Refugees Welcome

Ein Plädoyer gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung

Refugees Welcome

Denkt man an die ewig aktuelle Flüchtlingsdebatte v.a. in westlichen Ländern , in denen derzeit massiv eine Verschärfung des Asylgesetzes gefordert wird, kann man sich die legitime Frage stellen, ob die Globalisierung in einem gewissen Sinne doch keine Illusion ist. Darüber hat sich unser Autor aus dem fernen Senegal Gedanken gemacht.

Globalisierung? Eine Abschaffung von kulturellen Grenzen, eine weltweit politische, ökonomische und soziale Verbindung, die Bildung einer universellen Kultur, eine gegenseitige Akzeptanz und anderes mehr.

Jeder Flüchtling hat eine Geschichte

In Deutschland sorgt die Flüchtlingsproblematik natürlich auch immer noch für Aufregung, nicht nur in politischen Kreisen, sondern auch auf der sozialen Ebene. Das Eigene will den Gang der Geschichte stoppen und verhält sich verschlossen, abweisend und intolerant dem Fremden gegenüber. Sollte es eher nicht ein Auge über die Kulissen hinauswerfen und sich eine Klarheit über die Frage schaffen, welches Schicksal das Fremde auf deutschen Boden geführt hat?

Jeder Ausländer ist nach Deutschland mit einer Geschichte gekommen. Jeder Ausländer ist eine Geschichte. Jeder Ausländer bringt nach seiner Einbürgerung noch einen Aspekt in die allgemeine deutsche Geschichte mit ein. Wie sehr würde es mich interessieren, die vielen unterschiedlichen Geschichten dieser Ausländer anzuhören! Wie interessant würde ich das finden, den Weg zu wissen, den diese Ausländer zurücklegen mussten, um nach Deutschland zu kommen!

Einige Ausländer kommen nach Deutschland auf einem „normalen“ Weg, sie studieren oder arbeiten, während die anderen mit ihren Familien nachts, in der Dunkelheit, geheime Wege gehen mussten, um ihre Heimat zu verlassen. Diese Leute wurden gezwungen, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren, weil ihnen die Zugehörigkeit zu dieser Heimat von anderen Leuten unmöglich gemacht wurde.

Hoffnung auf ein menschenwürdiges Dasein

Ich kann mir schon vorstellen, wie die Väter bei der Flucht ihren kleinen Kindern die Hand festhielten und wie die Mütter ihre Babys fest an der Brust trugen, weil sie Angst hatten, dass der Feind ihnen diese Kinder wegnehmen könnte. Jedes Geräusch, das sie hörten, sollte doch Panik bei ihnen auslösen. Wie traurig waren sie, als sie ihre Heimat verließen! Sie wussten doch, dass sie vielleicht nie wieder in diese Heimat zurückkehren würden. Sie haben sich entschieden, nach Deutschland zu kommen, weil sie gehört haben, dass Deutschland ein demokratisches Land ist; sie haben sich entschieden, nach Deutschland zu kommen, um in diesem Land Zuflucht zu suchen, weil sie gehört haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, das sie mit offenen Händen empfangen würde; sie haben sich entschieden, nach Deutschland zu kommen, weil sie die Hoffnung hatten, dass sie in diesem Land ein neues Leben anfangen könnten.

Ich kann mir den Moment vorstellen, an dem sie erstmals deutschen Boden betreten haben. Wie froh waren sie! Wie glücklich waren sie! Wie dankbar waren sie! Wie hoffnungsvoll waren sie! Wie optimistisch waren sie! Sie dachten sich, endlich einen ruhigen und friedlichen Ort gefunden zu haben, an dem sie mit ihren Kindern leben könnten… In der ersten Nacht schwankten die Eltern zwischen Erleichterung und Traurigkeit, Erleichterung, weil sie sich gefreut haben, nun an einem Ort zu sein, der sicher ist für ihre Kinder, und Traurigkeit, weil sie ihre Heimat, in der sie geboren und aufgewachsen sind, verloren haben.

Diese Leute fassen Fuß in Deutschland, lernen die Sprache und die Kultur, versuchen, sich an dieses neue Leben zu gewöhnen und sich an die Regeln zu halten; sie freuen sich auch sehr darüber, ein neues Zuhause zu haben. Alles läuft scheinbar gut. Sie leben in Deutschland, arbeiten, zahlen Steuern, schicken ihre Kinder zur Schule und versuchen, ihnen eine hoffnungsvolle Zukunft zu bieten. Alles läuft gut, bis sie eines Tages jemandem begegnen, der sie daran erinnert, dass sie zu diesem Land nicht gehören, weil sie anders als ein „Deutscher“ aussehen. Diese Person macht ihnen klar, dass sie in diesem Land nicht willkommen sind, weil sie aus einem anderen Land kommen – er versetzt sie in einen Zustand der Heimatlosigkeit. Ja, heimatlos sind sie! Sie gehören nirgendwo hin, weder zu dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, noch zu ihrem Aufnahmeland.

Abdoulaye Ngalane. Er studierte an der Universität Konstanz Literaturwissenschaft und hat bis 2020 am Bodensee gelebt.
Abdoulaye Ngalane. Er studierte an der Universität Konstanz Literaturwissenschaften und hat bis 2020 am Bodensee gelebt.

Willkommenskultur war gestern

Wie enttäuscht sind sie dann, wenn sie erfahren müssen, dass es in diesem Land Leute gibt, die sie hier nicht sehen wollen! Wie traurig müssen sie sein, nachdem ihnen klar wird, dass es in diesem Land Leute gibt, die kein Mitleid und kein Verständnis für ihre Situation haben! Sie fragen sich, was diese Leute von ihnen wollen, sie fragen sich, was diese Leute von ihnen erwarten: „Sie wollen doch nicht, dass wir in unsere Heimat zurückkehren? Sie wollen doch nicht, dass wir in unsere Länder zurückkehren? Dort herrscht doch ein brutaler Krieg! Dort werden doch Völker vernichtet! Dort wird doch das Leben vieler Menschen mit mittelalterlicher Brutalität ausgelöscht!“ Doch, diese Leute wollen, dass sie ihre Sachen wieder packen, mit ihren Frauen und Kindern das Land verlassen, weil sie hier doch nicht willkommen sind.

Hammady fragte mich: „Was sollen wir jetzt tun?“ Ich habe ihm nur geantwortet, dass ich dieses Gefühl der Ausgrenzung schon kenne. Ich wollte ihm aber meine Geschichte nicht erzählen, weil ich zumindest eine Heimat habe, in die ich zurückkehren konnte, er aber nicht. „Mein Leben hat keinen Sinn!“, sagte mir Hammady noch, „ich will lieber sterben, als mit dem Gedanken zu leben, dass ich nirgendwo auf dieser Welt willkommen bin!“ Was sollte ich ihm sagen? Hammady sehnte sich nach Frieden, er sehnte sich nach Ruhe, er sehnte sich einfach nach Leben, aber wo…? Er hatte mit seiner Familie in seinem Land sehr glücklich gelebt – er war ein erfolgreicher Lebensmittelhändler und hatte viele Leute angestellt. Hammady hatte sich immer abends nach der Arbeit nach Hause beeilt, denn er wusste, dass seine zwei Töchter nie ins Bett gehen würden, ohne ihrem Vater einen Gutenachtkuß zu geben. Er hatte mit seiner Familie gut gelebt, bis der Krieg ausbrach, ihm alles zerstörte und ihn zwang, mit seiner Familie aus dem Land zu fliehen.

Heute muss Hammady in Deutschland schuften, um seine Familie ernähren zu können. Er versucht alles, um seinen Töchtern wieder einen Grund zum Lächeln zu geben, aber ihnen fehlt ihr Zuhause. Sie wollen ihre großen Zimmer wieder haben, sie wollen wieder in ihren großen Betten schlafen, sie wollen ihre Freunde wiedersehen, mit ihnen im Garten Verstecken spielen. Sie wollen ihre Freunde besuchen, aber wissen nicht wo die sich momentan befinden oder ob sie mit ihren Familien überhaupt noch am Leben sind. Der Krieg in ihrem Heimatland hat ihnen nicht mal die Möglichkeit gegeben, sich von ihnen zu verabschieden und die Idee, in die Heimat zurückzukehren, kommt für Hammady und seine Familie nicht in Frage.

Es gibt noch viele andere Leute, die wie Hammady unter diesen Umständen nach Deutschland gekommen sind. Es gibt viele Leute, die sich in der gleichen Situation wie Hammady befinden. Diese Leute wollen, dass man sie versteht, sie wollen, dass man sich in ihre Situation hineinversetzt, sie wollen, dass man sie toleriert und akzeptiert. Sie wollten ihre Heimat, in der sie glücklich gelebt haben, nie verlassen, aber der Krieg hat sie zur Flucht gezwungen. Die Leute, die sie in diesem Land nicht haben wollen, sollen sich fragen, wie sie behandelt werden möchten, wenn sie in der gleichen Situation wären. Man weist sie ab, ohne das richtig begründen zu können, man weist sie ab, ohne vorher ihre Geschichte zu kennen. Welchen Sinn hat Xenophobie? Welchen Sinn hat Ausländerfeindlichkeit? Wo sind die Prinzipien wie Humanität, Solidarität, Mitleid, Verständnis, Toleranz, Akzeptanz? Das sind doch Prinzipien, die den Menschen als vernünftiges Wesen charakterisieren sollten!

Der Kampf ums Überleben

Ein Mensch, der von seiner Vernunft nicht mehr Gebrauch macht, hört auf, Mensch zu sein. Die Vernunft sollte doch das Basiselement unseres Zusammenlebens sein, sie sollte doch die Kraft jedes Menschen sein, die ihm ermöglichen kann, spontanes und emotionales Handeln zu vermeiden. Wie kann man jemanden ohne Grund hassen? Wie kann man egoistisch sein, so dass man das Leiden anderer Menschen nicht verstehen will? Die Hautfarbe bzw. das Aussehen kann zwar ein besonderes Merkmal zwischen zwei Menschen sein, aber sie macht nicht aus ihnen zwei unterschiedliche Menschen – sie sind beide gleich.

Es gibt Menschen, die in reichen Ländern geboren sind, in denen ein gutes, politisches, soziales und wirtschaftliches System herrscht, das ihnen ermöglicht, eine gute Bildung bzw. eine vernünftige Ausbildung zu erhalten und ein menschenwürdiges Leben zu führen. Und es gibt Menschen, die in armen Ländern geboren sind und die dort um ihre ganze Existenz und für ihr Überleben kämpfen müssen. Die Natur hat allerdings das Glück und das Unglück zwischen den Menschen bestimmt und nicht der Mensch selbst. Die moralische Pflicht des Glücklichen sollte doch sein, dem Unglücklichen zu Hilfe zu kommen, sich ihm gegenüber solidarisch zu verhalten, ihm einen Teil von diesem Glück abzugeben und nicht ihn zurückzuweisen. Dieses Prinzip kann aber nur ein aufgeklärter Mensch verstehen und nicht jemand, der sich in einem kleinen Raum verschließt und Scheuklappen herumträgt – dieser „jemand“ kann doch nicht über seine Nasenspitze hinausdenken.

Text: Abdoulaye Ngalane
Bild A. Ngalane/Privat
Symbolbild: Pixabay

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