Sbk häuser, birkenweg, sierenmoos siedlung, konstanz kompr © joachimkohler hb via wikipedia

Erbpacht oder Verkauf? Die Stadt probt einen Mittelweg

Von Ralph-Raymond Braun
Sbk häuser, birkenweg, sierenmoos siedlung, konstanz kompr © joachimkohler hb via wikipedia

Soll die Stadt ihre Haushaltslöcher auch mit dem Verkauf von Grundstücken stopfen? Oder verschleudert sie so ihr Tafelsilber und bringt sich um langfristige Miet- und Pachteinnahmen, befeuert damit gar Bodenspekulation und Mietenwahnsinn? Die Linke jedenfalls fordert landauf landab, den Verkauf von städtischen Grundstücken durch die Vergabe im Erbpacht zu ersetzen.

Bei der Erbpacht, amtlich Erbbaurecht genannt, haben das Grundstück und ein darauf errichtetes Gebäude verschiedene Eigentümer. Eingeführt wurde dieses spezielle Bodenrecht für bebaute Grundstücke in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, um den Wohnungsbau zu fördern. Finanziell schwächere Bevölkerungsschichten konnten so ein Haus bauen oder erwerben, ohne auch den zugehörigen Grund und Boden erwerben zu müssen. Stattdessen zahlen sie jeden Monat einen Zins für die Nutzung des Grundstücks.

Ein Erbbauvertrag wird gewöhnlich auf 50 oder 75, höchstens auf 99 Jahre geschlossen. Wird er danach nicht verlängert, fällt das Gebäude gegen eine am Verkehrswert bemessene Entschädigung an den Grundeigentümer. Gedacht war das Erbbaurecht auch als Mittel zur Eindämmung der Bodenspekulation. In der Schweiz und in Österreich läuft dieser „Landkauf auf Zeit“ unter dem Namen Baurecht.

Erbbaurechte gewähren gewöhnlich Institutionen, die ihr Grundvermögen dauerhaft erhalten und daraus Gewinn erzielen wollen, etwa Kirchen, Stiftungen und Kommunen. So ist die Spitalstiftung mit rund 440 Erbbauverträgen der größte Erbbaurechtsgeber in Konstanz.

Für den Grundeigentümer Stadt, der etwa 80 Erbbaurechte vergeben hat, ist das Instrument seit jeher umstritten. Wer eine kommunale Bodenbevorratung befürwortet, ist grundsätzlich gegen den Verkauf städtischer Grundstücke. Wer indes den Stadthaushalt sanieren und die Eigentumsbildung Privater fördern möchte, bevorzugt den Verkauf stadteigener Baugrundstücke.

Der Erbbauberechtigte spart zunächst Geld, indem er das Grundstück, auf dem er bauen möchte, nicht kaufen muss, sondern quasi mietet. Dies gilt besonders, wenn der Zinssatz für die Erbpacht, in Konstanz aufs Jahr gerechnet 2,5 bis 4 Prozent des Bodenwerts, niedriger ist als die Zinssätze für Baudarlehen (aktuell 3 bis 4 Prozent).

Langfristig ist die Belastung durch den Erbzins allerdings stets höher als bei Einmalzahlung eines Kaufpreises. Deshalb baut etwa die WOBAK grundsätzlich nicht auf Erbbaugrundstücken. Neuere Verträge erlauben dem Erbbaugeber Stadt nämlich, den Erbbauzins jährlich an den Verbraucherpreisindex anzupassen, also zu erhöhen. Altverträge schreiben den Betrag zwar über die gesamte Laufzeit fest. Auch hier erlaubt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 24.02.1984, Az. V ZR 222/82) jedoch Anpassungen nach erheblichem Kaufkraftschwund – wovon die Stadt Konstanz allerdings nie Gebrauch gemacht hat. Hier trifft es die Erbbauberechtigten mit Altverträgen erst nach Ablauf der Vertragslaufzeit, denn bei einer Verlängerung wird der Erbbauzins an den aktuellen Bodenwert angepasst.

So kostet ein Erbbaugrundstück in der Sonnenbühlstraße bislang jährlich 476 Euro Erbbauzins. Der Erbbauberechtigte will das bestehende Einfamilienhaus abreißen und durch ein Mehrfamilienhauses mit 5 Wohneinheiten und einer Praxis ersetzen. Dazu braucht er einen Baukredit und dafür wiederum, so will es die Bank, eine vorzeitige Verlängerung der Erbpacht. Der mit dem Bodenwert von 2025 errechnete Erbbauzins würde dann ausgehend von einem Zinssatz von 2,5 Prozent statt 476 Euro künftig 20.112 Euro betragen.

Verkauf auf (lange) Zeit

Für ein 644 Quadratmeter großes Grundstück in Allmannsdorf, hier im Zwickel zwischen Mainaustraße und Egger Straße, versucht die Stadt als Eigentümer nun einen neuen Weg, nämlich das Gelände Bauwilligen zu überlassen und sich zugleich den langfristigen Zugriff auf das Grundstück zu sichern, ohne dafür einen Erbpachtvertrag zu schließen. Bei einem Bodenwert von 1.380 EUR/m² ist besagtes Grundstück etwa 900.000 Euro wert. Das ergäbe für ein denkbares Mehrfamilienhaus einen Erbbauzins von monatlich 3000 Euro!

Statt Erbpacht wird verkauft. Wie bei den Christiani-Wiesen am Hörnle, beim alten Technologiezentrum im Paradies und wie am Hafner geplant soll es eine Konzeptvergabe an eine Baugruppe geben, also diejenige Baugruppe den Zuschlag erhalten, deren Konzept für die Entwicklung des Grundstücks am besten die vorher von der Stadt festgelegten Kriterien erfüllt.

So weit, so erprobt. Neu ist jedoch beim Allmannsdorfer Grundstück, dass die Stadt sich mittels Grundbucheintrag vorbehält, das Gelände samt Gebäude nach 85 Jahren zurückzukaufen, nämlich zum ursprünglichen Verkaufspreis plus Inflationsausgleich für den Boden und zum Verkehrswert des Hauses. Diese Preisbremse zusammen mit einem Vorkaufsrecht reduziert das Spekulationsrisiko, denn Überzahlungen für das Objekt lassen sich nicht erwirtschaften. Die Baugruppe hat es beim Kauf gegenüber der Erbpacht zudem leichter, an Bankdarlehen zu kommen.

Alles in allem ein interessantes Modell, um die Bodenspekulation zu begrenzen – ohne den Bauwilligen die Nachteile der Erbpacht aufzuzwingen.

Bild: JoachimKohler-HB via Wikipedia, Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“.

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