Bahnhof ladenzeile konzil tertianum verkehr innenstadt konstanz 2018 06 23 © harald borges

Fahrradparkhaus am Bahnhof: Jetzt gilt‘s

Von Harald Borges
Bahnhof ladenzeile konzil tertianum verkehr innenstadt konstanz 2018 06 23 © harald borges

In den nächsten zwei Wochen entscheidet sich voraussichtlich endgültig, ob das dringend benötigte Fahrradparkhaus am Bahnhof endlich gebaut wird oder nicht. Derzeit ist das Rennen noch offen, und die Finanzlage scheint den Fahrradgegner:innen zusätzliche Munition zu liefern.

Das Problem lässt sich Tag für Tag auf wenigen Metern besichtigen: In Bahnhofsnähe und auf der Marktstätte häufen sich die Fahrräder. Zwischen Lago und Marktstätte gibt es zwar Abstellplätze für 350 Drahtesel, es stehen dort an Werktagen aber etwa 1000. Diese Räder werden aus Mangel an Parkplätzen oft notgedrungen so abgestellt, dass sie Fußgänger:innen, Kinderwagen und Rollstühlen den Weg verstellen.

Was tun? Die Stadt plant in Kooperation mit der Bahn ein großes Fahrradparkhaus anstelle der bisherigen Ladenzeile.

Endlich gut?

Seit rund 25 Jahren gibt es Verhandlungen zwischen der Bahn als Grundstückseigentümerin der Ladenzeile neben dem Bahnhof und der Stadt, und mittlerweile sind die Pläne so weit gediehen, dass die Baugenehmigung für den Neubau noch in diesem Monat erwartet wird. Auch der Kauf- und Teilungsvertrag sowie die Teilungserklärung befinden sich bereits auf der Zielgeraden. Das Gebäude selbst soll nach der Versetzung von Oberleitungsmasten und dem Abriss der Ladenzeile in den Jahren 2028 bis 2030 errichtet werden. Es soll dort ein zweistöckiges Bauwerk entstehen, dessen untere Etage von der Bahn für Gastronomie, einen Fahrradservice, öffentliche Toiletten und ähnliche bahnhofstypische Angebote genutzt werden soll.

Im oberen Stockwerk, über eine Rampe vom Bahnhofplatz aus und von den Gleisen mit einem Fahrstuhl erreichbar, findet sich dann eine ganze Etage für Fahrräder:innen. Dort sollen ca. 700 Velos einen Platz finden, 420 auf kostenlosen und 280 auf besonders gesicherten kostenpflichtigen Plätzen. Natürlich ist auch an Schließfächer etwa für Fahrradhelme und an Lastenräder gedacht. Betreiber des Parkhauses soll die Konstanz Mobil GmbH (KMG) werden, in der die Stadt ihre landgestützten Mobilitätsdienste gebündelt hat.

Wichtiger Baustein der Verkehrswende in Konstanz

Zielgruppe sind weniger jene Menschen, die auf ein Eis oder einen Latte an die Marktstätte kommen, denn die werden diesen Umweg kaum in Kauf nehmen, sondern ihr Rad weiterhin auf der Marktstätte abstellen. Aber Radler:innen, die ihr Fahrrad diebstahlsicher und gegen die Witterung geschützt unterbringen wollen, wenn sie über den Bahnhof zur Arbeit oder zum Vergnügen ein- oder auspendeln, die in der Nähe arbeiten oder mit einem teureren Bike zu einem ausgedehnten Stadt- oder Hafenbummel in die City schauen, werden das Angebot zu schätzen wissen. Langfristig soll das Parkhaus mehr Menschen aus dem Auto aufs Fahrrad locken und für staugeplagte Autofahrer:innen eine attraktive Alternative werden.

Dass Radler:innen durchaus bereit sind, für einen geschützten Stellplatz zu bezahlen, beweist das Radhaus im Paradies an der Wallgutschule, das ausgebucht ist und für das inzwischen eine Warteliste geführt wird. Dort liegen die Kosten bei etwa 80,– Euro pro Stellplatz und Jahr, im Parkhaus am Bahnhof dürfte es etwas teurer werden. Ein weiteres Radhaus am Petershauser Bahnhof, das bereits im Bau ist, soll übrigens 40 Plätze haben und wird aller Voraussicht nach schon bei seiner Eröffnung 2026 den örtlichen Bedarf an sicheren Abstellmöglichkeiten kaum decken können.

Fahrradparkhaus modell 02 2025 09 30 © harald borges

Hohe Fördergelder

Das geplante Parkhaus stößt nicht überall auf Zustimmung und ist auch im Technischen und Umweltausschuss (TUA) am 14.10., im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) am 16.10. und schließlich am 23.10. im Gemeinderat beileibe kein Selbstläufer.

Als Gegenargument müssen natürlich vor allem die Kosten herhalten. Laut Sitzungsvorlage rechnen die Stadt und ihre Konstanz Mobil GmbH (KMG) mit Gesamtkosten von netto 7,3 Millionen Euro. Allerdings gibt es einen Batzen Fördergelder: Aus dem Agglomerationsprogramm Kreuzlingen-Konstanz, dem wundervollen Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) und einem Bundesprogramm sollen 5 Millionen an den Bodensee fließen, so dass Konstanz und seine KMG für den Bau und das Grundstück schließlich 2,3 Millionen aus eigener Tasche zahlen müssen. Also etwa so viel (oder wenig), wie das Bodenseeforum pro Jahr an Zuschüssen verschlingt.

Natürlich kostet auch der Betrieb jedes Jahr einiges. Für das erste Jahr wird mit einer Auslastung von 40 Prozent und Einnahmen von 80.000 Euro aus der Vermietung von gesicherten Plätzen, Fahrradboxen und Schließfächern gerechnet. Für den Betrieb, die Abschreibung und Kapitalkosten rechnet die Stadt mit einem Defizit von insgesamt ca. 255.000 Euro im ersten Jahr. Mit der im Laufe der Zeit immer besser werdenden Auslastung sollen diese Kosten dann deutlich sinken. Das jährliche Defizit soll innerhalb des „Parkierungsportfolios der KMG aus Erträgen der Innenstadtparkhäuser“ ausgeglichen werden.

Die üblichen Verdächtigen

Die Meinung zu diesem bisher größten Bauvorhaben zur Verkehrswende bildet sich entlang der vertrauten politischen Lagergrenzen. Die im Rat rechts sitzenden Fraktionen sind skeptisch bis feindlich gesonnen. In ihren Reihen wird zum Beispiel bemängelt, dass das Parkhaus nicht kostenneutral betrieben werden kann, sondern jährlich bezuschusst werden soll. (Dass niemand aus diesen Kreisen jemals Kostenneutralität vom Autoverkehr verlangt hat, versteht sich von selbst. Schließlich subventioniert die öffentliche Hand jedes Auto pro Jahr mit etwa 5000 Euro für Verkehrswege, Klimabelastungen, Tote und Schwerverletzte, Landschaftsverbrauch und gesundheitsschädlichen Lärm.) Außerdem herrschen in diesem Teile des politischen Spektrums Zweifel daran, dass das Parkhaus tatsächlich ausreichend ausgelastet wird. Natürlich geht manchen auch die Quersubventionierung des Fahrradparkhauses aus Gewinnen der Autoparkhäuser gehörig gegen ihre Bleifuß-Ehre.

Vechta bahnhofsbrücke mobilitätsstation © corradox via wikipedia
Radstation am Bahnhof Vechta

Auf der anderen Seite, der linken, wird Zustimmung signalisiert. Dabei spielen Umweltaspekte, eine Beendigung des Fahrradchaos um Bahnhof und Marktstätte sowie die Förderung des Radverkehrs, die sich die Stadt ja ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben hat, eine gewichtige Rolle. Außerdem wären bei einer Entscheidung gegen das Bauvorhaben die angekündigten Fördermittel auf alle Zeiten verloren, und 700.000 Euro bereits empfangener Gelder müssten zurückgezahlt werden, ohne dass man auch nur einen Spatz in der Hand hätte. Ein Nein wäre natürlich ein herber Schlag gegen die (etlichen Bürgerlichen insgeheim zutiefst verhasste) Verkehrswende.

Man darf gespannt sein, wie der Gemeinderat am Ende entscheidet. Die beiden Ausschusssitzungen werden bereits einen ersten Fingerzeig geben, aber letztlich ist die Entscheidung eng – was angesichts der Tatsache, dass Konstanz mit diesem zentralen Fahrradparkhaus hinter anderen fahrradfreundlichen Kommunen um Jahrzehnte zurückliegt, Verwunderung auslöst.

Quellen
Beschlussvorlage ö – 2025-0995
– Geo, 28. Januar 2022, „Jedes Auto kostet die Gesellschaft im Schnitt 5000 Euro pro Jahr“, beruht auf Stefan Gössling, Jessica Kees, Todd Litman, „The lifetime cost of driving a car“, Ecological Economics, Volume 194, April 2022, 107335.
– Freie Wähler Konstanz, Stellungnahme zum Fahrradparkhaus am Bahnhof

Text Harald Borges. Das Foto der Radstation beim Bahnhof Vechta mit der danebenliegenden Bahnhofsbrücke in Wikipedia stammt von Corradox und wurde unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“ lizenziert. Die anderen Fotos stammen von Harald Borges.

5 Antworten

  1. Robert Becker

    // am:

    Einfach mal nach Kopenhagen fahren und über die Radinfrastruktur staunen. Die Bezeichnung „Radweg“ ist oft falsch, „Radstraße“ meist zutreffend. Auch die Ausstattung der Eisenbahnen macht es vor, wie Zugfahren mit Fahrrad möglich ist. Und Radfahren können die auch, von wegen nebeneinander fahren und bummeln und andere blockieren, der Anpfiff kommt sofort. Deutschland: Auto first. Autolobby first. Noch Fragen, Kienzle.

  2. Dr. Peter Krause

    // am:

    Ich finde das Fahrradparkhaus grundsätzlich sinnvoll. Ob die Kostenkalkulation sinnvoll und korrekt ist, kann ich nicht beurteilen.

  3. Peer Mennecke

    // am:

    Große Fortschritte in der Stadtplanung im Bezug auf die Verbesserung der Fahrradinfrastruktur, auch durch den Bau von Fahrradparkhäusern, werden uns seit Jahrzehnten von anderen Regionen und Ländern vorgelebt. Norddeutschland, vor allem Münster, Bremen etc. sowie alle skandinavischen Länder sind uns Aeonen voraus. Konstanz ist hier ungefähr so rückschrittlich wie Russland oder Nordkorea. Keine zusammenhängenden Radwege, keine Ahnung, keine Planung.
    Wer jetzt noch meint, die anfallenden Investitionen für Fahrradparkplätze in der Innenstadt in Frage zu stellen, sollte sich ernsthaft fragen, ob er weiß, was der Begriff Verkehrswende bedeuten könnte.
    Trauriger Versuch, dies sogar noch betriebswirtschaftlich infrage zu stellen.

  4. Bernd Eisenbarth

    // am:

    Warum sollten in finanziell klammen Zeiten nur „Rechte“ Bedenken gegen solche Investitionen äußern? Ist das denn so? Es sollte doch eigentlich unabhängig von der politischen Einstellung klar sein, dass man sich unter den gegebenen Umständen sehr genau überlegen muss, welche Wünsche man sich erfüllen kann und welche nicht, um nicht noch weiter in die Bredouille zu geraten. Das gilt für Privatleute genauso wie für die Politik. Die Darstellung im Artikel scheint mir nur die Bestätigung bestehender Ressentiments wider zu spiegeln.

  5. Alex Tasdelen

    // am:

    Wir vier Gemeinderät*innen vom Jungen Forum Konstanz/JFK sitzen im Ratssaal ja bekanntlich auch rechts -wer immer sich das auch ausgedacht hat- befürworten aber jede Maßnahme, die der Förderung des Fahrrads dient und noch mehr Konstanzer*innen hin zu diesem umweltschonenden Verkehrsmittel bewegt, nicht zuletzt durch unsere Teilnahme und Expertise im Arbeitskreis Rad & Fuß.

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