiebe mit der Hundepeitsche aus Biberleder? Da reißen sie aus Rachsucht gleich die nächste Rheinbrücke ein.
Aber es gibt ein stets wirksames Allheilmittel gegen Nervepöter jeder Art: Der Hunger ist der beste Lehrmeister für zivilisiertes Verhalten, wie wir seit unseren Kindertagen wissen, als es zur Strafe für allgemeine Hinterfotzigkeit und für knatternde Fürze bei Tisch nur zu oft hieß: „Ungegessen ins Bett mit Dir, aber sofort, ehe ich mich noch vergesse!“
Die Lehre daraus? Nachdem die Biber jetzt auch Kreuzlingen zu untergraben beginnen, soll es ihnen ähnlich schlecht ergehen wie uns damals. Für all die leckeren Bäume im Park am See gilt dort nämlich in Zukunft: Anschmachten ja, reinbeißen nein.
Dies teilt zumindest die Stadt Kreuzlingen mit:
„Im Seeburgpark leben derzeit vermutlich acht Biber und finden dort reichlich Nahrung. Mit dem Bibermanagement soll Tier, Natur und Mensch Rechnung getragen werden.
[Die] Tiere leben zwischen dem Fischerhaus und der Wollschweininsel: vermutet werden eine Familie mit vier Jungen sowie ein Pärchen. Die Pflanzenfresser haben sich den Uferbereich in zwei Reviere aufgeteilt und finden dort auch reichlich Nahrung. Insbesondere im Herbst und Winter stehen junge Äste auf ihrem Speiseplan. Um an sie heranzukommen, fällen die Baumeister mit ihren messerscharfen Zähnen selbst dicke Baumstämme im Nu.
Mit dem Bibermanagement will die Stadt Kreuzlingen einen Ausgleich zwischen Baumbestand und dem Wirken der tierischen Baumeister schaffen und möglichen Gefahren und Konflikten zuvorkommen. Dabei werden folgende Ziele verfolgt: Unfälle vermeiden, den Fortbestand der Bäume entlang des Seeufers gewährleisten und gleichzeitig ausreichend Nahrung und Lebensraum für die Biber zur Verfügung stellen.
Mit fachlicher und praktischer Unterstützung von Pro Natura werden in den Biberrevieren entlang des Seeufers Bäume mit Gittern geschützt. Zum Einsatz kommt auch eine mit Sand vermengte Schutzfarbe. Diese Massnahmen sollen verhindern, dass die Biber die Bäume fällen. Gleichzeitig werden schnellwachsende Weiden gepflanzt und einzelne, teilweise bereits geschädigte Baumbestände den Tieren überlassen.“
Warum müssen die Biber aber eigentlich die Bäume fällen, statt einfach daran hochzuklettern und die Spitzen wegzuspachteln? Weil sie nicht arbeiten, sondern faulenzen und daher schmerbäuchig und völlig unsportlich sind und mit ihren kurzen Armen keinen halben Meter den Baum hochkämen.
An ihrer Stelle würde wohl niemand von uns anders handeln. Aber wir haben das ja nicht nötig, denn wir sind ja nicht arbeitsscheu, und darum klettern wir die Karriereleiter einfach hoch und höher, wenn wir ein paar junge Triebe schnabulieren wollen, gerade im Herbst und Winter. Aber wir zerbeißen doch nicht die Karriereleiter!
Aber erklären sie das mal einem Biber, den es nach frischen Ästen gelüstet wie den Teufel nach den Hexen.
Bibermanagement unter Bibern unpopulär?
Was die Biber wirklich davon halten, die leckersten Bäume mit bissfestem Draht zu umwickeln und nur ein paar windschiefe Baumstümpfe als Notnahrung stehen zu lassen, kann mensch sich unschwer denken: Das ist ja, als ob es morgen statt Pizza aus dem Steinofen von Wagner nur noch Schwarzwurzelgemüsereste aus der Mülltonne des Nachbarn gäbe, und das nicht nur als einmaligen Ausrutscher am Monatsende, sondern Tag für Tag.
Aber wahrscheinlich müssen die Pelzträger sich nicht wirklich vor dem baldigen Hungertode fürchten (die paar frisch angepflanzten Weiden sind ja nicht mehr als ein Zwischensnack): In der ganzen Region schließen sich bereits Biberretterinnen zu den „Mothers of Invention“ zusammen, um nächtens klammheimlich mit Booten voll frischer Weidenzweige im Kreuzlinger Seepark anzulegen, der vom entsetzlichen Knurren der leeren Bibermägen nur so widerhallt.
Und so sollten Sie sich denn nicht wundern, wenn Sie nachts im Seeburgpark zu Kreuzlingen mit frischen Zweigen bepackte Frauen in ihrer zweiten Lebenshälfte im Ufergebüsch herumkriechen sehen und ihre schnalzenden Lockrufe „Biiiber kooom“, „Leckerleckerleckerli“ vernehmen. Das kommt nicht vom Joint, den Sie dort gerade durchziehen. Das ist vielmehr ganz normal, Sie werden sich schon daran gewöhnen.
Die Biber hoffentlich auch.
Text: O. Pugliese, Medienmitteilung & Bilder: Präsidium Stadt Kreuzlingen sowie Simon Mer, Wikipedia, this file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license („Surprised by a major snow melt, a beaver had to start all over again its cut. Many other cuts are visible in the picture. Taken after 5 days of a specially warm weather for December 2014 in Quebec, followed by a -18c (the day the picture was taken).
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