Symbolbild Freiwillige, Ehrenamt (c) julia m. cameron bei Pexels

Ein kleines Extra für all die Guten

Der Gemeinderat hat auch in dieser Woche wieder viel zu tun. Allein 22 Tagesordnungspunkte will er am Donnerstag in öffentlicher Sitzung behandeln, und dazu zählen einige Schwergewichte. So soll es etwa um die Einführung einer städtischen Ehrenamtskarte gehen, die so einfach nicht ist, wie sich das anhört.

Dass das Ehrenamt nicht genug wertgeschätzt wird, ist ein Gemeinplatz wie die tägliche Klage über das Wetter (ob es nun regne, schneie oder die Sonne scheint). Deshalb macht sich die Politik auf Bundes-, Landes- und eben auch kommunaler Ebene immer wieder Gedanken, wie sich das Ehrenamt am besten aufwerten ließe. Ein Favorit ist bei allen Diskussionen die Ehrenamtskarte: Im Ehrenamt engagierte Menschen können sich damit ausweisen und zudem noch auf Rabatte hoffen.

Wenn es denn nur so einfach wäre.

Die Sitzungsvorlage für den Gemeinderat jedenfalls lässt erahnen, welche Abgründe sich dem Verwaltungshandeln in den Weg stellen, obwohl FGL und CDU mit aktuellen Anträgen zum Thema den Turbo zu zünden versuchten.

Was ist das?

Worum also geht es? Die Verwaltung beschreibt das Ding so: „In der Regel handelt es sich um einen nicht-digitalen Ausweis, der an BürgerInnen ausgegeben wird, die eine bestimmte Funktion in einem Ehrenamt ausüben oder eine bestimmte Anzahl von Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit in einem bestimmen Zeitraum erbringen. Mit der Karte sind in der Regel Vergünstigungen für öffentliche Dienstleistungen und Angebote (Schwimmbad, Bücherei, Bus), manchmal auch Vergünstigungen im gewerblichen Bereich (Einkauf, Eintritte) verbunden. Die Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen erfolgt in der Regel durch die Stadtverwaltung oder eine von ihr beauftragte Freiwilligenagentur.“

Recht so: Der ehrenamtlich tätige Mensch will sich ja nicht nur seinen Mitmenschen gegenüber dank der Karte als ganz besonders grundgütiges Exemplar der Schöpfung ausweisen können, sondern freut sich, wenn er die warme Dusche im Schwimmbad umsonst bekommt und der Wirt seiner Lieblingskneipe „Zum Vereinsmeier“ ihm den halben Liter Hustensaft mit Wodka Marke „Satzungsänderung“ mit einem anerkennenden Schulterklopfen und zudem etwas billiger hinstellt. Da spürt er dann gleich doppelte Kraft fürs Ehrenamt in sich aufbrausen.

Die Landesregierung kommt nicht recht zu Potte

Nach Angaben der Verwaltung hatte die Landesregierung die Einführung einer solchen Karte im Koalitionsvertrag vereinbart und bereits viel Hirnschmalz in das Ding gesteckt. „Im Ergebnis wird derzeit in zwei Stadtkreisen (Freiburg, Ulm) und zwei Landkreisen (Calw, Ostalbkreis) von Mai 2023 bis Mai 2024 die neue Landesehrenamtskarte modellhaft erprobt. Die Stadt Konstanz konnte sich leider nicht bewerben, da an übergeordneter Stelle entschieden wurde, dass sich nur Stadt- und Landkreise als Modellstandort bewerben durften. Während und nach der einjährigen Modellphase erfolgt eine Evaluation und ggfls. Anpassungen in der Ausgestaltung und ggfls. auch der Voraussetzungen der Landesehrenamtskarte.“

Der Landeslappen allerdings bringt nicht viel, denn seine Vergünstigungen gelten nur in Einrichtungen des Landes Baden-Württemberg und in Jugendherbergen. Da diese Karte außerdem gedruckt werden soll und nicht elektronisch vorliegen wird, können vor Ort keine Zusatzleistungen ergänzt werden.

Auch wenn das Ding irgendwann kommen sollte, passt es also nicht für Konstanzer Ehrenämtler*innen. Sie ist damit wohl absehbar ziemlicher Murks.

Konstanzerisch isch’s praktischer

Warum also nicht eine eigene Konstanzer Ehrenamtskarte, fragt die Verwaltung den Gemeinderat, der darüber am Donnerstag entscheiden soll.

Nun stelle man sich das aber nicht so einfach vor, einfach nur ein Pappdingens drucken und an die Vereine zur Weiterverteilung geben, das wäre schon grober Unfug, denn es geht auch hier ans Eingemachte: „Die mögliche Einführung einer Konstanzer Ehrenamtskarte ist ein Projekt, in dem eine Vielzahl konzeptioneller, finanzieller und praktischer Fragen erörtert und geklärt werden müssen. Der Aufwand für Konzepterstellung, Vorbereitung, Roll-out bzw. laufende Führung und Steuerung der Karte ist erheblich. Da die Stadt Konstanz (HA-BES) eine nahezu vollständige Kontaktliste aller Konstanzer Vereine pflegt, gehen wir davon aus, dass die Bewerbung der Ehrenamtskarte eine sehr große Reichweite haben würde und, je nach Umfang etw. Vergünstigungen, das daraus resultieren Interesse für eine Ehrenamtskarte groß bis sehr groß wäre.“ HA-BES heißt übrigens Hauptamt-Bürgerbeteiligung, Engagement, Städtepartnerschaften.

Mit anderen Worten, die Umsetzung könnte ins Geld gehen, weil alle das Ding haben wollen, und das gilt es durch einen mehrstufigen Plan möglichst zu behindern.

Drei Stufen zum Glück

Mit Blick auf die angespannte Haushaltslage empfiehlt die Verwaltung die Umsetzung der Ehrenamtskarte in drei Schritten:

Schritt 1: Konzeptentwicklung und Vorbereitung (2025), dazu zählen etwa der Aufbau der Projektstrukturen und die „Erarbeitung der Rahmenbedingungen für die Ehrenamtskarte unter Einbindung von Stakeholdern (Ziele, Zielgruppen, Gesamtorganisation, Rollen, Geschäftsprozesse, Aufgaben, Voraussetzungen, Ausgabestellen, etc.)“. Natürlich muss auch die Zusammenarbeit mit anderen Ermäßigungskarten geklärt und zudem festgelegt werden, was es für diese Karte überhaupt geben soll – es geht dabei um Verträge, Vereinbarungen, Klärung von Geschäftsprozessen für etwaige Erstattungen und ähnliche Dinge, die einem Normalsterblichen die Haare zu Berge stehen lassen.

Schritt 2 soll mit einem Gemeinderatsbeschluss und der Mittelbereitstellung gegen Ende 2025 getan werden, ehe es 2026 an die Umsetzung und damit an Schritt 3 geht. Danach gibt es dann permanente Arbeit mit der Verlängerung der Karten, der Akquise weiterer Akzeptanzstellen und dem Berichtswesen und Controlling.

So einfach, wie es scheint, ist das alles also nicht.

Dabei brennt die Angelegenheit wirklich unter den Nägeln. Da die Politik auf allen Ebenen unter Geldmangel ächzt, wird sie versuchen, vor allem Angebote im pädagogischen, sozialen und kulturellen Bereich zusammenzustreichen (auf ein paar Milliarden mehr für die Fabrik eines hochprofitablen Weltkonzerns kommt es hingegen nicht an). Diese Lücke sollen dann absehbarerweise immer mehr ehrenamtliche Helfer*innen mit ihrer unbezahlten Arbeit schließen. Diese oft sehr idealistischen Menschen sollen mit einem bunten Stück Pappe oder einer App und einigen Rabatten hier und da belohnt werden, um ihre Motivation zu stärken und das Gemeinwesen zusammenzuhalten.

Die Frage ist eher, ob ein solches Angebot durch und durch sozial denkende, engagierte und selbstlose Menschen nicht eher beleidigt als belohnt.

Text: O. Pugliese, Symbolbild: Julia M Cameron

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