
Die Stadt Konstanz eilt in ihren eigenen Augen auf dem steinigen Weg zu einem klimaneutralen Verkehr von Sieg zu Sieg. Doch im Alltag erweist sich immer wieder, dass das Auto noch immer Vorfahrt hat.
Gerade noch beglückwünschte sich die Stadtverwaltung bei der Präsentation des Klimamobilitätsplans ob der positiven Entwicklungen im Mobilitätsverhalten der Konstanzer Bevölkerung. Eine wichtige, von der Stadt gewünschte und gefeierte Entwicklung, denn der Fuß- und Radanteil im gesamten Konstanzer Verkehrsaufkommen ist auf enorme 66% gestiegen. Zwei Drittel der genutzten Verkehrsarten sind also nicht KFZ!
Chapeau für die Nutzer, die diese Entwicklung leben! Weiterentwicklungen des Langsamverkehrs werden nach deren Bekunden von der Stadtverwaltung auch weiterhin gewünscht und angestoßen …
Doch wie wirkt sich das auf unseren Straßen aus?
Für Rad- und Fußverkehr gesperrt
Am 17. Mai lese ich eine Mitteilung der Stadtverwaltung im SK Online: „Eine neue Baustellenabgrenzung sperrt seit Kurzem den nördlichen Gehweg in der Reichenaustraße gegenüber dem Bodenseeforum. Wie Julia Lange, Pressereferentin der Stadtverwaltung Konstanz, bekannt gibt, widme sich die ausführende Baufirma gerade dem Einmündungsbereich von der Reichenaustraße zur neuen Erschließungsstraße des Europaquartiers. […] Für die Umgestaltung des Einmündungsbereichs rechne die Stadtverwaltung derzeit mit einer Bauzeit von rund vier Wochen. Während dieser Arbeiten könne der Geh- und Radweg deshalb nicht genutzt werden.“

Fuß- und Radverkehr in der Reichenaustraße müssen demnach nach dem großen Edeka bis zur Einmündung ins Brückenquartier auf die andere Straßenseite wechseln, um bei der nächsten Ampel wieder zurückzuwechseln. Und dies an Ampeln mit für Fuß und Rad schlechtestmöglichen – weil vor allem an die Bedürfnisse des Kraftverkehrs angepassten – Grünphasen.
Die beiden KFZ-Spuren hingegen bleiben von den Baumaßnahmen unberührt! Eine Verengung auf eine Autospur, um die zweite für den Rad- & Fußverkehr freizugeben, hat offensichtlich niemand in Erwägung gezogen. Es macht einigermaßen sprachlos, dass der auf der Fahrbahn reichlich vorhandene Platz nicht für den Fuß- und Radverkehr mitgenutzt wird.
Sieht so eine sinnvolle Verkehrspolitik aus, die – wie bei der Präsentation des Klimamobilitätsplans immer wieder behauptet wurde – die tatsächliche Nutzung der Verkehrsarten endlich stärker berücksichtigen will?

Inakzeptable Verkehrsführung
Die Konsequenz dieser Verkehrsführung war schnell zu beobachten: Radler fahren auf der Fahrbahn – weil diese unsinnige Verkehrsführung einfach ignoriert wird, auch wenn sie rechtlich einwandfrei sein mag. Mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs zu sein ist schließlich nur dann optimal, wenn es eine sinnvolles Verkehrsführung gibt.
Nach einer Anfrage zu dieser Situation kam aus der Abteilung Mobilität der Stadt die Antwort, dass versucht wurde, den rechten Kfz-Fahrstreifen stadtauswärts in einen Radfahrstreifen umzuwandeln. Leider seien diese Bemühungen aber nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Für die zuständige Straßenverkehrsbehörde hat die Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs auf der Bundesstraße anscheinend eine höhere Bedeutung als der Fuß- und Radverkehr, weswegen die Wegnahme eines Kfz-Fahrstreifens zu Gunsten eines Radfahrstreifens abgelehnt wurde.
Daraufhin habe ich im Internet nach Musterlösungen für Rad-/Fuß-Umleitungen an Baustellen gesucht. Im Baustellenleitfaden der AGFK (Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg, der auch die Stadt Konstanz angehört) existiert kein Passus, der die Argumente der Bedenkenträger stützt. Eine Befürchtung dieser Bedenkenträger ist es, die strikte Trennung der Verkehrsarten sei durch eine Verengung des KFZ-Verkehrs auf eine Spur nicht sicher zu gewährleisten. Genau solche Möglichkeiten werden in diesem Baustellenleitfaden aber vorgestellt. Auf dieser Straße, von der alten Rheinbrücke bis zum Doppelkreisel Baugebiet Brückenquartier, gibt es ja schon mehrere gewollte Verengungen der Fahrbahn, und keine bewirkt einen Zusammenbruch des Verkehrs, trotz des hohen Schwerlastanteils.


Aber eines fällt auf
Offensichtlich werden die Bemühungen um mehr Flächengerechtigkeit und sinnvolle Unterstützung des Langsamverkehr nicht von allen Verantwortlichen unterstützt. 33,5% „NichtKlima-KFZ-Verkehr“ wiegen offensichtlich schwerer als 66% biologische Verkehrsarten innerhalb der Gesamtstadt Konstanz … wo ist die Grenze, ab der endlich zumindest eine gleichberechtigte Verteilung des Straßenraumes vorgenommen wird?
Die Verwaltung sollte bedenken:
- Offensichtlich wird die Leichtigkeit des Kfz-Verkehrs vor die Sicherheit des Radverkehrs gestellt. Das widerspricht der in Konstanz im Masterplan Mobilität festgelegten Priorisierung und widerspricht §1 VwV-StVO, wonach die Sicherheit an erster Stelle steht.
- Die aktuelle Situation kann nur als sicher bezeichnen, wer die Lage vom Schreibtisch aus allein anhand des Verkehrszeichenplans beurteilt und die Augen vor der Realität verschließt.
- Zwar existiert eine sichere Umleitung, aber wenn diese von den Radfahrenden nicht akzeptiert wird, kann die Situation nicht als sicher bezeichnet werden. Radfahrende und Menschen zu Fuß auf der Fahrbahn einer vierstreifigen Bundesstraße mit Tempo 50 können wohl kaum als „sicher“ bezeichnet werden.
- Es gibt eine umsetzbare Alternative: Man kann den rechten Fahrstreifen zum Radfahrstreifen machen. Trotzdem kommen auch noch nächtliche Schwertransporte durch. Und die Verkehrsarten sind nach wie vor „strikt getrennt“, wie die Polizei es fordert.
Es ist wahr – jeder Quadratmeter Fläche kann nur einmal vergeben werden, und man muss sich genau überlegen wofür. Um die „Leichtigkeit des KFZ-Verkehrs“ zu gewährleisten, kann man aber anscheinend schon einmal ein Auge zudrücken.
Nachtrag
Inzwischen wurde wohl erkannt, dass es sicherer ist, die Absperrungen zu verschieben und zumindest den Radwegteil freizugeben. Die freigegebene „Umleitung“ auf die andere Straßenseite des Rad- und Fußverkehr ist auch nicht unumstritten: Der getrennte Einrichtungs-Rad/Fußweg mit einer Breite von drei Metern wurde mit Schildern in einen Zweirichtungs-Rad-/Fußweg umgewandelt – einschließlich der damit verbundenen Gefahren aufgrund von mangelndem Platz bei Gegenverkehr. An so manchen Stellen der Stadt wurde das schon aus gutem Grund genauso nicht umgesetzt.
Text: Werner Frank, Bilder: Harald Borges
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