Klimanotstand Demo Fff 19 03 29 Kn © Pit Wuhrer

Fünf Jahre Klimanotstand in Konstanz. Eine Bilanz (1)

3 Kommentare

Klimanotstand Demo Fff 19 03 29 Kn © Pit Wuhrer
Fridays-for-Future-Demo Ende März 2019. Vier Wochen später war der Notstand ausgerufen.

Vor fünf Jahren, kurz vor der Kommunalwahl 2019, rief der Konstanzer Gemeinderat als erste deutsche Stadt einstimmig den Klimanotstand aus. Zeit also für ein Fazit: Was ist seither geschehen? Wo steht Konstanz beim Klimaschutz, der damals zu einer Aufgabe höchster Priorität erklärt wurde?

Dieser Text versucht, eine Bilanz des Konstanzer Klimaschutzes zu ziehen und mit dem zu vergleichen, was andere Städte in dieser Zeit gemacht haben. Die unmittelbaren klimarelevanten Emissionen von Konstanz lassen sich in mehrere Sektoren aufteilen: in die Bereiche Heizen (circa 35 Prozent), Strom (rund 40 Prozent) und Verkehr (etwa 20 Prozent); sowie in einen kleinen Rest. Um eine angemessene Bilanz zum Konstanzer Klimaschutz zu ziehen, ist es nötig, diese Sektoren anzuschauen. Dazu kommt der Aspekt der übergeordneten, koordinierenden Planung. 

Beginnen wir mit der Planung. „Der Konstanzer Gemeinderat fordert den Oberbürgermeister auf, dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit halbjährlich (im Rhythmus der Vorhabenliste) über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht zu erstatten”, heißt es im Klimanotstandsbeschluss, der am 2. Mai 2019 einstimmig verabschiedet wurde.

Gute Dokumentation

Die Planungsgrundlagen bilden wohl die spürbarste Veränderung durch den Klimanotstand. Seit der medial bundesweit beachteten Ausrufung gibt es halbjährlich eine öffentliche Zusammenfassung über den Status Quo beim Klimaschutz. Nur dank der guten Dokumentation können wir heute ein aussagekräftiges Fazit ziehen.

Die Stadt erhebt und veröffentlicht regelmäßig Daten zum Ausmaß der CO2-Emissionen, zum Ausbau der Photovoltaik (PV) und zu anderen Klimaschutzindikatoren. Das bietet eine wichtige Diskussionsgrundlage und ist nicht selbstverständlich. Zwar veröffentlichen größere Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam im jährlichen Abstand noch umfassendere Berichte, doch im Vergleich mit deutschen Städten ähnlicher Größe sticht Konstanz durch die regelmäßige Berichterstattung hervor.

Nach dem Beschluss entbrannte in Konstanz eine Diskussion über die Zielsetzung; sie führte letztendlich dazu, dass das bis dahin geltende Klimaschutzkonzept – es sah eine 90-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 vor – an das Pariser Klimaabkommen angepasst wurde. 

Nachdem 2020 mit einer Stimme Mehrheit die von uns, also Fridays for Future, anvisierte Klimapositivität bis 2030 abgelehnt wurde, beauftragte die Stadt das Ifeu-Institut damit, eine Klimaschutzstrategie auszuarbeiten. Die Leitfrage lautete: Wie kann Konstanz bis 2035 eine Reduktion der Treibhausgase um 90 Prozent erreichen? 

Handeln ist auch wichtig

Basierend auf dieser – mittlerweile auch beschlossenen – Klimaschutzstrategie haben wir heute Referenzwerte; mit ihnen  können wir vergleichen, wo die Stadt beim Klimaschutz steht und wo sie nach ihren eigenen Beschlüssen stehen müsste.

Weiterhin wurden in den letzten Jahren aufgrund des Klimanotstands, der Klimaschutzstrategie, einer allgemein erhöhten Aufmerksamkeit für Klimaschutz sowie verschärfter Landesregelungen wichtige Planungsgrundlagen geschaffen. Seither gibt es ein eigenes Amt für Klimaschutz, zudem wurden mehr Stellen für Klimaschutz geschaffen; die Arbeit an wichtigen Planungsdokumenten begonnen und teilweise abgeschlossen.

Dazu gehören der aktualisierte Energienutzungsplan, eine Potenzialstudie zur Nutzung der Freiflächen-PV, ein hoffentlich bald öffentlicher Klimamobilitätsplan und weitere. Das sind unabdingbare Schritte. Aber um es mit einem Spruch auf unseren Transparenten zu sagen: „Planen ist wichtig, Handeln auch“. 

Die Stadt hat also durchaus Erfolge bei der Planung vorzuweisen. Aber wie sieht es mit der Umsetzung aus?

Eine erhebliche Lücke

Verlassen wir die Welt der Theorie und schauen uns die realen Erfolge an. Der wichtigste Referenzwert ist dabei das Ausmaß  der CO2-Emissionen.

Dank regelmäßiger Klimaschutzberichte existieren öffentlich zugängliche Daten über die Konstanzer Treibhausgasemissionen mit vorläufigen Werten bis einschließlich 2022. Die gibt es für viele Städte nicht, was einen Vergleich mit anderen deutschen Städten erschwert. Die Bilanz aus dreieinhalb Jahren Klimanotstand (bis Ende 2022) lautet: Die Stadt Konstanz hat ihre CO2-Emissionen um 10 Prozent reduzieren können. Der Klimaschutzstrategie zufolge hätte der Ausstoß jedoch um 28 Prozent sinken müssen. Eine erhebliche Lücke.

Woher kommt diese CO2-Reduktion? Der Blick auf die sektoralen Emissionen zeigt, dass in den letzten Jahren der Stromsektor einen Rückgang an CO2-Emissionen zu verzeichnen hat. Das ist nicht verwunderlich: Der Strombereich ist vermutlich der Bereich, in dem die Energiewende bundesweit und regional am Besten gelingt. 

Von 2021 auf 2022 gab es zudem einen kleineren Rückgang von Heizöl und Erdgas, vermutlich ausgelöst durch die Energiekrise. Da diese Emissionen nicht durch einen Ausbau der erneuerbaren Wärme eingespart wurden, bleibt die Frage, inwieweit diese Einsparungen lediglich temporär sind. Also inwieweit der Erdgas- und Heizölverbrauch wieder ansteigt, wenn die Brennstoffkosten wieder niedriger sind.

Auf dem Niveau von Oslo

Nimmt man die Werte von 2019 als Bezugspunkt, kann man einen Vergleich zu anderen Klimaschutzakteur:innen ziehen. So verringerte Deutschland im Zeitraum von 2019 bis 2022 (also während der Covid-Pandemie) seinen CO2-Ausstoß um 7 Prozent, Baden-Württemberg um 4. Die norwegische Stadt Oslo konnte die Emissionen um 10 Prozent senken, die Stadt Amsterdam um 16 und die Stadt Kopenhagen um 33 Prozent – jeweils gegenüber den 2019er Werten.

So gesehen lässt sich festhalten, dass es Konstanz gelungen ist, seine CO2-Emissionen zu reduzieren und (mit 10 Prozent weniger) etwas größere Reduktionen als im bundesweiten Durchschnitt erreicht wurden. 

Reduktionspfadarial Wenigekopenhagenred

Natürlich hängen die Klimaschutzbemühungen der Stadt auch von bundesweiten Rahmenbedingungen ab. Allerdings hat Konstanz seinen Handlungsspielraum noch nicht ausgeschöpft. Die Klimaschutzstrategie schreibt der Stadt einen direkt beeinflussbaren Anteil von etwa der Hälfte der städtischen Emissionen zu. Vor diesem Hintergrund ist also durchaus noch mehr denkbar. 

Der Blick auf andere Städte im Ausland zeigt, dass einige Kommunen deutlich größere Reduktionen erreicht haben. Zugegeben: die ausgewählten Metropolen Kopenhagen, Amsterdam und Oslo gelten als internationale Vorreiter beim Klimaschutz. Aber eine Vorreiterrolle will ja auch Konstanz mit der Erklärung des Klimanotstands einnehmen.

Es lässt sich für die CO2-Bilanz also festhalten: Etwas Reduktion ist in den vergangenen Jahren gelungen. Aber mit jedem Jahr entfernt sich die Stadt weiter von ihren anvisierten Zielen. Hinzu kommt, dass für den Klimaschutz die Gesamtmenge an CO2 entscheidend ist, nicht die Reduktion in einem Jahr. Dementsprechend müsste Konstanz seine CO2-Emissionen nach Jahren der geringen Reduktion deutlich stärker reduzieren als in der Klimaschutzstrategie anvisiert.

Text: Manuel Oestringer von der seemoz-Klimaredaktion
Illustrationen: Pit Wuhrer / Manuel Oestringer 

Morgen und am Donnerstag folgen die nächsten Teile der ausführlichen Klimanotstands-Bilanz.

3 Kommentare

  1. Dr. Peter Krause

    // am:

    Ich glaube auch, dass dieser „Notstand“ vor allem eine PR-Aktion war, um sich eine spezifische politische Gruppierung und Wählerschaft gewogen zu machen.
    Das ist doch das einzig Gute an diesem „Notstand“. Man stelle sich vor, die Stadtregierung hätte diese Sache wirklich ernst genommen und umgesetzt! Man könnte sich vor vielen allgegenwärtigen „Klimarettungsmaßnahmen“ nicht mehr sicher sein …..
    Ironie! Entspannt euch!

  2. Gunder Haschker

    // am:

    Volle Zustimmung zu Herrn Daub, das war der Profilierungssucht unseres werten OB und seiner Vasallen geschuldet. Ausgerechnet Konstanz, wo wirklich die Luft im Vergleich noch rein und die Natur im Umkreis intakt ist.
    Notstand gemäß Öffentlichem Recht: „Störung des staatlichen Lebens wie z.B. Krieg, Aufruhr, Hungersnot, die mit den in der Verfassung vorgesehenen normalen Mitteln nicht behoben werden kann. Zu unterscheiden sind die militärische Bedrohung von außen, die Ausnahmelage im Innern und die Funktionsstörung von Verfassungsorganen.“

  3. Wolfgang Daub

    // am:

    Für mich ist schon lange klar: die Ausrufung des Klimanotstands vor fünf (!) Jahren war reiner PR-Gag!
    Fünf Jahre reden statt handeln!
    Aus dem Land der Dichter und Denker ist längst eines der Schwätzer und Blender geworden!

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