
Was können und sollen die Konstanzer Friedhöfe in Zukunft leisten? Werden sie Friedwälder und Hundeklos, Parks zum Lustwandeln, Stätten unseres kulturellen Erbes? Oder alles auf einmal? Diese und weitere Fragen stellen sich in den nächsten Wochen den Konstanzer Stadträt:innen.
Nach dem Beirat für Friedhofsangelegenheiten (hier treffen sich Vertreter:innen der Verwaltung, Mitglieder des Gemeinderates und sachkundige Menschen etwa aus Stadtseniorenrat, Hospiz und Kirche) werden sich in absehbarer Zeit auch der Technische Betriebsausschuss und schließlich der Gemeinderat höchstselbst in öffentlicher Sitzung Gedanken darüber machen, wie es mit den Konstanzer Friedhöfen weitergehen soll. In Konstanz gibt es bekanntlich sechs städtische Leichenäcker, neben dem großen in Petershausen sind dies die „Dorffriedhöfe“ Allmannsdorf, Wollmatingen, Dingelsdorf, Dettingen und Litzelstetten, und zusätzlich ist da auch noch der Ruhewald Mainau, aber der macht sein eigenes Ding.
Wer denkt, da gebe es nicht viel zu bedenken – gestorben werde schließlich immer und dann gehe es ab in die Grube – irrt ganz gewaltig. Friedhöfe haben über die reine Leichenverwahrung hinaus viele weitere Funktionen und spielen eine gewichtige Rolle im Stadtbild und im Sozialleben.
Mehr Tote, aber …
Die nicht mehr ganz taufrischen geburtenstarken Jahrgänge werden bald das Zeitliche segnen und, wie es in den Sitzungsunterlagen heißt, dafür sorgen, dass „die Sterbefallzahlen (SFZ) für die Stadt Konstanz […] während der nächsten Jahre sprunghaft ansteigen und für die kommenden Jahrzehnte dann etwa 40 Prozent höher liegen werden als in den zurückliegenden Jahren. So wird voraussichtlich bereits bald eine Schwelle von dauerhaft 1000 Sterbefällen pro Jahr überschritten“.
Trotzdem legen die Verantwortlichen der städtischen Betriebe ihre Denkerstirnen in Sorgenfalten. Wer nämlich in laienhafter Verblendung glaubt, konstanzerisch zu sterben heiße automatisch auch, konstanzerisch zur Ruhe gebettet zu werden, schätzt den postmortalen Lokalpatriotismus der Mitbürger:innen falsch ein. Denn während immer mehr gestorben wird, die Sterbefallzahlen also in die Höhe schießen, sinkt auf der anderen Seite „die Bestattungsquote, d.h. der Anteil der örtlichen Sterbefälle, der auf den örtlichen Friedhöfen zur Bestattung kommt, und fällt mittlerweile auf Anteile von nur noch etwa 65 bis 60 Prozent im Mittelwert aller Friedhofsstandorte“.
Immer mehr Friedhofsflüchtige
Anders gesagt: Ein sattes Drittel der in Konstanz Gestorbenen wird friedhofsflüchtig – dies allerdings mit starken örtlichen Unterschieden, denn auf den drei Ortsteilfriedhöfen Dingelsdorf, Litzelstetten und Wollmatingen könnte es laut Prognose in Zukunft vielleicht sogar mal eng werden. Doch das ist nur die Ausnahme von den für die Stadt bedauerlichen Durchschnittswerten.
Was zieht nun genuin konstanzerische Leichen von den städtischen Friedhöfen ab? Ein Beweggrund sind niedrigere Preise auf anderen Friedhöfen; aber auch neue „Beerdigungs“formen wie See- oder Diamantbestattung und privatwirtschaftlich betriebene Bestattungswälder sowie Grabeskirchen und Friedhäuser machen den städtischen Friedhöfen Konkurrenz. Wenn dann vielleicht noch eines Tages, wie in Bremen 2014 geschehen, „der ‚Beisetzungszwang‘ für Totenasche auf öffentlich gewidmeten Friedhofsflächen auch in anderen Bundesländern abgeschafft wird und die Bevölkerung ihre Verstorbenen in größerem Umfang nicht mehr auf Friedhöfen“ beisetzen muss, gewinnt die Frage nach der Zukunft der Friedhöfe immer größere Dringlichkeit.
Die im Durchschnitt gesunkene „Bestattungsquote bedeutet nämlich, dass heutzutage bereits ein Drittel aller Bestattungsfälle […] nicht mehr zum Gebührenaufkommen der kommunalen Friedhofsanlagen der Stadt Konstanz beitragen“. Dieses Gebührenaufkommen ist es schließlich, das die Entscheider:innen wie in allen Fragen der kommunalen Daseinsvorsorgeverpflichtungen auf Trab hält.
Totsein soll attraktiver werden
Wie also ließen sich die Konstanzer Friedhöfe, deren Unterhalt die Stadt schließlich eine Stange Geld kostet, attraktiver machen, so dass sich wieder deutlich mehr Sterbende und Hinterbliebene für die ewige (in Wirklichkeit zumeist mehrere Jahrzehnte währende) Ruhe in heimischer Scholle entscheiden?
Bei der Antwort auf diese Frage kommen der Zeitgeist und geänderte Lebensgewohnheiten ins Spiel. Die – zumeist ältlichen – Hinterbliebenen, die Tag für Tag hinaus zum Friedhof ziehen, um dort, mit Gehstöcken, Blumen und Gießkannen bewaffnet, ihre Liebsten im Familiengrab zu bewässern und ein Schwätzchen zu halten, sind Auslaufmodelle. Gefragt sind heute vielmehr „pflegevereinfachte Grabformen“, um die sich die teils fernen Hinterbliebenen gärtnerisch kaum zu kümmern brauchen.
Für die Friedhöfe der Stadt Konstanz konstatiert ein Gutachten noch Luft nach oben für zeitgemäße Bestattungsformen wie vor allem Baumgräber – da wurde wohl der Trend hin zum „romantischen“ (und vor allem pflegeleichten) Friedwald verpennt. Ihr Augenmerk sollen die Verantwortlichen aber auch auf den Ausbau des Angebotes an Sargrasengräbern und Stelengräbern und auf die speziellen Bedürfnisse muslimischer Mitmenschen richten, für die es auf dem Hauptfriedhof bereits ein Grabfeld sowie Erweiterungsflächen gibt, bei denen „eine Ausrichtung nach Mekka fast überall gegeben“ ist.
Ein wichtiger Trend, der sich fortsetzen dürfte, ist die Abkehr von traditionellen Sargbestattungen in blumenbepflanzten Reihengräbern hin zu Urnenbeisetzungen. Sarggräber haben „je nach konkreter Ausgestaltung und Zuschnitt des Grabangebots, meist einen etwa vier- bis zehnmal höheren Flächenbedarf als Urnengräber. Mit der zunehmenden Nachfrage nach kleinflächigeren Urnengräbern nimmt der Friedhofsflächenbedarf also ab.“ Für den Klimaschutz auf den Konstanzer Friedhöfen haben solche Entwicklungen positive Auswirkungen, da künftig „mehr Flächen für extensive Rasenbereiche, Blühwiesen sowie Platz für neue Bäume zur Verfügung stehen werden. Die Anzahl des Baumbestandes wird aufgrund der neuen Baumgrabfelder erhöht werden und somit entstehen zudem mehr Schattenflächen“.
Der Friedhof als „Mischfunktionsfläche“
Gerade der 11 Hektar – also etwa 16 Bundesliga-Spielfelder – große Hauptfriedhof könnte damit immer mehr zu einer „Mischfunktionsfläche mit Friedhofs- und Erholungsfunktionen“ werden, auf der das „Rahmengrün“ für lustwandelnde Menschen zur Hauptattraktion wird. „Mit einer solchen Friedhofsnutzung wird das Erscheinungsbild des Hauptwegerasters zunehmend ‚grüner‘. Bereits heutzutage wird das baumbeschattete Wegeraster stark für Freizeit- und Erholungsnutzungen in Anspruch genommen (u.a. Spaziergänge mit Kinderwagen, Hunde ausführen, Joggen). Eine solche Freizeitfunktion kann zukünftig durch entsprechende Ausstattung noch verstärkt werden (z.B. durch Sitzgelegenheiten, Infotafeln zu Natur und Historie, einen Trauerpfad, Entdeckerwege für Kinder, Kunst, u.a.m.)“.
Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten …
Quelle: Beschlussvorlage 2025-1096


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