Friedensdemo 3 10 2025

Gegen Krieg und Aufrüstung

Von Thomas Jonasson
Friedensdemo 3 10 2025

Am 3. Oktober 2025 finden in Stuttgart und Berlin Großdemonstrationen unter dem Motto „Nein zu Kriegspolitik und Militarisierung – Ja zu Frieden und Abrüstung“ statt, unterstützt von über 300 Organisationen und Friedensinitiativen. Von Konstanz aus fährt an diesem Tag ein Bus nach Stuttgart.

Vor 86 Jahren begann am 1. September der Zweite Weltkrieg. Aus diesem Anlass organisierte die Konstanzer Friedensinitiative einen Infostand, um für die großen Demonstrationen am 3. Oktober zu werben und einige Militarisierungsmythen unserer Gesellschaft einem Faktencheck zu unterziehen.

Die Hoffnung auf eine friedliche Ära, die nach dem Zerfall der Sowjetunion bei vielen herrscht, ist inzwischen der Erkenntnis gewichen, dass die Konflikte zwischen den Großmächten wieder extrem zugenommen haben und infolge der Zunahme dieser Konflikte eine Hochrüstungsspirale in vielen europäischen Ländern – insbesondere in Deutschland – ausgelöst wurde, die mit einer Militarisierung der ganzen Gesellschaft einhergeht.

Mythos 1: Die Bundeswehr wurde in den letzten Jahren kaputtgespart

Eine Studie des „Bonn International Centre for Conflict Studies“ (BICC) zeigt jedoch: In den letzten 30 Jahren hat Deutschland im Schnitt sogar mehr Geld für Verteidigung ausgegeben als Frankreich für seine konventionellen Streitkräfte. Von 2014 bis 2024 haben sich die deutschen Militärausgaben zudem mehr als verdoppelt1. Von „kaputtgespart“ kann also keine Rede sein.

Militärausgaben
Militärausgaben in Deutschland 2015 bis 20232

Und wegen der Debatten über „Auslandseinsätze“ sowie „Krieg gegen den Terror“ geriet der Kernauftrag der Landesverteidigung in den Hintergrund. Nun warnt der Bundesrechnungshof angesichts der neuen Milliarden vor einer „Geld spielt keine Rolle“-Mentalität mit der Folge, dass Gelder massenhaft veruntreut werden.

Mythos 2: Deutschland muss militärische Verantwortung übernehmen

Deutschland ist eines der reichsten und sichersten Länder der Welt – dank einem friedlichen Europa, funktionierender Demokratie und dem Aufbau einer auf Kooperation und Frieden ausgerichteten Weltordnung. Damit auf der Welt künftig nicht das „Recht des Stärkeren“ gilt, sollte Deutschland sich für eine konsequente Einhaltung internationaler Verpflichtungen und des Völkerrechts einsetzen und alle Verstöße klar benennen. Dafür braucht es unter anderem eine Reform und deutliche Stärkung der Vereinten Nationen.

Immer mehr Menschen sind durch die Klimakrise bedroht. Daher sollte Deutschland die zivile Krisenprävention und Friedensförderung nicht massiv kürzen, sondern deutlich ausbauen. Jeder Dollar, der in Friedensförderung und -konsolidierung investiert wird, spart laut dem „Institute for Economics and Peace“ ganze 16 Dollar Konfliktkosten3.

Mythos 3: 2029 könnte Russland Europa angreifen

Wie eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, sind die europäischen NATO-Staaten – auch ohne die USA – im Hinblick auf Militärbudgets, Truppenstärke und Großwaffensysteme schon jetzt Russland klar überlegen4.

Expert:innen machen in der „ZEIT“ vom 22. Mai 2025 deutlich, dass es keine schlüssigen Hinweise auf einen großflächigen Angriff Russlands auf die NATO im Jahr 2029 gibt. Und Professor Carlo Masala (Universität der Bundeswehr) sagt sogar, dass die Sorge der Menschen strategisch genutzt wird, um sie „auf höhere Verteidigungsmaßnahmen einzustimmen“.

Mythos 4: Verhandlungen sind sinnlos, Aggressoren verstehen nur militärische Stärke

Der größte Teil aller Kriege endet am Verhandlungstisch5. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Forschungsinstitutes „Inclusive Peace“. Verhandlungen führen demnach eher zu einem nachhaltigen Friedensprozess zwischen Staaten als militärische Erfolge. Sie müssen gut vorbereitet und strukturiert werden und sollten ergebnisoffen beginnen.

Die Welt braucht politische Lösungen, um künftige Angriffskriege wie den Russlands auf die Ukraine zu verhindern. Nötig sind daher Gespräche über neue Friedens- und Sicherheitsstrukturen – etwa nach dem Vorbild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), bei der sich Staaten aus Ost und West im Jahr 1975 auf Prinzipien ihrer Beziehungen und die friedliche Regelung von Streitfällen geeinigt haben.

Mythos 5: Atomare Abschreckung schafft Sicherheit und Frieden

Atomare Abschreckung ist in erster Linie eine Theorie. Professor Carlo Masala (Universität der Bundeswehr) sagt dazu: „Ob Abschreckung funktioniert, wissen wir nicht“6.

Friedenstaube bewaffnet

Tatsächlich konnte die Wirkung von Abschreckung bislang noch in keinem Fall nachgewiesen werden. Angesichts von immer mehr Atomwaffenstaaten und immer komplexeren Konflikten muss das Konzept der Abschreckung heute noch stärker angezweifelt werden als in den 1980er-Jahren.

Abschreckung setzt die Bereitschaft voraus, im Zweifel Massenvernichtungswaffen gegen die Bevölkerung eines anderen Landes einzusetzen. Das ist nicht nur ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht, sondern auch eine ständige Bedrohung der Menschheit – denn ein Irrtum, eine Fehleinschätzung oder ein Unfall können jederzeit vorkommen7.

Die letzten Jahre des Kalten Krieges haben deutlich gezeigt, dass nicht Abschreckung, sondern Entspannungspolitik und nukleare Rüstungskontrolle zu gemeinsamer Sicherheit und Frieden führen.

Mythos 6: Rüstungsexporte sichern Stabilität und Einflussnahme in strategisch wichtigen Regionen

Rüstungsexporte haben ein großes Konflikt- und Eskalationspotenzial über viele Jahrzehnte. Dies zeigt sich im Nahen Osten, laut SIPRI zwischen 2020 und 2024 die größte Abnehmerregion deutscher Rüstungsgüter. Viele deutsche Rüstungsexporte stehen zudem im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen.

So beliefert Deutschland unter anderem autokratische Regime wie die Vereinigten Arabischen Emirate, die zudem dafür bekannt sind, Waffenembargos zu brechen. Das destabilisiert die Region, schadet der regelbasierten internationalen Ordnung und untergräbt unsere Glaubwürdigkeit.

Mythos 7: Steigende Rüstungsausgaben bringen wirtschaftlichen Aufschwung und sind ein Jobmotor

Grafik butter statt kanonen
Stand-Besucher:innen stimmten am 1. 9. für Butter statt Kanonen

Von steigenden Militäretats profitiert in erster Linie die Rüstungsindustrie. Eine Untersuchung, die im Dezember 2024 in Peace Economics, Peace Science and Public Policy publiziert wurde, zeigt zwar auch einen positiven Effekt auf die Konjunktur.

Investiert der Staat jedoch die gleiche Summe stattdessen in Umweltschutz, Bildung oder Gesundheitswesen, sorgt das laut der Untersuchung für deutlich mehr Wachstum bzw. Arbeitsplätze.

Wer also den Rüstungsetat erhöht und gleichzeitig Mittel für Energiewende, Schulen und Krankenhäuser streicht, bremst damit das Wirtschaftswachstum.

Alles in allem: genug gute Gründe, um am 3. Oktober in Stuttgart wieder auf die Straße zu gehen.

Busfahrkarten gibt es in der Buchhandlung „Schwarze Geiss“ und über info@fi-konstanz.de.

„Mythen der Militarisierung“ im Faktencheck: www.ohne-ruestung-leben.de, dort auch weitere Quellen.

Fußnoten

(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/183064/umfrage/militaerausgaben-von-deutschland/ (Abruf 5. 9. 2025) und https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw05-de-verteidigung-977670 (Abruf 5. 9. 2025)

(2) https://www.sipri.org/databases/milex und https://www.bpb.de/themen/militaer/ deutsche-verteidigungspolitik/199282/der-verteidigungshaushalt/ (Abruf 5. 9. 2025)

(3) https://theglobalobservatory.org/2017/07/peacebuilding-expenditure-united-nations-sustaining- (Abruf 6. 9. 2025)

(4) https://www.greenpeace.de/frieden/kraeftevergleich-nato-russland (Abruf 6. 9. 2025)

(5) https://www.inclusivepeace.org/wp-content/uploads/2023/09/UKR-negotiations-prep-BN-German-2023-Final.pdf (Abruf 6. 9. 2025)

(6) arte-Sendung: Brauchen wir Waffen für den Frieden?

(7) https://atomkrieg-aus-versehen.de

Bilder/Grafik: Demoaufruf der Friedensinitiative und Maik Schluroff (KI-gestützt)

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert