Südwestdeutsche Philharmonie © Patrick Pfeiffer

Das Lake Constance Philharmonic World Symphony Orchestra (kurz: LCPWSO)

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Südwestdeutsche Philharmonie © Patrick Pfeiffer
Südwestdeutsche Philharmonie © Patrick Pfeiffer

Mehrere Fraktionen des Konstanzer Gemeinderates haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht, die Südwestdeutsche Philharmonie umzubenennen, auf dass der Klangkörper eine neue „Identität“ erhält. Ob das wirklich eine gute Idee ist?

Wenn mensch nichts Vernünftiges mehr einfällt, soll es am Ende die Milchmädchen-Psychologie richten: Eine Fußballmannschaft hat es nicht geschafft, „sich zu belohnen“, eine Skispringerin hat nicht wirklich an ihren Sieg geglaubt, und Arbeitnehmer*innen sollen sich endlich dank eines neuen Firmenleidbildes (statt einer Gehaltserhöhung) wieder mit „ihrem“ Unternehmen identifizieren und als Unternehmer im Unternehmen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Der Glaube an die allesdurchdringende Kraft jeglichen Marketing-Psychofirlefanzes ist heute ähnlich inbrünstig wie einstmals jener an die alleinseligmachende Kraft der Kirche.

Und genau das planen jetzt die Fraktionen der FGL, der CDU, der FWK, der SPD, des JFK und der FDP, nur die Linke Liste LLK bleibt mal wieder außen vor. In einem Antrag, der am Donnerstag im Gemeinderat behandelt werden soll, schreiben sie folgendes: „Die Umbenennung der Südwestdeutschen Philharmonie in Bodensee Philharmonie stellt einen eindeutigen Herkunftsbezug der Philharmonie zur Bodenseeregion her. Die bisherige Namensgebung ist dagegen wenig identitätsstiftend. Südwestdeutschland ist bereits kein eindeutig abgrenzbares Gebiet. Neben dem gesamten Bundesland Baden-Württemberg umfasst das Gebiet ‚Südwestdeutschland‘ im allgemeinen Sprachgebrauch zumindest auch Teile von Rheinland-Pfalz, Hessen und des Saarlandes.“

Donnerlittchen, da hat aber jemand mal ganz genau in die Landkarte geschaut.

Psychomagisch

Man erinnert sich: Die Südwestdeutsche Philharmonie hieß beileibe nicht immer so wie heute. Aus dem „Städtischen Orchester Konstanz“ wurde 1962 das „Bodensee-Symphonie-Orchester“ (ältere Konzertgänger*innen nennen es daher noch heute „BSO“), und erst 1988 wurde es in „Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz“ umbenannt.

Jetzt soll es angesichts der aktuellen Finanzkrise also eine neue, angeblich wunderwirkende Mischung aus den alten Namen richten: Das wohlklingende neue „Bodensee Philharmonie“ (scheint’s ohne Bindestrich geschrieben) soll eine neue „Identität“ stiften. Aus genau diesem Grunde soll das Orchester vermutlich auch nicht nach seinem Hauptsponsor, der Stadt Konstanz, in „Bodensee Philharmonie Konstanz“ umbenannt werden: Dann könnte aus der neuen Identität schnell eine neue Schizophrenität werden, denn niemand wüsste in diesem Fall ja genau, ob er sich mit dem Bodensee oder mit Konstanz identifizieren soll.

Aber ob sich eine solche Identität mit „Bodensee Philharmonie“ aus dem Vielen zum gewünschten Einen kitten lässt? Den neuen Namenspatron Bodensee gibt es zwar nur einmal, aber ihn teilen sich mehrere Bundesländer, einige Kantone sowie drei Nationalstaaten. Er ist damit noch zerrissener und unidentischer als „Südwestdeutschland“ – zu welcher Identifikation lädt ein solcher Name ein? Zu der mit Bayern, mit Österreich, mit Mostindien oder gar mit den Oberschwaben, die Teile der angrenzenden Gaue hartnäckig besetzt halten?

Die vorliegende Begründung für diese Namensänderung mit einer Identitätsstiftung – was auch immer das sei – überzeugt auf Anhieb nicht.

Was verspricht sich die Politik also eigentlich von der Umfirmierung? Sollen die frisch umbenannten Schlagzeuger*innen doppelt so schnell trommeln, Konzertveranstalter*innen wie Publikum doppelt so lange Schlangen vor den Buchungstresen bilden? Sollen, verzaubert vom neuen Namen, Sponsor*innen ihre Geldbeutel bis zum Grund leeren und am Ende noch ihre Kinder an den nächstbesten Sklavenhändler verkaufen, um dem Orchester mehr Geld in die irdene Bettelschale werfen zu können?

Dass eine solche Namensumbenennung gerade jetzt beantragt wird, ist natürlich kein Zufall. Die Stadt will dem Orchester die Mittel kürzen, und das heißt für die Philharmonie einerseits zu sparen und andererseits mehr zahlende Kundschaft anzulocken. Insbesondere bei letzterem soll der neue Name nach Meinung unserer Kirchturmspolitiker*innen und Hobbypsycholog*innen helfen.

Größer und weiter denken

Aber ach, die Vergangenheit hat es mehrfach gezeigt: Ein neuer Name verkauft nicht mehr Karten. Das Publikum strömt vielmehr zuhauf, wenn das Programm ansprechend ist, der Abend beste Unterhaltung verspricht und hie und da ein vielversprechender Solist*innenname von den Litfaßsäulen leuchtet; das Kind mag heißen, wie es will.

Stattdessen kommen durch eine Umbenennung erhebliche Kosten auf die Philharmonie zu: Die gerade erst mit viel Aufwand bis zur völligen Unkenntlichkeit verunstalteten Plakate müssen neu designt werden, es muss ein neues Logo her, Internetauftritte, Werbemittel, Visitenkarten, Aufkleber, der ganze Kram muss neugestaltet und klimafeindlich neuproduziert werden, während das alte Material bergeweise in der Mülltonne landet.

Wer aber doch fest an die unwiderstehliche Magie eines neuen Namens glaubt, täte im Interesse des Orchesters gut daran, etwas größer als nur an den Bodensee zu denken: Warum nicht gleich eine hochdotierte Konzertreihe unseres Orchesters in Chicago, Boston oder New York herbeizaubern? Mit einer magisch hochdosierten Umbenennung ins atemberaubende „Lake Constance Philharmonic World Symphony Orchestra (LCPWSO)“ stünden dem Klangkörper zauberhafter Weise plötzlich die berühmtesten Podien der Neuen Welt und Asiens weit offen und die Freund*innen der philharmonischen Musik kämen ebenso gut auf ihre Kosten wie jene, die die symphonische Musik bevorzugen.

Abrakadabra …

Text: Harald Borges, Bild: © Patrick Pfeiffer

4 Kommentare

  1. Anke Schwede

    // am:

    Die Linke Liste Konstanz hätte zu der der von Ralph Braun zitierten Passage (wörtlich: „Mit dem Abschluss eines Haustarifvertrages könnten einvernehmlich verbindliche Regelungen zu den Arbeits- und Einsatzzeiten getroffen werden. Daran sollte insbesondere die Stadt ein Interesse haben“) gerne eine*n Vertreter*in des Personalrates der Südwestdeutschen Philharmonie gehört und dies zu Beginn der Gemeinderatssitzung am 21. März beantragt. Leider konnte niemand kommen oder virtuell zugeschaltet werden. Selten bringt ein Haustarifvertrag Verbesserungen für die Beschäftigten, u. a. deswegen haben wir uns als einzige Fraktion nicht dem interfraktionellen Antrag angeschlossen. Aber das Thema „Namensänderung in Bodensee Philharmonie und Haustarifvertrag“ wird wieder im Gemeinderat beraten werden und wir bleiben dran.

  2. Ralph R. Braun

    // am:

    Wir hatten doch bis 1988 schon mal ein Bodensee-Symphonie-Orchester (BSO). Dann war den Entscheidungsträgern wohl der See zu klein und man wollte Südwestdeutschland repräsentieren. Nun wieder zurück an den See. Ich bezweifle, dass sich mit dem neuen Namen die ersehnten Zuschüsse aus Friedrichshafen oder dem Thurgau leichter einwerben lassen.
    Gern hätte man mehr darüber erfahren, warum der Personalrat des Orchesters aus dem Tarifvertrag seines Berufsverbands aussteigen will, der ja immerhin über 10.000 Berufsmusiker:innen vertritt. Man wollte mehr Flexibilität, hieß es dazu kryptisch im Gemeinderat. Es darf vermutet werden, dass die von den Rät:innen hoch gelobte Veränderungsbereitschaft des Konstanzer Klangkörpers auch von der Angst vor weiteren Budgetkürzungen und damit vor Stellenstreichungen getrieben wird.

  3. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Nun Bodensee Philharmonie klingt auf jeden Fall provinzieller, bei den Sparplänen wäre das vielleicht ganz passend und richtungsweisend. Die wirklich herausragende Akustik im BoFo dazu als neuen Spielort, wäre natürlich auch geeignet.
    Also wenn schon Kultur, mehr Zuschüsse für das Orchester wären mir lieber, als ein neuer Name und ein unglaubliches Groschengrab (jährlich das Defizit des Bodenseeforums, mit beschränkter Nutzung).

  4. Winfried Kropp

    // am:

    Bis zum 8. April können sich interessierte Menschen auf die Stelle der Intendantin oder des Intendanten der Südwestdeutschen Philharmonie bewerben. Alle dürfte es sehr interessieren, dass der Träger des Orchesters in einer wesentlichen Frage Festlegungen treffen will, bevor der/die neue Stelleninhaber/in an der „Bildung einer Vision für die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz“, wie es in der Ausschreibung heißt, arbeiten kann.

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