
„Wir fahren noch überall hin“, tröstet Ralph Stöhr, Leiter der Konstanzer Busbetriebe, seine Fahrgäste. Noch … Denn einmal mehr schränken die Stadtwerke (SWK) mit dem neuen, ab 12. Oktober geltenden Fahrplan ihr Angebot ein. Doch eine gute Nachricht vorweg: Ab dem Fahrplanwechsel werden die meisten Buslinien wieder den Bahnhof anfahren, einige sogar ohne Umweg über die Laube.
Von ihrem Plan, mehrere Linien auch nach dem Ende der Bahnhofplatz-Umbaus weiterhin am Bürgerbüro enden zu lassen, haben die Verantwortlichen Abstand genommen. Und ersparen damit Zugreisenden die Altstadtdurchquerung mit dem Rollkoffer im Schlepptau. Nur die Linie 14 aus dem Stockackergebiet wird weiter auf der Laube wenden.
Und nun die schlechten Nachrichten. Bei der Linie 5 wird die Haltestelle am Hörnle gestrichen – wer vom Strandbad kommt, muss künftig den Berg hinauf bis zum Waldhaus Jakob laufen. Und von den Wohnheimen in der Rheingutstraße mit der 9A direkt an die Uni? Geht nur noch frühmorgens vor 8 und einmalig auf die um 10 Uhr beginnenden Vorlesungen. Die Linien 3 und 12, früher werktags im 15-Minuten-Takt unterwegs, dann auf 20 Minuten ausgedünnt, fahren künftig nur noch alle halbe Stunde.
Darunter werden neben den Menschen im Berchen- und Schwaketengebiet besonders die Schüler:innen der Gymnasien zu leiden haben, ob sie nun die Geschwister-Scholl-Schule besuchen oder die Linie 12 für Fahrten zum Sportunterricht in der Wollmatinger Halle und im Schwaketenbad benutzen. Schon jetzt sind sie von einer Doppelstunde (90 Minuten) Schwimmen gerade nur 20 Minuten im Wasser. Die restliche Zeit geht für Hin- und Rückfahrt und fürs Umkleiden drauf. Das ohnehin knappe Zeitfenster für den tatsächlichen Sportunterricht wird durch die von drei auf nur noch zwei Fahrten pro Stunde geänderte Taktung zusätzlich verkürzt.
Dies stelle, beklagt Patrick Hartleitner, geschäftsführender Schulleiter der Konstanzer Gymnasien, die betroffenen Schulen vor große Schwierigkeiten. Man werde bei den Stadtwerken nun Verstärkerfahrten anfordern müssen. Hierbei sei noch nicht abschließend geklärt, ob die benötigten Fahrten auch verfügbar sein werden, bzw. ob Fahrzeuge und Personal zur Verfügung stehen.
Keine Infos und Schwächen im Netz
Begründet werden die Kürzungen mit den Kosten. Das Angebot von vor dem Bahnhofsplatz-Umbau wieder herzustellen, so die Stadtwerke, hätte das jährliche Defizit der Busbetriebe von aktuell rund 5 Millionen Euro auf 6,8 Millionen erhöht. Denn gegenüber früher sind nicht nur die Löhne und Sachkosten gestiegen. Tempo 30, Fahrradstraßen (zum Hörnle), und – man höre! – ein wachsendes Fahrgastaufkommen verlängern die Umlaufzeiten der Buskurse, so dass man für ein Angebot wie im Spitzenjahr 2019 heute mehr Fahrzeuge und mehr Fahrpersonal benötigen würde.
Soweit so schlecht. Keinen Fortschritt gibt es bei den seit nun bald zehn Jahren versprochenen Echtzeitinfos der Abfahrtszeiten wenigstes an zentralen Haltestellen wie Bahnhof oder Zähringerplatz. Keinen Fortschritt gibt es bei den Schwächen im Netz, etwa dem Umstieg von der Achse Wollmatinger-/Fürstenbergstraße in Richtung Industriegebiet: Da muss man in Wollmatingen mindestens zehn Minuten warten, bis dann die Busse der Linien 4/13 und 6 unmittelbar hintereinander eintreffen.
Stadtbus ohne Perspektive
Abgenickt hat das alles der mit Gemeinderät:innen besetzte Busausschuss der Stadtwerke. Der tagt hinter verschlossenen Türen, und so wissen wir nicht, ob dies ein Konsens quer über alle Parteien und Gruppierungen war. Klar ist: Die Stadt ist klamm und muss sparen. Klar ist aber auch: Unsere Stadtwerke samt Kommunalpolitiker:innen haben keine Perspektive, wie sie den öffentlichen Verkehr und damit die Verkehrswende stärken können.
Die bürgerliche Mehrheit, wozu man auch die SPD zählen muss, verweigert sich jeder Erhöhung der städtischen Einnahmen – seien es die Parkgebühren oder auch nur das Anheben der Grundsteuer, um hier wieder auf das Niveau von vor der durch das Verfassungsgericht verordneten Neuberechnung zu kommen. An die nach Landesrecht mögliche Nahverkehrsabgabe für Einwohner oder Kfz-Halterinnen, beschönigend „Mobilitätspass“ gelabelt, wagen sich weder Rat noch Verwaltung.
Die Schweiz kann’s besser
Doch wo soll das hinführen? Die Kosten für den Betrieb des „Roten Arnold“ werden weiter steigen und man wird sie auch mit den zum Jahreswechsel so sicher wie das neue Jahr ankommenden Fahrpreiserhöhungen nicht auffangen können. Wenn der Gemeinderat nicht bereit ist, den Busbetrieb höher zu subventionieren, sind weitere Kürzungen des Angebots bis hin zum Streichen einzelner Linien unausweichlich. Denken wir an Ralph Stöhrs „noch“ …
Dass es auch anders geht, zeigt unsere Nachbarstadt Kreuzlingen. Dort hat nicht nur das gerade nur ein Franken teure „Stützliticket“ die Nutzung der Stadtbusse beflügelt, sondern auch die Quersubventionierung durch Parkgebühren die günstigen Fahrpreise erst ermöglicht. Fast möchte man wünschen, die Konstanzer Stadtwerke und der Gemeinderat würden den Betrieb des „Roten Arnold“ an Kreuzlingen abgeben. Die Schweizer:innen können’s mit den Öffis einfach besser.
Foto: Pit Wuhrer
Schreiben Sie einen Kommentar