
Im März kommenden Jahres wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Nun hat am 22. Oktober auch das hiesige Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Hochrhein-Bodensee seine Direktkandidaten im Landkreis Konstanz gekürt. Zumindest eine Personalie lässt aufhorchen.
Aus bislang unerfindlichen Gründen wurde die Presse von der Kandidatenkür – Kandidaten sind tatsächlich nur Männer – kategorisch ausgeschlossen. Warum eigentlich tagte die Partei hinter verschlossenen Türen? Hatte man Angst vor kritischen Fragen? Eine nachvollziehbare Erklärung für diese fragwürdige Entscheidung hat Peter Teichmann, seit August Vorsitzender des BSW Hochrhein-Bodensee, nicht parat. Immerhin ist zu erfahren, dass insgesamt 11 stimmberechtigte Mitglieder anwesend waren.
Die Kandidaten
Für den Wahlkreis Singen wird Ren`é Frey (44) antreten, der seine Brötchen als Zugbegleiter verdient. Ersatzkandidat ist Serdar Sak (36), der laut Pressemitteilung in der Medizintechnik tätig ist. Im Wahlkreis Konstanz will sich der Heilpraktiker, Kaufmann, Ernährungsberater und „Coach für psychologische Schattenarbeit“ Daniel Niedzwetzki (45) um ein Landtagsmandat bemühen, heißt es in der Pressemitteilung, aber ein Ersatzkandidat neben Niedzwetzki habe sich nicht finden lassen.
Eine schillernde Mischung
Ren`é Frey ist kommunalpolitisch schon länger unterwegs. Für die SPD kandidierte er 2019 erfolglos für einen Sitz im Kreistag. Vergangenes Jahr dann tauchte er bei den Kommunalwahlen auf der Liste des Jungen Forums Konstanz (JFK) auf, aber für einen Sitz im Konstanzer Gemeinderat reichte es bei Weitem nicht. Nun hat er sich für einen dritten Anlauf für ein politisches Mandat dem BSW angeschlossen und angeblich habe er, so heißt es in der Pressemitteilung, gute Chancen auf einen „aussichtsreichen Platz“ auf der BSW-Landesliste. Frey kritisiert die „marode Infrastruktur und personelle Unterbesetzung“ bei der Bahn, bezeichnet Stuttgart 21 als „dysfunktionales Milliardengrab“ und plädiert für „funktionierende Mobilität“. Forderungen, die weitestgehend auch von anderen Parteien erhoben werden.
Deutlich spannender wird es da schon, wenn man den BSW-Kandidaten Niedzwetzki genauer unter die Lupe nimmt. Der ehemalige Zeitsoldat stehe für „wirtschaftliche Vernunft, verlässliche Energiepreise (…) Bürokratieabbau, Investitionen in kommunalen Wohnungsbau (…) soziale Gerechtigkeit und faire Chancen“, ist in der BSW-Verlautbarung zu lesen.
Kooperation mit dem braunen Rand
Früher lebte Niedzwetzki in Dortmund und engagierte sich dort für die Piratenpartei, 2017 ließ er sich in Konstanz nieder. Auf ihn aufmerksam wurde man, als er vergangenes Jahr die Wählerinitiative „Konstanz Kommt“ mitgründete, die bei den Kommunalwahlen antrat, aber kein Mandat erringen konnte. Im Vorfeld dieser Kommunalwahl ließ sich Niedzwetzki auch von Gerry Mayr befragen, der als bekannter Rechtsaußen-Querdenker auch längst im AfD-Lager gelandet ist und nach Abschluss des Interviews erklärte: „Der Daniel ist unser Mann“. Dass dieser bestens vernetzt ist mit nationalistisch-völkischen Zirkeln rund um den Bodensee bis weit hinein in die benachbarte Schweiz, gehört zum Geschäftsmodell eines politischen Hütchenspielers, der sich in der öffentlichen Wahrnehmung geschickt verkauft und nun beim BSW einen Neustart plant.

Aber es kommt noch härter: Mit dabei im Konstanz-kommt-Boot war auch Niedzwetzkis Kumpel „Michl“ Bluemm, der seit einiger Zeit ebenfalls energisch für die rechtsradikale AfD trommelt und alle anderen Parteienvertreter für Faschisten hält, die man umgehend „enteignen und einsperren“ müsse. Dementsprechende Einträge sind auf Bluemms Facebook-Seite nachzulesen. Bei einer Debatte über Israel am 8.10. schrieb er neulich: „Sie (er meint die Juden, Anm. d. Verfassers) waren und sind auch heute noch gierig und Menschen verachtend und diskriminierend unterwegs (…) Ein funktionierender fairer Staat muss solchen Menschen Einhalt gebieten“. Deutlich antisemitischer geht es wohl kaum.
Kurz nach der für sie deutlich gescheiterten Kommunalwahl waren Niedzwetzki und Bluemm auch Geburtshelfer eines Stammtisches in einer Konstanzer Weinstube, in der sich mehrheitlich so ziemlich alles trifft, was die rechte Szene aufzubieten hat: Verschwörungstheoretiker, Klimawandel-Leugner, Windkraftgegner, Reichsbürger und AfD-Propagandisten.
Dürre Antworten
Angesprochen auf diese Fakten rund um Daniel Niedzwetzki äußert sich Peter Teichmann auffällig schmallippig. Bei der Kritik an dem Direktkandidaten für den Wahlkreis Konstanz handle es sich seiner Meinung nach um ein „Konstrukt von ‚Kontaktschuld‘, mit dem aus unserer Sicht jegliche Diskussion zuverlässig vergiftet werden kann (…)“. Und: „Viele – so auch unser Kandidat – hatten auf ihrem Weg Mitstreiter, die die Antworten auf die Fragen dieser Zeit bei anderen Parteien und Gruppen suchen, deren Position wir nicht unbedingt oder sogar überhaupt nicht teilen“. Da kann die logische Schlußfolgerung eigentlich nur lauten: Das BSW Hochrhein-Bodensee, das für sich in Anspruch nimmt, die einzig wahre Friedenspartei zu sein, hält die Tür weit offen für allerlei Figuren aus dem rechtsradikalen Lager.
Gar nicht antworten auf die Frage, was er über die Aktivitäten und politischen Hintergründe seines Parteigenossen Niedzwetzki denkt, wollte der BSW-Direktkandidat für den Wahlkreis Singen, René Frey.
Text: Holger Reile. Transparenzhinweis: Der Autor dieses Beitrags ist parteilos und Stadtrat der Wählerinitiative Linke Liste Konstanz (LLK)


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