Mohamed Badawi © Privat

Mohamed Badawi: Ich habe einen Traum

Von Mohamed Badawi
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Mohamed Badawi, ehemaliger Stadtrat der Freien Grünen Liste im Konstanzer Gemeinderat, hat einen Traum: „Dass Palästinenser und Israelis eines Tages in Frieden und Liebe leben.“

„Frieden bedeutet nicht die Abwesenheit von Konflikt, sondern die Anwesenheit von Gerechtigkeit.“ – Martin Luther King Jr.

Ja, ich habe einen Traum. Ein Traum, der längst kein intellektueller Luxus oder eine poetische Sehnsucht mehr ist, sondern eine existentielle Notwendigkeit für alle Völker dieser verwundeten Region – einer Region, die vom Blut erschöpft ist, in der Schmerz zur Gewohnheit und der Tod zum täglichen Brot geworden ist.

Ich schreibe heute in der festen Überzeugung, dass Worte – auch wenn sie machtlos erscheinen angesichts des Dröhnens der Panzer und Heulens der Flugzeuge – dennoch die letzte Zuflucht für Gewissensmenschen sind. Ein offenes Fenster in eine neue Zukunft, wenn sich alle Türen geschlossen haben.

Mein Traum ist, dass der Mensch in Gaza in sein Zuhause zurückkehrt – nicht in Trümmer.

Dass Väter nicht mehr unter den Trümmern um ihre Kinder weinen. Dass Massaker nicht länger die Hoffnungen von Müttern rauben. Dass die Leichen der Geiseln ihren Familien übergeben werden. Dass die Überlebenden mit möglichst wenig innerem Bruch zurückkehren – das Leben lässt sich nicht ersetzen, aber ihm kann neuer Sinn verliehen werden.

Von Gaza nach Dresden: Geschichte kann nicht gelöscht, aber verstanden werden

Wer heute Gaza sieht – belagert und zerstört – kann als bewusster Mensch nicht umhin, sich an die Bilder deutscher Städte nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern, insbesondere Dresden, das im Februar 1945 von den Alliierten in Schutt und Asche gelegt wurde. Zehntausende Zivilisten starben binnen weniger Tage. Kirchen, Museen und Bibliotheken – das kollektive Gedächtnis eines Volkes – wurden ausgelöscht.

Doch was die Deutschen nach dem Krieg taten, war nicht von Rache geprägt, sondern vom Willen zum Wiederaufbau – nicht nur der Infrastruktur, sondern auch der kollektiven Seele. Westdeutschland entschied sich für Demokratie, Aufarbeitung und das Eingeständnis der Verantwortung für die Katastrophe des Nationalsozialismus. Und Europa – angeführt von Frankreich, das selbst unter deutscher Besatzung gelitten hatte – wählte Versöhnung und Partnerschaft.

Der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt sagte einst: „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ Als 1989 die Berliner Mauer fiel, fielen nicht nur Betonblöcke – auch die Gedanken von Hass und Spaltung zerbrachen. Deutschland wurde mit seltenem politischen Mut wiedervereinigt.

Von der Nakba bis heute: Schmerz, den Schweigen nicht heilt

Die Palästinenser kennen die Nakba so tief wie die Deutschen den Holocaust. Jedes Volk hat seine Wunden, und jede Wunde hat ihr Gedächtnis. Aber dieses Gedächtnis darf kein ewiges Gefängnis sein. Die Nakba war nicht nur Vertreibung – sie war Entwurzelung und Auslöschung von Identität.

Doch kann Palästina noch weitere siebzig Jahre warten? Darf die Region Geisel bleiben von Hassreden und Fanatismus? Wollen wir Schmerz weiter in Zahlen messen und Tötung mit Karten rechtfertigen? Nein – die Lösung liegt nicht im Auslöschen, sondern im gegenseitigen Anerkennen.

Wahrer Frieden beginnt im Herzen des Leids. Der südafrikanische Freiheitskämpfer Nelson Mandela sagte: „Wenn du Frieden mit deinem Feind schließen willst, musst du mit ihm zusammenarbeiten. Dann wird er dein Partner.“

Hamas muss reflektieren, Israel muss zurücktreten

Es gibt keinen edlen Widerstand, der auf dem Blut von Unschuldigen gebaut ist. Und es gibt keine echte Demokratie, die innerhalb ihrer Grenzen ein System der Apartheid praktiziert. Die Hamas hat durch ihre Gewalt und ideologische Verbohrtheit viele Chancen der palästinensischen Sache verspielt. Und Israel, durch systematische Unterdrückung, Siedlungsexpansion und die Verweigerung grundlegender Rechte für Palästinenser, zerstört jede echte Chance auf einen dauerhaften Frieden.

Doch trotz all dessen dürfen wir nicht vergessen: Auf beiden Seiten gibt es Menschen, die Frieden wollen. Menschen, die für Gerechtigkeit kämpfen, die sich weigern, Soldaten im Heer des Hasses zu sein. Die Hoffnung existiert – schwach, verletzlich, aber lebendig. Sie braucht Wasser, nicht Würgegriffe. Sie braucht Mutige, die sie nähren, nicht Zyniker, die sie ersticken.

Europa als Zeuge eines Wunders – Warum nicht auch im Nahen Osten?

Vom europäischen Binnenmarkt bis hin zu politischen Partnerschaften – Europa hat gezeigt: Der Feind von gestern kann der Partner von morgen sein. Deutschland und Frankreich, Italien und Österreich, sogar das Vereinigte Königreich nach dem Brexit – all diese Länder waren tief in das Blutvergießen des 20. Jahrhunderts verstrickt.

Und doch wurde Europa zum größten gemeinsamen Wirtschaftsraum der Welt – nicht, weil sich alle plötzlich liebten, sondern weil sie das Gemeinwohl über den historischen Groll stellten. Warum lernen wir nicht aus dieser Erfahrung? Warum bauen wir keinen „neuen Nahen Osten“ auf der Basis von Gerechtigkeit und gegenseitigem Respekt, anstatt auf dem Fundament von Gewehren und Rüstungsdeals?

Trump und der erzwungene Moment des Innehaltens

Vielleicht war Donald Trump kein Mann des Friedens im klassischen Sinne, aber in seiner Amtszeit zwang er beide Seiten zu einem Moment der Reflexion. Dass Hamas bereit war, Teile eines Friedensplans zu akzeptieren und Geiseln freizulassen – auch unter Druck – ist eine Entwicklung, die man nicht leichtfertig abtun sollte.

Gleichzeitig forderte Trump auch Israel auf, sein militärisches Vorgehen zu stoppen – ein Zeichen, dass sich die Kräfteverhältnisse zu verschieben beginnen. Die Gelegenheit mag klein sein, aber sie ist real.

Zum Schluss: Wir alle haben einen Traum

Ich habe einen Traum – dass dieser Nahe Osten ein Ort der Pluralität wird, nicht der Sektiererei.

Dass das palästinensische Mädchen Hand in Hand mit dem israelischen Jungen geht – nicht durch Flüchtlingslager oder Gefängnisse, sondern durch Schulhöfe, Spielplätze und Theater des Lebens. Dass die Geschichte nicht als Schwert über unseren Hälsen hängt, sondern als Brücke dient – zur Versöhnung, zum gegenseitigen Verstehen. Der palästinensische Dichter Mahmoud Darwish schrieb: „Wir lieben das Leben – wann immer wir einen Weg zu ihm finden.“

Lasst uns dem Leben eine Chance geben.

Lasst uns dem Menschen seinen Wert zurückgeben.

Lasst unser Gedächtnis ein Speicher der Weisheit sein – und kein Brennstoff für die Vernichtung.

10 Antworten

  1. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    zu Herrn Mennecke
    Schade. Vielleicht hat Herr Badawi ja auch über die Kritiken reflektiert. Wir wissen es nicht, denn wir können nicht in die Köpfe anderer Menschen schauen. Aber wir können es ja nun aus genau diesem Grund nicht ausschließen. Wir sollten auch in Bezug auf uns selber nicht aufgeben zu reflektieren. Ist es wirklich so sinnvoll Gräben offen zu halten, die wir als Menschen vielleicht ja auch überwinden könnten? Ob das Bestand hätte, wir können es nicht im Vorhinein wissen. Ich mag nicht immer einer Meinung mit Herrn Badawi sein, ich erwarte auch nicht, dass er sich meinen Ansichten anschließt, aber ich habe persönlich nichts gegen diesen engagierten Menschen. Vielleicht bin ich als überzeugte Christin auch blauäugig, aber dieses Risiko gehe ich ein. Wir verlieren nicht im Inneren, wenn wir zu uns selber stehen, auch wenn es geschehen kann, dass wir enttäuscht oder getäuscht werden. Es nicht zu tun, ist der größere Verlust.

  2. Peer Mennecke

    // am:

    @chf
    Eben nicht egal, was er schreibt. Eine (subjektiv so empfundene) Reinwaschung seiner vorherigen Beiträge veranlasst mich, diesen doch sehr blümerant vorgetragenen und mit zahlreichen populären Zitaten gespickten Text in dieser Form zu kritisieren.

  3. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Es mag wie eine Laienpredigt klingen, doch was ist inhaltlich daran auszusetzen? Ich hatte Äußerungen von Herrn Badawi in der Vergangenheit durchaus kritisiert, aber hier ist ja doch nichts zu finden, dem ich widersprechen müsste oder wollte. Scheint so zu sein, dass wer einmal abgestempelt ist bei einigen Leuten, immer sein Fett abbekommt, egal was er schreibt.

  4. Robert Becker

    // am:

    Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und das ist auch gut so.

    Das Problem an diesen ganzen gravierenden kriegerischen Konflikten dieser Welt ist nur leider die Tatsache, dass die Aggressoren mit dieser brutalen Gewalt enorme offizielle und stille Unterstützung erhalten. In finanzieller wie auch moralischer Hinsicht. Solange diese Gewalt toleriert wird, dürfte es schwierig mit der Hoffnung sein.

    Bestes Beispiel direkt vor der eigenen Haustüre ist Russland: ohne die Einnahmen aus den Rohstoffumsätzen wäre der Krieg gegen die Ukraine und die freie Welt nicht finanzierbar. Und die Militärtechnik wäre ohne westliche Technik qualitativ auch mindestens wesentlich schlechter und ineffizienter.

  5. Peer Mennecke

    // am:

    Amen.
    Klingt wie eine Laienpredigt aus Versatzstücken der allgemein gültigen Selbstverständlichkeiten.

  6. Weimer, Jens

    // am:

    „Die Hamas muss reflektieren.“ Hätte Hitler vielleicht 1944 auch besser gemacht. *Sarkasmus Ende*
    Frieden kann es in der Region nur geben, wenn die islamo-faschistische Hamas ein für alle Mal besiegt und das Palästinensische Volk von dieser Geißel befreit ist, noch besser: sich selbst davon befreit.

  7. Brigitte Kromer

    // am:

    Sehr geehrter Herr Höpfinger,
    ich kann nicht nachvollziehen, warum sie es als zynisch empfinden, einen Text, der ausnahmslos das Schweigen von Waffen und ein friedliches Miteinander fordert, zu veröffentlichen. Ich kann mich „diesem Traum“ jedenfalls nur anschließen und gebe die Hoffnung nicht auf, dass er eines Tages real wird.
    Des Weiterhin bitte ich Sie, sich künftig im Vorfeld besser zu informieren. Herr Badawi ist nicht, wie Sie ungeprüft behaupten, Palästinenser, sondern er ist ein seit langem in Konstanz lebender Deutscher mit Wurzeln im Sudan. Ich kann das guten Gewissens behaupten, weil ich Herrn Badawi seit vielen Jahren gut kenne.

  8. TIM KLOSE

    // am:

    Wunderbar, dieser Traum 🍀

  9. Norbert Höpfinger

    // am:

    Dass die Redaktion zynischerweise ausgerechnet den Beitrag eines Palästinensers am Jahrestag des Massakers veröffentlicht war erwartbar. Der Inhalt des Beitrags war auch vorhersehbar. Ein friedliches Miteinander von Palästinensern und Juden ist machbar, es verlangt nur eine einzige Vorbedingung. Deshalb mein Appell an die Palästinenser und ihre Unterstützer weltweit:
    Hört damit auf, Juden zu ermorden!

  10. Frank Lettenewitsch

    // am:

    grosse Zustimmung und Dank. Rasch werden zumeist auch solche Stimmen wie die von Mohamed unter Verdacht gestellt, Vernunft und Nachdenklichkeit, die die absolute Notwendigkeit des Augenblicks sind, unter Verdacht gestellt und zum Feind gemacht. Mohameds Traum, unser Traum aber ist keine Beguetigung von Gewalttaetern und keine von ignoranten Unterdrueckern, sondern ein konkreter Weg die Opfer und uns dem brutalen Druck der Luegen zu entwinden, die eine unlebbare Welt erzwingen wollen.

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