01 solarpark mooshof @ dieter heise

Energie ernten und Vielfalt fördern

Von Uta Preimesser (Text) und Dieter Heise (Text)
01 solarpark mooshof @ dieter heise
Zwischen Wahlwies und Espasingen: der Solarpark Mooshof

Große Solarparks entziehen der Landwirtschaft Nutzflächen und versiegeln Böden – so lautet eine oft geäußerte Kritik. Aber stimmen diese Vorbehalte? Dazu äußerten sich bei bei einem Vor-Ort-Termin im Solarpark Mooshof solarcomplex-Chef Bene Müller und BUND-Kreisvorsitzender Eberhard Koch: Hier werde nicht nur Sonnenstrom geerntet, sondern auch ein Beitrag für die Natur geleistet.

Die Gesamtanlage des Solarparks Mooshof umfasst 16,5 Hektar und befindet sich zwischen den Stockacher Ortsteilen Wahlwies und Espasingen entlang der Bahnstrecke Radolfzell–Friedrichshafen. Zu seinen Betreiber:innen gehören – neben dem Singener Bürgerunternehmen solarcomplex AG – die Stadtwerke Engen, Konstanz und Stockach, die Genossenschaft Bürger-Energie-Bodensee sowie private Investor:innen.

Seit seiner Eröffnung 2011 versorgt er mit einer Leistung von 4,7 Megawatt rund 6000 Haushalte der Anliegergemeinden Wahlwies, Espasingen und Bodman-Ludwigshafen mit regenerativem Strom. Doch nicht nur ein Beitrag zur Energiewende wird hier geleistet, auch Flora und Fauna profitieren, denn auf gut 14 Hektar der Fläche wurde hier in Zusammenarbeit mit dem BUND eine artenreiche Blühwiese angelegt, die Lebensraum für zahlreiche Tierarten wie Insekten, Vögel und Kleinsäuger bietet.

Mit Fakten gegen Vorurteile

Gerade weil in den nächsten Jahren weitere Solarparks entstehen werden, sei es ihm wichtig, sich der derzeit polarisierenden Diskussion zu stellen, erläutert Bene Müller. Ihn ärgert vor allem das immer wieder vorgebrachte Argument, dass Freiland-Photovoltaikanlagen der Landwirtschaft wertvolle Flächen für die Lebensmittelproduktion entziehen würden. Interessanterweise habe er dieses Argument aber noch nie gehört, wenn es um die Errichtung von Campinganlagen, Golfplätzen, Reiterhöfen, Sportflugplätzen oder anderen touristischen Projekten geht.

Richtig sei zwar, dass mit der Verpachtung von Ackerland ein Landwirt oft mehr Ertrag erwirtschafte als er mit seinen landwirtschaftlichen Produkten erzielen könnte. Und richtig sei, dass große Solarparks eben auch große Flächen benötigen. Dennoch habe die Umnutzung einer Agrarfläche zu einem Solarpark, welcher der allgemeinen Versorgung diene – nämlich der mit dem Allgemeingut Strom – eine andere Wertigkeit als eine rein touristische Nutzung.

Bei solarcomplex habe man sich schon seit der Errichtung der ersten Freiland-Photovoltaikanlagen Gedanken gemacht, wie man auf den gepachteten Flächen noch einen Mehrwert herausholen könne. Als Partner kam schon bald das BUND Naturschutzzentrum Westlicher Hegau in Gottmadingen mit Vorstandsmitglied Eberhard Koch ins Boot.

Überdüngter Maisacker wird artenreiche Magerwiese

Anfangs hätten auch Naturschützer Solarparks skeptisch gesehen, ergänzt Eberhard Koch. Doch es gab Überlegungen, wie man deren Flächen ökologisch aufwerten könne. Als der Solarpark Mooshof geplant wurde, sei man schnell übereingekommen, hier ein Experiment zu starten und ein Vorzeigeprojekt zu errichten.

2011 bestimmte das Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG), dass Freiland-Photovoltaikanlagen ausschließlich in einem Umkreis von 110 Metern entlang Eisenbahnstrecken oder Autobahnen errichtet werden dürfen. Eine Regelung, die Bene Müller schon damals wenig sinnvoll fand: „Besser wäre es gewesen, nach landwirtschaftlich wenig ertragreichen Flächen Ausschau zu halten“. Auch der Solarpark Mooshof war vor seiner Umnutzung gutes Ackerland, auf dem Mais angebaut wurde. Zeitgleich mit seiner Eröffnung begann damals das Monitoring des BUND, um festzuhalten, was sich ändert, nachdem die Fläche nicht mehr intensiv bewirtschaftet wird.

Erst seien die Vogelarten wiedergekommen, die in Heckenlandschaften und Obstbaumwiesen leben, erklärt Eberhard Koch, „zum Beispiel Hausrotschwanz, Bachstelzen, Stare“. Sie sitzen auf Paneelen wie auf Ästen und halten Ausschau nach einer leckeren Insektenmahlzeit. „Auch Greifvögel lieben Solarparks. Mäusebussarde und Milane kommen, Störche ebenso, weil es hier viele Insekten gibt, weit mehr als auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.“ 

Der Zaun, der aus versicherungsrechtlichen Gründen für alle Solarparks verpflichtend ist, wurde locker mit Hecken bepflanzt, die wiederum Nistmöglichkeiten und Schutzraum bieten. Zudem wurden Insektenhotels angebracht. Unter dem Zaun wurde genug Abstand zum Boden gelassen, damit kleinere Tiere wie Igel, Hasen, Fasane hindurch kommen können.

Man habe alles durchprobiert, was als ökologisch sinnvoll erschien und schließlich die Einsaat einer Blumenwiese beschlossen. Voraussetzung dafür war, den Boden auszumagern, das heißt ihm die durch die intensive Düngung als Maismonokultur eingelagerten Nährstoffe, besonders Stickstoff, zu entziehen. „Es ist paradox, aber je weniger Nährstoffe in einer Wiese, desto mehr Vielfalt an Blumen und Gräsern entsteht“.

Zweimal im Jahr wird die Wiese von einem beauftragen Landwirt gemäht und – als Besonderheit – das Mähgut nicht etwa als sogenannter Mulch liegen gelassen, sondern sofort abgetragen. Als Reststoff kann es zum Beispiel in Biogasanlagen verwertet werden. Mulchen wäre bei solch großen Flächen zwar die billigste Methode, so entstünde aber ein dicker „Pelz“, unter dem die ausgesäten Wiesenblumen weder Licht noch Luft erhalten und absterben würden, erklärt der Naturschützer.

Neuer Lebensraum für Kleinsäuger, Vögel, Insekten

Das Ganze war und ist ein Prozess über Jahre. Das Monitoring zeigte, dass von dem, was als Blumenwiese eingepflanzt wurde, ein Teil geblieben, anderes dagegen wieder verschwunden ist. Viele Insektenarten haben hier neuen Lebensraum gefunden, darunter solche, die auf der Roten Liste stehen, wie der Malvendickkopffalter, dessen Wirtspflanze die Moschusmalve ist.

Der Sonnenstrom, der beim Vor-Ort-Termin an einem heißen Augusttag mit wolkenlosen Himmel geerntet wird, ist unsichtbar, auf der Wiese hingegen zeigen sich unter anderem gelber Hornklee (die Hauptfutterpflanze des kleinen Bläulings), blaue Wegwarten, roter Wiesenklee, Pippau, Witwenblumen, Sauerampfer, Seifenkraut sowie wilder Oregano (gut geeignet im Pizza-Belag). Im hinteren Teil des Parks, wo der Boden etwas lehmiger und feuchter ist, gedeiht Löwenzahn und bei passender Witterung bilden sich Pfützen, an denen sich Grasfrösche und Libellen einfinden. Am hinteren Rand, der bewusst länger nicht gemäht wurde, wachsen Stauden und viel Wilde Möhre, daneben wartet in Folien verpacktes Mähgut auf den Abtransport.

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Solarpark Mooshof: Randbereich mit Hecken und Stauden

Nach Insekten braucht man nicht lange zu suchen. Ein Heupferdchen wählt gleich den Sonnenhut unseres Fotografen als Rastplatz – für dessen Kamera nicht mehr erreichbar. Schmetterlingsarten wie Bläulinge, Ochsenauge und tagaktive Nachtfalter flattern umher. Ein schwarz-rotes Widderchen findet zu schnell für unsere Kamera eine gute Tarnung. Doch es bleibt ja immer noch reichlich Auswahl …

Paneele künftig im V-Form

„14 Hektar hochwertige Wiese, das ist schon ein Beitrag zum Natur- und Artenschutz“, stellt Eberhard Koch fest. Etwa 50 bis 100 Pflanzenarten gebe es auf einer Blühwiese wie dieser. Und jede davon bietet wiederum Lebensraum für etwa zehn Tierarten, dazu gehören auch solche, die im Boden leben.

BUND und solarcomplex wollen noch weitere Möglichkeiten ausprobieren, um den Artenreichtum der Wiesenflächen bei den Paneelen zu verbessern. Als älterer Solarpark sind hier die Modulreihen noch nach Süden hin ausgerichtet. In den neueren Solarparks sind sie in Ost-Westrichtung installiert, weil man – um eine Netzüberlastung zu vermeiden – den kurzen Spitzenertrag um die Mittagszeit gar nicht mehr haben möchte, erläutert Bene Müller.

Die geringe Minderung des Gesamtertrags werde durch die so erreichte bessere Netzverträglichkeit mehr als aufgewogen. Doch aufgrund der bislang dachartigen Anordnung der Module seien die Flächen darunter zu stark verschattet und zudem schlecht zu mähen. Künftig (zum Beispiel beim geplanten Solarpark in Dingelsdorf-Wallhausen) wolle man daher die Module in V-Form, wie Schmetterlingsflügel, ausrichten. Dadurch komme auch mehr Sonnenlicht für die darunter wachsenden Pflanzen durch. Auch die Landschaftspflege werde so erheblich einfacher.

Solarparks brauchen Flächen. Aber keine hochwertigen

Den Naturschützern sei es wichtig, zum Bau von Solarparks die als Agrarland am wenigsten geeigneten Flächen zu nutzen, was deren Qualität, mögliche Schädigung durch Übernutzung, Beschaffenheit der Oberfläche oder auch Erreichbarkeit betrifft. Darin sind sich Eberhard Koch und Bene Müller einig. Sehr gut geeignete fruchtbare Böden hingegen sollen der Landwirtschaft vorbehalten bleiben.

Gerade mit Solarparks könnten wertvolle, artenreiche Flächen entstehen, die es früher so nicht gegeben habe, so Eberhard Koch. Von den vorhandenen 40.000 Hektar Landwirtschaftsflächen im Kreis Konstanz bräuchten wir nur ein Prozent, um eine regenerative Stromversorgung zu sichern. 400 Hektar „schlechte Böden sollten ausfindig zu machen sein“, ist der Naturschützer überzeugt. Überwiegend Solarenergie plus Windkraft und wenige Biogasanlagen, um Reststoffe zu verwerten, seien der richtige Weg zur Energiewende. Flächen, auf denen bislang noch Mais als Energiepflanze angebaut wird, könnten zu Solarparks umgewandelt werden.

Ein Irrglaube lässt sich übrigens ganz leicht ausräumen: Für Solarpaneele wird kein Boden versiegelt. Diese sind einfach nur in die Erde gerammt und können bei Auslaufen eines Pachtvertrags – in der Regel nach 20 Jahren – problemlos wieder entfernt werden. Der Landwirt erhält seine Fläche zurück – sicher nicht in schlechterer Qualität als vorher – und kann sie wieder für Ackerbau nutzen.

Und in Zukunft? 

Freiflächenphotovoltaik und Artenschutz schließen sich also nicht aus, sondern passen ideal zusammen, wenn man es richtig angeht. Die Technik ist längst ausgereift, geeignete Flächen lassen sich finden. Menschen, denen unsere Abhängigkeit von intakter Umwelt und von der Verfügbarkeit regenerativer Energie bewusst ist, gibt es also. Das kann als Fazit des Rundgangs über den Solarparks Mooshof festgehalten werden.

Also alles auf einem richtigen und guten Weg beim Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Kampf gegen das Artensterben …? Hoffen wir, dass dem so ist und es so bleibt – trotz CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, welcher der schnelle Ausbau der Erneuerbaren bekanntlich „ein Dorn im Auge“ ist, und die lieber Gaskraftwerke als den Netzausbau fördern will … 

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