
Seit Monaten kritisiert der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg die bundesweite Einführung der Bezahlkarte, mit der Geflüchtete Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen sollen. Eine Veranstaltung am 8. Juli im Treffpunkt Petershausen will über das „Abschreckungsinstrument“ aufklären.
Zum Leidwesen aller direkt und indirekt Betroffenen möchte das Ministerium für Justiz und Migration Baden-Württemberg die Karte mit vielen Einschränkungen flächendeckend im gesamten Bundesland einführen. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt die Forderungen von Städten und Landkreisen nach mehr lokalen Spielräumen bei der Einführung der Karte und fordert eine „Opt-out-Regelung“ (Ausstiegsoption) nach dem Vorbild anderer Bundesländer, wie z. B. Nordrhein-Westfalen (siehe „Umsetzung der Bezahlkarte in den Bundesländern“). Auch in Konstanz wird die Karte Schritt für Schritt eingeführt. Denn die baden-württembergischen Kreise und Gemeinden haben aufgrund der Vorgaben des Landes keine Möglichkeit, die Bezahlkarte abzulehnen.
Die Linke Konstanz schreibt dazu in einer Pressemitteilung von Ende Juni: „Dass sich zahlreiche nordrhein-westfälische Kommunen tatsächlich gegen die Einführung entschieden haben, zeigt, dass nicht nur bei Geflüchteten-Unterstützungsorganisationen ernsthafte Bedenken an der Sinnhaftigkeit der Maßnahme bestehen“.
Bereits in der Vergangenheit hat der Flüchtlingsrat Ba-Wü darauf hingewiesen, dass die Bezahlkarte für alle beteiligten Akteur:innen große praktische Schwierigkeiten mit sich bringt. Erste Erfahrungen mit dem diskriminierenden Bezahlkartensystem in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern zeigen, dass betroffene geflüchtete Menschen daran gehindert werden sollen, ihre Bedarfe zu erfüllen – zum Beispiel, indem ihnen der Zugang zu günstigen Einkaufsmöglichkeiten versperrt wird. Ehren- und hauptamtliche Unterstützer:innen müssen ihre ohnehin begrenzten Ressourcen in die Lösung von Bezahlkartenproblemen stecken.
Widerstand gegen die Einführung des Bürokratiemonsters
Und auch in den jeweiligen lokalen Verwaltungen verursacht die Bezahlkarte einen deutlich erhöhten Arbeitsaufwand – wie durch das Freischalten von Überweisungen, Anwendungsfehler oder Ermessensausübungen im Einzelfall. Statt Verwaltungen zu entlasten, mutiert die Karte zum Bürokratiemonster. Der Flüchtlingsrat unterstützt Forderungen aus der Lokalpolitik und Verwaltungen, den Landkreisen und Städten Spielräume bei der Ausgabe von Leistungen an geflüchtete Menschen zu lassen. So hat zum Beispiel der Heidelberger Gemeinderat in einer Sitzung Anfang April 2025 beschlossen, dass sich der Heidelberger Oberbürgermeister bei der Landesregierung für die sogenannte Opt-Out-Regelung einsetzen soll.
„In Heidelberg wollen wir keine Bezahlkarte. Alle in Frage kommenden Menschen haben ein Konto, auf das die ohnehin niedrigen Leistungen nach dem AsylbLG eingezahlt werden, ohne weitere Restriktionen. Und das ist gut so. Wir wollen keine rassistischen Einschränkungen, die gesellschaftliche Teilhabe verhindern. Und die zusätzliche Belastung der Sozialverwaltung würde alle von ihr Abhängigen treffen“, kommentiert Mia Lindemann vom Asylarbeitskreis Heidelberg. Wie vielerorts in Baden-Württemberg hatten in Heidelberg zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die Einführung der Bezahlkarte protestiert und ihre Kritik an der Karte in einem Offenen Brief formuliert.
Politisches Ziel der Karte ist es laut Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, dass weniger Menschen nach Deutschland fliehen, wenn sie nicht mehr frei über Leistungen verfügen können. Doch diese Rechnung kann aus Sicht der Organisation nicht aufgehen: „Es werden nicht weniger Menschen zur Flucht gezwungen, nur weil es in Deutschland Bezahlkarten statt Bargeld gibt“, so Julian Staiger vom Vorstand des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg. Entgegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2012, welches die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für jeden Menschen ausdrücklich festhält und erklärt, dass die Menschenwürde nicht „aus migrationspolitischen Gründen relativiert“ werden dürfe, zeugt die Bezahlkarte erneut von populistischer Stimmungsmache gegen Geflüchtete.
Am kommenden Dienstag, den 8. Juli 2025, findet im Treffpunkt Petershausen um 19:00 Uhr eine von der Linkspartei Konstanz organisierte Infoveranstaltung und Podiumsdiskussion zur Einführung der Bezahlkarte in Kooperation mit dem Flüchtlingsrat BW und Seemoz e. V. statt (Referentin: Anja Bartel, Flüchtlingsrat BW, Mitdiskutant:innen: Thomas Franz von Save me Konstanz und Sibylle Röth, Die Linke Kreis Konstanz).
Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Was genau ist eigentlich die Bezahlkarte und welche Ziele werden mit ihr verfolgt? Welche Beschränkungen enthält sie, welche Einschränkungen sind damit für die Betroffenen verbunden und welcher Verwaltungsaufwand kommt auf die Behörden zu? Und nicht zuletzt: Welche Auswirkungen hat sie auf die Teilhabe der Geflüchteten in der Gesellschaft?
MMs, Bild: Die Linke Konstanz
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