Niederburg

Hitze in der Stadt

Niederburg
Grün an Privathäusern in der Niederburg (Bild: Stephan Schulz)

Im Juni und Anfang Juli war es an einigen Tagen heiß – unerträglich heiß. Normal wären solche Temperaturen vielleicht Anfang August – Karsten Schwanke und Sven Plöger erklärten uns deutlich die Folgen des Klimawandels und Richard David Precht belehrte uns in der taz zynisch, dass eh schon alles zu spät sei.

Ist es das? Tatsächlich ist nicht nur in den USA ein eingefleischter Klimaleugner an die Spitze gewählt worden. Auch hier führt Alice Weidel einen heiligen Kampf gegen Windräder und fühlt sich dabei wahrscheinlich als Jeanne d’Arc, obwohl ihr Tun in diesem Fall eher an Don Quichotte erinnert.

Aber machen wir uns nichts vor: auch in der vergangenen Legislaturperiode hatte Wirtschaftsminister Habeck nichts wichtigeres zu tun, als z. B. vor Rügen LNG-Terminals aus dem Boden zu stampfen. Klimaschutz? (wofür die Grünen ja mal gewählt wurden!) – Fehlanzeige. Und jetzt? Hat mal jemand nachgerechnet, wieviel die aktuell betriebene (Re-)Militarisierung der Gesellschaft nicht nur kostet, sondern auch zum Kohlendioxid-Ausstoß beiträgt: von der Produktion gar nicht zu reden, reicht die Tankfüllung eines „Leopard“ von 1160 l (!) im Normalbetrieb etwa zwei Tage.

Aber bleiben wir auf dem Boden und in unserer „kleinen Stadt am See“. Die Frage dabei: was tut diese Stadt, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und außerdem die Bürger:innen vor den bereits erkennbaren Folgen dessen zu schützen, was bisher versäumt wurde? Der Oberbürgermeister hat ja immerhin schon mal den Klimanotstand ausgerufen – da sollte man doch das eine oder andere erwarten?! Zumindest, dass er etwas gelernt hat, denn einige Zeit vor dem Ausrufen des Klimanotstandes hatte er in völliger Verkennung der Situation noch die Pappeln im Tägermoos abholzen lassen.

Gelernt? Nicht, wenn der mächtige Caritas-Chef und CDU-Kollege ein Pflegeheim bauen will, doppelt so groß, wie unter wissenschaftlichen Aspekten als sinnvoll erachtet: „Ja, da kann man doch nicht kalt und herzlos sein“ (Dreigroschenoper) – nicht kalt und herzlos gegenüber dem Caritas-Chef natürlich … Für dazu zu fällende Kastanien gilt leider etwas anderes. Und man reibt sich verwundert die Augen:

Die jährlichen (Übersterblichkeits-)Statistiken weisen aus, dass vor allem alte Menschen durch Hitze gefährdet sind und dann werden ausgerechnet für ein Pflegeheim Bäume gefällt, die wenigstens lokal die Hitzefolgen noch etwas hätten abmildern können.

Umau des Stephansplatzes und Plastikblumen

Aber bleiben wir nicht bei alten Dingen hängen (die aber wohl bemerkt bis heute Auswirkungen haben – man vergisst sie nur gerne). Schauen wir trotzdem auf die Situation heute: Der Stephansplatz: immer noch Parkplatz. Die Marktstätte: ein bisschen Grün im vorderen Bereich, ansonsten so baum-, trost- und phantasielos wie eh und je. Das Döbele: immer noch Parkplatz (anstelle einer mit Grün aufgelockerten Wohnbebauung). Der Münsterplatz: dort stellt jetzt die Gastronomie Olivenbäume in Kübeln auf, weil es keine schattenspendenden Bäume gibt. Der Pfalzgarten, groß angekündigt als „temporär umgestaltet mit viel Grün“: bei genauer Betrachtung beschränkt sich das auf ein paar Blumenkübel, wie sie jede Person, die einen Balkon hat, dort aufstellt.

„Smart green city“ nennt sich Konstanz – vielleicht muss man/frau es erklären: zu Kugeln geformte Plastikblumen, wie sie über allen Straßen hängen, filtern kein Kohllendioxid aus der Luft und spenden auch keinen nennenswerten Schatten!

Gut gemeint mag immerhin die Aktion „Klimabäume“ sein – zumindest für diejenigen, die einen ausreichend großen Garten ihr Eigen nennen (in der Altstadt wird das eher nicht der Fall sein). Vor allem aber ist das wieder jene Form von Individualisierung, bei der Einzelnen die Verantwortung zugeschoben wird, die auf politischer und Unternehmensebene ausbleibt.

Tatsächlich aber haben Niederbürgler:nnen auf einer seit Jahrzehnten nicht genutzten Verkehrsinsel einen Ableger einer der gefällten Kastanien gepflanzt. Diese wurde eines Tages von Mitarbeitern der Stadt kurzerhand abgesägt – weiß der Teufel, ob da jemand die Erinnerung an die gefällten Bäume verhindern wollte?

Auf Beschwerde hin wurde dann zugesichert, man werde dort (nach mindestens zwei Jahrzehnten Untätigkeit) einen „richtigen“ Baum pflanzen. Das ist tatsächlich geschehen – vor knapp einem Monat. Seither hat sich die Stadt nicht mehr darum gekümmert und hätten die Niederbürgler:innen ihn nicht gegossen, wäre er inzwischen kläglich vertrocknet.

Es gibt also für die Stadt im Umgang mit den Bürger:innen noch viel zu lernen – genau so, wie im Umgang mit der Klimaerwärmung – hoffen wir, dass das irgendwann klappt!

Text und Bild: Stephan Schulz

6 Kommentare

  1. Albert Kümmel-Schnur

    // am:

    Um es vielleicht noch einmal deutlicher zu machen: es geht nicht darum, keinen Wohnraum zu schaffen, sondern um das ernsthafte Bemühen um Lösungen jenseits von Neubau und weiterer Bodenversiegelung (der derzeitige Tiefpunkt ist der Bahnhofsvorplatz und drei Eichen in unangemessen kleinen Pflanzstellen zu setzen wie auf der Marktstätte, ist auch kein Erfolg für den Klimaschutz). Es geht zweitens darum, bei Planungen auch die nicht-menschlichen Wesen – Pflanzen, Tiere – zu berücksichtigen. Also etwa ein Pflegeheim so zu planen, dass man Kastanien dafür NICHT fällen muss (mir passt dieses Entweder-Oder-Denken nicht). Wir TEILEN uns EINEN Planeten.
    Und nur weil Parks nicht gepflegt werden, sollten sie nicht einfach zur Bebauung/Versiegelung freigegeben werden. Erstens sieht das Ungepflegte aus Insektenperspektive vielleicht deutlich anders aus – in Schwäbisch Gmünd gibt es die schönen Schilder „Dein Chaos ist mein Paradies“ für solche Stellen – und zweitens kommt vor der Bebauung vielleicht ja die Forderung an die Gemeinde, schlecht gepflegte oder verwahrlosende Flächen besser zu pflegen (dazu gehört zB. auch der Palmenhauspark).

  2. Ingeborg Heidl

    // am:

    @P.Köhler: Danke für die Erwähnung des Krankenhausparks = nun zur „Hundewiese“ verkommen!

    Der Krankenhauspark war in den 70/80er Jahren eine Oase, DIE GRÜNE LUNGE mitten in der Stadt, mit vielen großen, schattenspendenden Bäumen, einer himmlischen Ruhe (gut für die Patienten) und einer üppigen Vegetation mit vielen Tierarten. Mit den Jahren haben sich viele „Interessenten mit besten Absichten“ 1 Stück vom Kuchen FLÄCHE genommen – für einen „guten Zweck“. Und nun wird schon wieder geplant: Die neue Rettungswache soll auf das letzte Stück vom Kuchen Krankenhauspark gebaut werden.

    Wenn dann alles zugebaut, eingeebnet und abgeholzt ist, müsste aber auch zwingend der Täter-Ort gegenüber, die DAMALIGE GESTAPO-ZENTRALE und JETZIGE RETTUNGSWACHE eingeebnet werden! Vielleicht entsteht ja dort ein neuer Park mit Mahnmal und Gedenkstätte?
    Es ist paradox – zuerst gingen von dort Tötung und Zerstörung aus – heute werden, ausgehend vom selben Ort, Leben gerettet….

  3. Peter Köhler

    // am:

    5. demnächst Bebauung der „Hundewiese“ im Krankenhauspark (der schon lange kein Park mehr ist, sondern ein paar grünbraune Restflächen zwischen den Häusern).

  4. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Nun: Klimaschutz in Konstanz ist tatsächlich so eine Sache, mehr PR als ernsthafte Problemlösungen zu finden und umzusetzen. Aber immerhin gibt es immer mehr Elektrobusse. Es gibt zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr und eine Verpackungssteuer. Alles zusammen der Aufreger der rechtsradikalen Kreise in Konstanz und auch einiger unbedarfter Bürger.
    Es wäre zu wünschen, dass bei der Betonwüste Marktstätte endlich was passiert und überhaupt noch deutlich mehr für die Stadtbegrünung unternommen wird. Insgesamt passiert viel zu wenig.
    Was das Altenheim und die Bebauung Haffner angeht, so halte ich doch beides für notwendig, denn Wohnraum wird gebraucht und Pflegeplätze eben auch.
    Wobei ich allerdings zu 100% zustimme, die geschmacklosen Plastikblumenkugeln spenden weder Schatten, noch sind sie ästhetisch, sondern in aller erster Linie unnötiger Plastikmüll. Ich frage mich, wer sich diesen Murks ausgedacht hat, wer die Anbringung genehmigt hat und wie hoch die damit verbunden Kosten sind (die Anschaffung, jährliche Anbringung, das Abhängen, und die Lagerung). Diese Geld hätte man wirklich sinnvoller ausgeben können.

  5. Albert Kümmel-Schnur

    // am:

    Auch von mir ein herzliches Dankeschön für den treffenden Artikel. Ich stimme auch Anton Gögeles Einschätzung zu, die Liste ließe sich erweitern, und erwähne noch drei weitere Projekte, die ich erstaunlich finde für eine Stadt, die für sich in Anspruch nimmt, sich im ‚Klimanotstand‘ zu befinden (im Klimanotstand müsste JEDE EINZELNE ENTSCHEIDUNG der Kommune auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft werden):

    1. Das kleinste der Projekte, die ich nennen möchte, ist das unsägliche Asisi-Panorama, für das eine extra für die sonstigen Betonverwüstungen in der Ecke angelegte Ersatzpflanzung von Bäumen, die einen kleinen Wald (siehe zum Zweck solcher Pflanzungen https://de.wikipedia.org/wiki/Tiny_Forest) hätte bilden können, abgeholzt wurde. Aber, was rege ich mich auf: zum Abholzen der Kastanien auf Zoffingen hat mir der OB persönlich 2019 erklärt, so ein paar Bäume müsse man halt den wertvollen Pflegebetten opfern.
    2. Christiani-Wiesen
    und
    3. Hafner.

    Ich kann einfach nicht verstehen, wie eine kleine Stadt wie Konstanz letzte Freiflächen einem Bauen, dass dann auch noch für experimentell und klimafreundlich gilt, geopfert werden. Auch Büdingen hätte ein Wald bleiben können. Auch der sogenannte Laubenhof ist eine Umweltkatastrophe. Ich bin gespannt, wann intelligente und kreative Alternativen – Nutzung von Leerstand, Umwidmung von leerstehenden Gewerbeflächen, insbesondere Büroflächen – der Stadtentwicklung zur Anwendung kommen. Wahrscheinlich ist es dann zu spät.

  6. Anton Gögele

    // am:

    Ich will nicht auf jedes hier erwähnte Thema eingehen, aber das eine und andere noch zuspitzen.
    1. Die Plastikugeln: Die Stadt mag die „grüne“ Werbung auf den Stadtbussen streichen. Zwar ist der Mensch grundsätzlich künstlerisch veranlagt und da mag man diese in den Straßen hängenden Blumenkugeln hinzuzählen, aber der Klimanotstand ist wohl nur im Kopf des OB stecken geblieben. Noch mehr Plastik? Noch hängen sie in Konstanz. In ein paar Jahren landen sie vielleicht in einem gelben Sack „aus Versehen“ in Afrika oder im Meer.
    2. Die Kübel auf dem Augustinerplatz: Kein Schatten, kein Sauerstoffspender. Welchen Akteuren wurden solche Aufträge wie dieser und die Blumenkugeln zugeschanzt?
    3. Bahnhofbushalte-Ersatzstelle: Vier Gleditschien – mittlerweile die Standartbäume der Stadt Konstanz – bringen so gut wie keinen Schatten und stehen nicht dort, wo die Passanten auf die Busse warten. Dort nämlich ist es in den Nachmittagsstunden (Kein Schatten!) glühend heiß – zum Kollabieren und dabei wurde in diese Baustelle sooo viel Geld schon hineingebuttert.
    4. Die Marktstätte: Ach ja, natürlich bestimmen dort die Einzelhändler und der „Denk- Mal!-Schutz, ob es dort noch einen Baum geben darf, der auch Sauerstoff spendet und nicht noch zusätzlich entzieht.
    Die Liste könnte noch weitergeführt werden, aber ja, Konstanz hat doch den See…
    Anton Gögele

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert