Belagerung weissenau

Der Bauernkrieg 1525: Eine Katastrophe bis heute

Belagerung weissenau
Nur kurze Erfolge: Flucht des Klerus aus dem belagerten Kloster Weißenau nach Ravensburg

„Welch ein unvergleichliches Frühjahr der deutschen Geschichte ging schon im Mai 1525 zu Ende“, schreibt Peter Seibert in seinem Buch „Die Niederschlagung des Bauernkriegs 1525“. Weniger der Aufstand und sein Verlauf selbst, sondern was danach geschah und wie sich die Ereignisse von 1525 im kollektiven Gedächtnis eingegraben haben, sind Schwerpunkte seiner „Re-Lektüre“ der Quellen.

Hoffnungsvoll habe das Frühjahr 1525 begonnen: Am 20. März 1525 verabschiedeten Vertreter oberschwäbischer Bauernhaufen in der Reichsstadt Memmingen die „Zwölf Artikel“ sowie die „Bundesordnung“ und verliehen damit ihren Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund nach mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit auch schriftlich Ausdruck. Rund 25.000 Exemplare der „Zwölf Artikel“ wurden in 28 Auflagen innerhalb von zwei Monaten im Alten Reich verbreitet. Ein Medienereignis – dank des Buchdrucks –, das es bis dahin nicht gab. Mehr noch: In Heilbronn sollte am 12. Mai ein Bauernparlament gewählt werden. Dazu kam es aber nicht, denn genau an diesem Tag gelang es dem Heer des Schwäbischen Bundes unter Führung von Georg III. Truchsess von Waldburg (dem „Bauernjörg“) die württembergischen Bauern bei Böblingen vernichtend zu schlagen.

Dieser Adlige hatte zuvor, am 17. April, mit dem Abschluss eines Waffenstillstandsvertrag, dem sogenannten „Vertrag von Weingarten“ die Bauern des Baltringer-, Allgäuer- und Seehaufens (die zahlenmäßig seinem Heer überlegen gewesen wären) erfolgreich über den Tisch gezogen und sich so freie Bahn für seine Kriegsführung gegen die aufständischen württembergischen Bauernhaufen verschafft.

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Die Heere der Bauern (Bildmitte) und des Schwäbischen Bundes (unten links) vor Weingarten. Federzeichnung aus der Weißenauer Chronik des Abts Jacob Murer (um 1525

Direkt nach der Schlacht von Böblingen kapitulierte die Stadt Heilbronn, öffnete den heranrückenden Truppen des Schwäbischen Bundes ihre Tore und die Delegierten des Bauernparlaments mussten fliehen. „Welch ein unvergleichliches Frühjahr der deutschen Geschichte ging schon im Mai 1525 zu Ende“, resümiert Peter Seibert am Ende des zweiten Buchkapitels. 

Keine Schlachten, sondern Massaker

15.000 Mann zählte das Bauernheer bei Böblingen, etwa die Hälfte kam zu Tode. Die Bauern wurden, so geben es Quellen wider, regelrecht abgeschlachtet. Bereits am 4. April mussten die oberschwäbischen Bauernhaufen bei Leipheim ebenfalls vom Bundesheer und dem „Bauernjörg“ eine katastrophale Niederlage mit etwa 3000 bis 4000 Todesopfern erleiden.

Am 15. Mai wurden im thüringischen Frankenhausen rund 5000 Aufständische um Thomas Müntzer ermordet. Auch dies war keine „militärische Schlacht“, sondern vielmehr ein blutiges Gemetzel, verantwortet von Philipp von Hessen, dem Anführer der Fürstenheere. Die meisten Aufständischen fielen nicht auf dem „Schlachtberg“, sondern wurden auf ihrer Flucht erbarmungslos niedergemacht.

Ein weiteres grausames Blutbad ereignete sich nur zwei Tage später, am 17. Mai, im elsässischen Ort Zabern (Saverne): Dorthin hatte sich ein Bauernheer mit seinem Anführer Erasmus Gerber vor den Truppen des lothringischen Herzogs Anton II. – mit dem zeitgenössischen Beinamen „der Gute“ – zurückgezogen. Die „Bauern“, darunter auch Frauen und Kinder, waren bereit, sich zu ergeben. Doch anstatt freien Abzug zu erhalten, wurden sie von Landsknechten aus der Stadt auf freies Feld geführt und dort erbarmungslos hingerichtet, niedergestochen, erschlagen, vergewaltigt, totgetreten … Von 18.000 Toten berichteten Zeitgenossen.

Schätzungsweise 75.000 „gemeine Leute“ (ältere Forschungsliteratur nennt sogar die Zahl 100.000) sollen in den Aufstandsgebieten ihr Leben gelassen haben. Die Verluste aufseiten des Adels und seiner Heere waren dagegen gering. Im Kapitel „Deutschland – ein Leichenfeld“ listet Peter Seibert eine Chronik der Massaker auf.

Siegerjustiz und Strafgerichte

Auch nach dem Ende der entscheidenden Schlachten setzte der Adel seine Racheaktionen fort, verfolgte überlebende Aufständische, ihre (möglichen) Helfer und ihre Familien zum Teil noch jahrelang. Durch solch demonstrative Strafaktionen sollte jeder künftige Widerstand abgeschreckt werden. Dörfer und Städte, die an der Seite der Bauern gestanden hatten, wurden niedergebrannt oder geschleift. Laut Schwäbischem Bund selbst wurden in Süddeutschland etwa 10.000 Menschen hingerichtet. Viele weitere erlitten andere drakonische Strafen, wie Folter, Blendung, Abhacken von Fingern oder Händen.

„Folgen wir der Spur des Schwäbischen Bundes, die dieser über das Land zog, nicht als Feldzug gegen die Bauern, sondern als Strafexpedition, so gewinnt etwas Kontur, das 1525 etabliert wurde: Siegerjustiz“, konstatiert Peter Seibert (Seite 148). Die gnadenlose Unerbittlichkeit und blutdürstende Grausamkeit dieser Strafaktionen gingen weit über das hinaus, was in jener Zeit als legal galt und hatte „eine historisch bislang unbekannte Dimension“.

Um der Rache der Obrigkeit zu entkommen, flohen viele der überlebenden Aufständischen in andere Landesteile, vielfach auch in die Schweiz. Nicht alle hatten Glück, etliche wurden verraten, denunziert und an ihre bisherigen Landesherren ausgeliefert. Ihr zurückgelassenes Hab und Gut machte sich unterdes die Obrigkeit zu Eigen. Die Namen von Geflohenen, ihre Wohnorte und Vermögensverhältnisse sind in genauen Listen überliefert. Dank der „akribischen Bürokratie des deutschen Adels“ ist uns auch das Ausmaß „seiner Gier“, sich den Besitz der Geflohenen anzueignen, bekannt, so Seibert (Seite 201).

Frauen im Bauernkrieg

Auch den Frauen im Bauernkrieg ist ein Kapitel gewidmet. Sie bestellten die Höfe, während ihre Männer in den Krieg zogen. Nach der Niederlage verfassten sie Petitionen, in denen sie um die Freilassung ihrer Männer baten. Manche führten auch illegale Botendienste aus, um den Kontakt mit Geflüchteten im Exil zu halten.

Bekannt sind nur wenige Namen: Darunter Margarete Renner, die „Schwarze Hofmännin“, die mit ihrem Freund in die Schlacht zog. Oder Katharina Kreutzer, die den Aufenthaltsort ihres geflohenen Mannes auch unter Folter nicht verraten hat. Und Ottilie von Gersen, eine Adlige aus niederem Stand, ehemalige Nonne und Frau von Thomas Müntzer. Sie wurde verhaftet, gefoltert und hochschwanger vergewaltigt. Verarmt und verelendet überlebte sie, doch nach 1527 verliert sich ihre Spur „im Dunkel der Geschichte“, wie die so vieler anderer Frauen.

Re-Etablierung der alten Ordnung

Mit der Niederschlagung der letzten Aufstände im Herbst 1525 war die revolutionäre Kraft der Bauern und einfachen Leute vernichtet. Der Traum von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zerstört. Der siegreiche Adel konnte seine Stellung nicht nur festigen, sondern Macht, Einfluss und Großgrundbesitz weiter stärken und ausbauen – zum Teil bis heute. 

Zu den großen Kriegsgewinnlern gehörte unter anderen Georg III. Truchsess von Waldburg. Weil er mit Gottes Hilfe das Heilige Römische Reich vor dem Umsturz durch den „povell“ bewahrt habe, wurde der „Bauernjörg“ am 3. November 1525 von Kaiser Karl dem V. mit einer Urkunde beglückwünscht (Seibert, Seite 263). Als Belohnung für seine Massaker konnte er viele Gebiete hinzugewinnen und von den unterlegenen Aufständischen immense Lösegelder erpressen. Bis heute zählen die Familienlinien Waldburg-Zeil und Waldburg-Wolfegg zu den größten privaten Grundbesitzern. Auch einen großen Teil des Altdorfer Waldes nennen sie ihr Eigen.

Mit Verboten, Demütigungen, Bevormundungen und Strafandrohungen hingegen unterdrückten die Sieger das öffentliche Leben der Bauern und ihre Kultur auf lange Zeit. Strafzahlungen für aufständische Dörfer, Verschärfung der Leibeigenschaft mancherorts, Abbruch von Kirchhofsmauern und Kirchtürmen (weil sie als Befestigungen dienen konnten), Demontage der Glocken (deren Geläut den Tag gliederte, Brände meldete, zu Messen rief) gehörten zu ihren Racheaktionen. Kirchweih-Feste, Wirtshausbesuche, sogar Zusammenkünfte von Frauen und Jugendlichen in Spinnstuben wurden oft verboten. Die Bauern wurden entwaffnet, strenge Kleiderordnungen (wieder)eingeführt, mancherorts durften nicht mehr als zwei Frauen in der Öffentlichkeit zusammenstehen und in Ulm mussten „aufrührerische Weiber, wohin sie gingen, Abzeichen tragen“ (Seibert, Seite 250).

Während die Sieger ihre wenigen Opfer öffentlich betrauerten (zum Beispiel in Weinsberg mit einem Siegerdenkmal), unterdrückten sie jegliche kollektive Trauerarbeit der Unterlegenen und verhinderten dadurch das Herausbilden einer eigenen Erinnerungskultur der „gemeinen Leute“, hebt Seibert im Kapitel „Der Nachkrieg“ hervor. Hinzu kam eine strenge Zensur für Druckerzeugnisse. Flugschriften politischen Inhalts mit Relevanz zur öffentlichen Debatte erschienen bis weit ins 18. Jahrhundert nicht mehr.

„Beginn einer deutschen Gewaltgeschichte“

„Beginn einer deutschen Gewaltgeschichte“, so lautet der vielleicht nicht selbsterklärende Untertitel des Buches. Als Fazit seiner kritischen „Re-Lektüre der Quellen und Arbeiten“ hält Autor Peter Seibert fest, dass nach „der katastrophalen Niederlage der Bauern“ der „Untertanenstaat schlimmster Prägung“ gekommen sei. „Gehorsam und Treue“ seien fortan die „höchsten Ideale in deutschen Landen gewesen“ und „die Brutalität der Herrschenden findet viele historische Fortsetzungen und gipfelt schließlich im deutschen Faschismus“.

Eine Auslegung, die nicht ganz neu ist, der aber in der aktuellen historischen Forschung nicht gefolgt wird. So geht beispielsweise die „Kommunalismustheorie“ von Peter Blickle („Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes“, München, 5. Auflage 2018) aus den 1970er-Jahren davon aus, dass gerade aufgrund mancher, nach der Niederlage geschlossener Kompromisse zwischen Obrigkeit und Untertanen erste vordemokratische Strukturen auf Gemeindeebene entstehen konnten. 

Und nach Gerd Schwerhoff („Der Bauernkrieg – Geschichte einer wilden Handlung“, München 2024) war der Bauernkrieg eine „räumlich weit ausgreifende Massenbewegung, aber keine Revolution“. Auch danach, so Schwerhoff, hätten auf lokaler Ebene Bauern weiter protestiert und seien vor Gericht gezogen. Welchen Erfolg sie bei den Bemühungen hatten, ihr Recht durchzusetzen, sei aber vielfach ungeklärt.

Welcher Auslegung man sich auch anschließen mag, das Buch von Peter Seibert ist eine unbedingt empfehlenswerte hochinteressante Lektüre. In einem Interview mit dem Wissenschaftsportal L.I.S.A. beschreibt es sein Autor als „quellenbasierte Streitschrift“, um den Bauernkrieg zu einem „heißen Erinnerungsort“ zu machen, „der in unserem kulturellen Gedächtnis einen festen Platz einnehmen könnte“.

Zum Autor

Peter Seibert war Professor für Sozialgeschichte der Literatur an der Universität Siegen und ist Emeritus für Mediengeschichte der Literatur an der Universität Kassel. Er publizierte unter anderem zur Literatur der Bauernaufstände.

Peter Seibert: Die Niederschlagung des Bauernkriegs. Beginn einer deutschen Gewaltgeschichte. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2025, 304 Seiten mit ausführlichem Orts- und Personenregister und 15 Schwarzweiß-Abbildungen, Hardcover, 26,00 Euro, auch als E-Book erhältlich

Text: Uta Preimesser, Abbildungen: Federzeichnung Unterwerfungsschwur © Foto privat; Bucheinband © Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn; alle andere wikimedia commons

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Ein Kommentar

  1. Bernd Spellenberg

    // am:

    Sie erwähnen in Ihrem Beitrag die Schlacht zu Böblingen. Falls es ihnen nicht bekannt ist, seit Mai 2025 steht ein ca. 10 Meter hohes Denkmal zum Bauernkrieg in Böblingen am See, gestaltet vom Bildhauer Peter Lenk aus Bodman.
    In diesem Werk sind sehr eindrucksvoll fünf Themen zum Bauernkrieg anlässlich des 500-jährigen Gedenkens dargestellt. Die Stadt Böblingen hat dieses Kunstwerk bei Peter Lenk in Auftrag gegeben.

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