
Klimanotstand hin, Haushaltssperre her: Die Stadt Konstanz hält trotz allen Geschwätzes von einer grünen Stadt – sowie der dringend nötigen Erhöhung ihrer Einnahmen – an der einseitigen Bevorzugung des Autoverkehrs fest. Sie verzichtet jetzt auf wohl sechsstellige Bußgelder für Autofahrer:innen, die zu Tausenden das Recht gebrochen haben.
Legal, illegal, scheißegal ist scheint’s die Devise, nach der Autofahrer:innen weiterhin rücksichtslos über den für sie gesperrten Bahnhofplatz brettern. Die Verwaltung spielt erstaunlicherweise mit. Unter der entlarvenden Überschrift „Neue Verkehrsregelung am Bahnhof wird nochmal deutlicher ausgeschildert“ teilte sie dieser Tage mit, dass sie auf Strafzettel für die dort geblitzten mehrere Tausend Autofahrer:innen verzichten will.
Tausende „Fehlfahrten“
Statt ordentlich hinzulangen, wie es sonst doch ihre Art ist, tut die Stadtverwaltung in diesem Fall lieber so, als handele es sich bei diesen willensstarken Rechtsbrecher:innen mit den ausgefahrenen Ellbogen in Wirklichkeit um seh- und nervenschwache Wesen, denen man hilfreich durch das Aufstellen neuer, noch größerer Schilder den Weg zum Heil weisen müsse, statt massiven Verfolgungsdruck aufzubauen und die Höllentore zu öffnen: „Die sichtbaren Hinweise auf die neue Verkehrsregelung werden nochmals deutlich verstärkt“, teilt die städtische Pressestelle voll warmer Gefühle für die allen Geboten hohnlachenden Bleifüße mit.
Der am Mittwoch, 15.10., aufgestellte Blitzer erfasste danach allein am ersten Tag ca. 2800 „Fehlfahrten“, das wäre eine richtig fette Beute für die städtischen Finanzen, weshalb man ihn gleich am 17.10. wieder abbaute. Das zahnlose Fazit der Stadt, die sich in Selbstkritik übt, lautet: „Vor Ort läuft es noch nicht rund, die Beschilderung und die visuelle Führung reichen nicht aus.“

Es läuft nicht rund? Das ist eine geradezu aberwitzige Untertreibung. Die weit überwiegende Mehrheit dieser autofahrenden Rechtsbrecher:innen weiß genau, was sie tut. Selbst unsere lichtschwache Kamera offenbart: Die dort ursprünglich aufgestellten Verkehrszeichen waren mitnichten unsichtbar – außer anscheinend für Tausende von Autofahrer:innen.
Ein rechtsfreier Raum

Dass die Stadt aber in Zeiten der Haushaltssperre auf einen erklecklichen sechsstelligen Betrag an Geldstrafen verzichtet, kann nur Erstaunen hervorrufen. Heute Nachmittag stehen im Gemeinderat etwa 2000 Euro für „Sporthalle Petersh. Ersatz Sportgeräte“ sowie etliche andere unscheinbare Kleckerbeträge mit leider spürbaren Auswirkungen auf den Unterricht zur Disposition – und gleichzeitig wird darauf verzichtet, Hunderttausende Euro von Verkehrsrowdys einzuziehen?
Das ist in diesen Zeiten radikaler Mittelkürzungen nur wenigen Menschen zu vermitteln.
Dass mit der Straflosigkeit für Autos die Situation am Bahnhof etwa für mobilitätseingeschränkte Menschen, die dort irgendwie heile über die Straße kommen müssen, fast genauso unerfreulich und gefährlich bleibt wie vor dem aufwändigen Umbau des Platzes, scheint ebenfalls keine Rolle zu spielen. Hauptsache, die verhätschelten Autofahrer*innen haben in einem rechtsfreien Raum so richtig freie Fahrt.
Dabei könnte die Verwaltung doch einfach beherzigen, was Georg Herwegh schon 1863 der Arbeiterbewegung ins Stammbuch schrieb: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“
Quelle: Pressemitteilung der Stadt Konstanz vom 17. Oktober 2025, geändert am 21. Oktober 2025.


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