Bus, bahnhof, neuer bahnhofplatz 2025 10 16 13 © harald borges

Rowdys auf dem Bahnhofplatz: Stadt knickt ein

Von O. Pugliese (Text) & Harald Borges (Bilder)
Bus, bahnhof, neuer bahnhofplatz 2025 10 16 13 © harald borges

Klimanotstand hin, Haushaltssperre her: Die Stadt Konstanz hält trotz allen Geschwätzes von einer grünen Stadt – sowie der dringend nötigen Erhöhung ihrer Einnahmen – an der einseitigen Bevorzugung des Autoverkehrs fest. Sie verzichtet jetzt auf wohl sechsstellige Bußgelder für Autofahrer:innen, die zu Tausenden das Recht gebrochen haben.

Legal, illegal, scheißegal ist scheint’s die Devise, nach der Autofahrer:innen weiterhin rücksichtslos über den für sie gesperrten Bahnhofplatz brettern. Die Verwaltung spielt erstaunlicherweise mit. Unter der entlarvenden Überschrift „Neue Verkehrsregelung am Bahnhof wird nochmal deutlicher ausgeschildert“ teilte sie dieser Tage mit, dass sie auf Strafzettel für die dort geblitzten mehrere Tausend Autofahrer:innen verzichten will.

Tausende „Fehlfahrten“

Statt ordentlich hinzulangen, wie es sonst doch ihre Art ist, tut die Stadtverwaltung in diesem Fall lieber so, als handele es sich bei diesen willensstarken Rechtsbrecher:innen mit den ausgefahrenen Ellbogen in Wirklichkeit um seh- und nervenschwache Wesen, denen man hilfreich durch das Aufstellen neuer, noch größerer Schilder den Weg zum Heil weisen müsse, statt massiven Verfolgungsdruck aufzubauen und die Höllentore zu öffnen: „Die sichtbaren Hinweise auf die neue Verkehrsregelung werden nochmals deutlich verstärkt“, teilt die städtische Pressestelle voll warmer Gefühle für die allen Geboten hohnlachenden Bleifüße mit.

Der am Mittwoch, 15.10., aufgestellte Blitzer erfasste danach allein am ersten Tag ca. 2800 „Fehlfahrten“, das wäre eine richtig fette Beute für die städtischen Finanzen, weshalb man ihn gleich am 17.10. wieder abbaute. Das zahnlose Fazit der Stadt, die sich in Selbstkritik übt, lautet: „Vor Ort läuft es noch nicht rund, die Beschilderung und die visuelle Führung reichen nicht aus.“

Bus, bahnhof, neuer bahnhofplatz, verkehrsschilder markiert 2025 10 16 02 beschnitten © harald borges
Aufgenommen am 16.10.2025

Es läuft nicht rund? Das ist eine geradezu aberwitzige Untertreibung. Die weit überwiegende Mehrheit dieser autofahrenden Rechtsbrecher:innen weiß genau, was sie tut. Selbst unsere lichtschwache Kamera offenbart: Die dort ursprünglich aufgestellten Verkehrszeichen waren mitnichten unsichtbar – außer anscheinend für Tausende von Autofahrer:innen.

Ein rechtsfreier Raum

Bahnhofplatz, schneckenburger, tauben, fürstenhäusle 2025 10 16 03 © harald borges
Die Hühner auf dem Dach nebenan nehmen’s gelassen

Dass die Stadt aber in Zeiten der Haushaltssperre auf einen erklecklichen sechsstelligen Betrag an Geldstrafen verzichtet, kann nur Erstaunen hervorrufen. Heute Nachmittag stehen im Gemeinderat etwa 2000 Euro für „Sporthalle Petersh. Ersatz Sportgeräte“ sowie etliche andere unscheinbare Kleckerbeträge mit leider spürbaren Auswirkungen auf den Unterricht zur Disposition – und gleichzeitig wird darauf verzichtet, Hunderttausende Euro von Verkehrsrowdys einzuziehen?

Das ist in diesen Zeiten radikaler Mittelkürzungen nur wenigen Menschen zu vermitteln.

Dass mit der Straflosigkeit für Autos die Situation am Bahnhof etwa für mobilitätseingeschränkte Menschen, die dort irgendwie heile über die Straße kommen müssen, fast genauso unerfreulich und gefährlich bleibt wie vor dem aufwändigen Umbau des Platzes, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen. Hauptsache, die verhätschelten Autofahrer*innen haben in einem rechtsfreien Raum so richtig freie Fahrt.

Dabei könnte die Verwaltung doch einfach beherzigen, was Georg Herwegh schon 1863 der Arbeiterbewegung ins Stammbuch schrieb: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“

Quelle: Pressemitteilung der Stadt Konstanz vom 17. Oktober 2025, geändert am 21. Oktober 2025.

4 Kommentare

  1. Peter Conzelmann

    // am:

    Stimme zu. Wo Durchfahrverbot draufsteht, muss auch Durchfahrverbot drin sein. Aber der Stadt ist es ja auch egal, dass ständig Radfahrer durch die Fußgängerzone pesen. Vielleicht täusche ich mich, aber ich habe noch nie beobachtet, dass dagegen etwas unternommen wird.

  2. Paul Zinsmann

    // am:

    Dass Menschen mit Verkehrsänderungen Schwierigkeiten haben, lernt man bereits in der Fahrschule… Erstmal locker bleiben und beobachten, warum nach wenigen Tagen bereits nach der vollen Härte des Gesetzes schreien?

    Was hat eigentlich der Klimanotstand im ersten Absatz zu suchen? Das Thema wird nicht nur nicht aufgegriffen, es ist auch komplett verfehlt: Die CO2 Bilanz dürfte mit der Vervielfachung der Fahrstrecke über die Laube deutlich schlechter ausfallen, als davor.

    Sorry, aber als überzeugter Busnutzer finde ich diesen Beitrag mehr als peinlich und kurzsichtig.

  3. Bernd Eisenbarth

    // am:

    Ich würde jetzt die Kirche mal im Dorf lassen und nicht gleich in Schnappatmung verfallen wie die LLK. Es handelt sich hier um Anfangsschwierigkeiten, weil es immer Zeitgenossen gibt, die blind in ihrer Gewohnheit sind. Üblicherweise sind die Behörden hier eine Weile etwas kulant, was m.E. auch ok und begrüßenswert ist. Wir wollen doch eigentlich alle keinen über-regulierenden und zu restriktiven Staat (was er de facto aber leider doch oft genug ist). Bei Änderungen der Höchstgeschwindigkeit werden auch nicht sofort überall Blitzer aufgestellt. Wenn’s dann nach zwei Wochen immer noch nicht funktioniert, kann man ja mal verstärkt den Knöllchenblock zücken. Irgendwann schnallen es dann auch die Dümmsten.

  4. Harald Borges

    // am:

    Zu diesem Thema veröffentlichte die Linke Liste gestern folgende Pressemitteilung:
    Linke Liste fordert Bußgelder für Autos auf dem Bahnhofplatz
    Der am 12. Oktober eingeweihte, neu gestaltete Konstanzer Bahnhofplatz ist für den privaten motorisierten Verkehr mit wenigen Ausnahmen gesperrt. Große, gut sichtbare Schilder am Lago-Kreisel und an der Einmündung der Dammgasse verbieten die Durchfahrt außer für Linien- und Lieferverkehr, Fahrräder und bestimmte Anlieger. Außerdem wurde über das neue Verkehrskonzept seit Wochen derart umfassend berichtet, dass es allgemein bekannt ist.
    Allerdings ignorieren vor allem Autofahrende dieses Verbot ganz bewusst. Die Stadt Konstanz hat dort daher am 15.10. einen Blitzer abgestellt und nach eigenen Angaben etwa 2800 unberechtigte Durchfahrten pro Tag (also mehr als 100 pro Stunde!) fotografiert. Die „Konsequenz“: Der Blitzer wurde am 17.10. wieder abgebaut und bekanntgegeben, dass „für die in den vergangenen Tagen am Bahnhof erfassten Fehlfahrten keine Bußgelder erhoben“ werden.
    Wir halten dieses Vorgehen der Verwaltung für unverantwortlich.
    Die Stadt Konstanz steckt derzeit in einer schweren Finanzkrise, hat eine Haushaltssperre verhängt und will selbst am Notwendigsten sparen. Hier aber verzichtet sie zugunsten jener Verkehrsteilnehmer:innen, die – ganz bewusst – das Recht brechen, auf Einnahmen im sechsstelligen Bereich.
    Indem die Verwaltung den Bahnhofplatz faktisch auch weiterhin für den Durchgangsverkehr öffnet, gibt sie das eigentliche Ziel des kostspieligen Umbaus auf. Versprochen hatte sie dort „mehr Sicherheit, weniger Konflikte, einen verlässlichen ÖPNV-Betrieb und mehr Aufenthaltsqualität“. Nichts dergleichen ist davon derzeit zu sehen, der Autoverkehr fließt, behindert Busse und Fußverkehr und nötigt Radfahrende zu gefährlichen Ausweichmanövern. An eine sichere Überquerung des Platzes ist gerade für ältere Menschen nicht zu denken.
    Durch ihr Zurückweichen vor diesem massenhaften Rechtsbruch setzt die Stadt, die sonst so großzügig Knöllchen verteilt, außerdem ein gefährliches Signal. Schon heute eskaliert die Gewalt auf unseren Straßen, Fußgänger:innen benutzen auf der alten Rheinbrücke zuhauf den Radweg, während auf dem Fußweg auf der anderen Seite der Brücke Radfahrer:innen die Fußgänger:innen beiseite klingeln und abdrängen und in den Wohnquartieren Autofahrer:innen wie selbstverständlich Fuß- und Radwege blockieren.
    In dieser Situation der zunehmenden Missachtung von Verkehrsvorschriften und Verrohung darf die Stadt keine rechtsfreien Räume schaffen, sondern muss ihrer Aufgabe, die Grundregeln eines vernünftigen Umgangs miteinander durchzusetzen, unbedingt nachkommen. Ganz abgesehen davon, dass sie die Strafgelder bitter nötig hätte.
    Es darf unserer Ansicht nach keine Extrawurst oder gar rechtsfreien Räume für die von der Verkehrsplanung ohnehin seit Jahrzehnten einseitig bevorzugten Autos geben.
    Für die LLK: Holger Reile – Wolfgang Moßmann – Anke Schwede
    Quelle: Website der LLK

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